Die Extremadura gilt als eine der ärmeren Regionen Spaniens. Sie ist jedoch überreich an Kultur und unberührter Natur. Weit ab vom Massentourismus findet man hier facettenreiche Landschaften, pittoreske Städtchen mit Vergangenheit, die sich wunderbar zu Fuß erkunden lassen. Auch Fans der Vogelbeobachtungen kommen hier auf ihre Kosten.
Von Christiane Neubauer
Riesenmurmeln und Erdbeerbäume
Wer von einer Anhöhe aus auf die sanft hügelige Landschaft blickt, wird sich vor Staunen die Augen reiben: Es sieht aus, als hätten Riesen in der Vorzeit hier Murmeln gespielt. Kugelrunde Findlinge liegen um einen stahlblauen See wie zufällig hin gewürfelt. Einige ruhen einsam zwischen Büscheln von Binsen. Andere türmen sich zu bizarren Formationen auf. Immer wieder halten wir inne, um die eigentümliche und mystische Schönheit dieser Landschaft, die sich nur schwer in Worte fassen lässt, in sich aufzunehmen. Wie aus einer anderen Welt. Und so ist auch niemand erstaunt, als Wanderführer Herbert Grabe berichtet, dass ein Teil der siebten Staffel der Fantasy-Fernsehserie „Game of Thrones“ genau hier gedreht wurde.
Zu bestaunen ist diese Landschaft auf verschiedenen ausgeschilderten Wanderrouten, die durch den Naturpark Los Barruecos in der spanischen Provinz Extremadura führen. Touristisch kaum erschlossen, zählt die Region im Westen Spaniens wirtschaftlich zu den ärmsten des Landes. Doch die Extremadura ist reich an Kultur- und Naturschätzen, die sich auf kleinen und großen Wanderungen aufs Schönste entdecken lassen. Denn anders als Spaniens zubetonierte Küstenregionen ist die Extremadura vom Massentourismus und dessen unangenehmen Begleiterscheinungen verschont geblieben. Wer einfach mal abschalten und der Natur (und sich selbst) wieder ein Stück näher rücken will, dem bietet die Extremadura unendliche Möglichkeiten zur Besinnung und Entschleunigung.
Die gebirgige Region der Sierra de Montánchez, südöstlich von Cáceres ist für ihren Artenreichtum bekannt. Entlang der uralten Wege verströmen Zistrosen in vielerlei Art ihren Duft. Und zwischen Saatwucherblumen und weißem Affodill taumeln Schmetterlinge hin und her als hätten sie zu viel Tempranillo getrunken. Eidechsen huschen zwischen die Ritzen der Trockensteinmauern, als wir vorbeiwandern. Und die Vogelkenner in der Gruppe haben in den Bäumen und Hecken zahlreiche teils seltene Vogelarten, wie Bienenfresser und Blauracken ausgemacht. Zur Balzzeit kann man hier oben in den Bergen den Konzerten unzähliger Vogelhochzeiten lauschen, die auch Nicht-Ornithologen begeistern.
Dichte Bergwälder, in denen Erdbeerbäume, Immergrüner Schneeball sowie Pistazien- und Flaumeichen gedeihen, bestimmen dagegen das Landschaftsbild im Nationalpark Monfragüe nordwestlich von Cáceres. Doch allein wegen der Flora kommt kein Besucher hierher. Die Gegend hat Spektakuläreres zu bieten. „Es gibt nicht viele Plätze in Europa, wo man so gut Geier, aber auch andere, teils seltene Greifvögel, beobachten kann“, sagt Herbert Grabe. Tatsächlich! Über den Köpfen der Wanderer kreisen gut zwei Dutzend der riesigen Vögel. Wie Scherenschnitte zeichnen sich ihre Silhouetten am stahlblauen Himmel ab, der sich über eine hügelige, scheinbar sich selbst überlassene Landschaft wölbt. Die Szenerie gleicht jenen, die man aus Wild-West-Filmen kennt. Und tatsächlich sind wir ja auch im wilden Westen, im wilden Westen Spaniens.
Ein Ornithologe in der Gruppe nimmt die Vögel mit dem Fernglas ins Visier und identifiziert zehn Gänse- und vier Mönchsgeier. Mit etwas Glück könne man aber einen iberischen Kaiseradler sehen, weiß Grabe. Doch der Aufstieg über die 16 Kilometer lange „Ruta Del Castillo de Monfragüe“ auf den Bergrücken lohnt sich auch wegen der atemberaubenden Aussicht. Der Blick schweift über eine hügelige – und das ist für Extremadura typisch – leicht verwilderte Kulturlandschaft, die von unbesiedeltem, aber beweidetetem Wiesenland geprägt ist, auf dem tausende Stein- und Korkeichen wachsen. Dehesa wird diese Landschaft genannt. „Die Dehesas in der Extremadura wirken alle verlassen und lieblich zugleich – diese eigenartige Mischung hat nicht nur mich persönlich, sondern bislang auch alle meine Gäste in den Bann gezogen“, sagt Reiseführer Herbert Grabe. Wegen ihrer hohen Biodiversität werde die Dehesa auch die „iberische Serengeti“ genannt.
Mittelalterliche Städte und klappernde Störche
Die Extremadura steht aber auch was Kulturschätze angeht, Andalusien, Galizien oder Kastilien in nichts nach. Die maurisch geprägte Altstadt von Cáceres gilt als eines der schönsten Kulturdenkmäler Spaniens. Doch kaum jemand weiß es. „Selbst viele Spanier haben keine Ahnung, dass Cáceres eine der am besten erhaltenen Altstädte Europas besitzt“, sagt Herbert Grabe und aus seiner Sicht sei das auch gut so. „Sonst wäre Cáceres inzwischen ein spanisches Rothenburg ob der Tauber“, fügt augenzwinkernd er hinzu. Auch die Mittelalterperlen Mérida, Trujillo und Plasencia sind trotz ihrer pittoresken historischen Zentren bis heute erfreulich untouristisch geblieben. Besonders lohnend ist ein Besuch im Frühjahr, wenn die Störche brüten. Auf gefühlt jedem Kirchturm und jedem Schornstein der Städte haben sie ihre Nester gebaut. Und überall klappert es.
Störche sind neben den eigentümlichen Findlingen übrigens eine weitere Attraktion im eingangs erwähnten Naturpark Los Barruecos. Weil Kamine und Kirchtürme fehlen, haben die Vögel auf den Granitblöcken ihre Kinderstuben eingerichtet - bodenbrütende Störche gibt es in Spanien nur in Los Barruecos!
Reiseinfos
An- und Abreise
Bahn: Mit dem Zug ist Madrid über Paris zu erreichen; die Reisedauer beträgt etwa 24 Stunden.
Auto: Wer mit dem Pkw anreisen will, sollte dafür drei Tage einplanen.
Flugzeug: Von allen deutschen Flughäfen non-stop nach Madrid, u.a. Iberia oder Eurowings. Flugzeit ca. 2,5 Stunden. Von Madrid geht es mit Mietwagen, Bus oder Bahn weiter bis Cáceres (rund 300 km, Fahrtzeit 3-4 Stunden)
Übernachten
Die Gäste des Hotels NH Palacio De Santa Marta, Ballesteros 6, in Trujillo wohnen in einem ehemaligen Palast aus dem 16. Jahrhundert nur einen Steinwurf vom Plaza Mayor entfernt, der zu den schönsten Plätzen Europas zählt, www.eurostarshotels.com
Ein einstiges Kloster aus dem 15. Jahrhundert beherbergt das Hotel Parador, Plaza San Vicente Ferrer, in Plasencia. Auch hier wohnen Gäste hinsichtlich Lage und Ambiente außergewöhnlich, www.paradores.es/de
Veranstalter
Die im Text vorgestellte geführte Wanderreise in die Extremdura bietet der Veranstalter „Erde und Wind“ an. Im Reisepreis (1.410,- € pro Person im DZ, Einzelzimmeraufpreis 375 €) sind 7 Übernachtungen mit Frühstück, ein Mittags- und sechs Abendmenüs, alle Transfers, Eintrittsgelder, Führungen, Steuern, Reisepreissicherungsschein enthalten. Termin: 30. März bis 6. April 2025; Weitere Infos und Buchung, www.erdeundwind.de
Allgemeine Informationen
www.spain.info
www.turismoextremadura.de
Mehr von Christiane Neubauer auf www.entdeckenundstaunen.de