"Welche große Wanderung könnte es dieses Jahr sein?", fragt sich Thorsten Hoyer. In Zeiten von Corona und im Jahr 30 nach der Wiedervereinigung hat sich der Extremwanderer und Chefredakteur das Grüne Band Deutschland entschieden! Am 07. September geht's los und wir sind mit dabei! 

24 Tage, rund 1.200 Kilometer entlang des Grünen Bandes durch Deutschland – das ist Thorsten Hoyers nächstes Wanderabenteuer. Mehr als 40 Jahre war der Grünstreifen die streng bewachte Grenze zwischen West- und Ostdeutschland. Heute, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, ist das sogenannte Grüne Band ein Rückzugsort für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Thorsten Hoyer nimmt uns mit auf eine spannende Wanderung durch diese Erinnerungslandschaft, vom Dreiländereck an der tschechischen Grenze bis nach Travemünde an der Ostsee. Start ist am 07. September.

50 Kilometer pro Tag sind für Extremwanderer Thorsten Hoyer aber noch nicht herausfordernd genug und ein wichtiger Teil der Grenzgeschichte, die Enklave des Grünen Bandes, Berlin, will auch noch unter die Füße genommen werden ...

Das Grüne Band in der Werraaue von oben © Klaus Leidorf

Das Grüne Band

Der ehemalige innerdeutsche Grenzstreifen zieht sich wie ein grünes Band durch Deutschland. Als Teil des Eisernen Vorhangs, der die demokratischen Staaten im Westen von den realsozialistischen Diktaturen im Osten Europas trennte, war die DDR-Grenzanlage mit Kolonnenweg, Spurensicherungsstreifen, KFZ-Sperrgraben, Mienenstreifen, großem Zaun und Wiese auch eine Manifestation der damals ideologischen und physischen Teilung der deutschen Gesellschaft. In und um den bis zu 500 Meter breiten und fast 1.400 Kilometer langen Streifen war die Natur jahrzehntelang relativ ungestört. Sie ist ein Rückzugsort für über 1.200 bedrohte Tier- und Pflanzenarten geworden. Wie an einer Perlenschnur aufgereiht, haben sich hier unterschiedlichste Biotope entwickelt und miteinander verbunden: offene Wiesenflächen, Fließ- und Standgewässer, Auenlandschaften und Wälder.

30 Jahre Wiedervereinigung & 31 Jahre Grünes Band

Das Grüne Band ist ein deutschland- und europaweites Naturschutzprojekt mit dem Ziel, diese Naturräume und Artenvielfalt zu erhalten. Durch die Öffnung der Grenze wurde die Natur des Grenzstreifens wieder nutzbar, eine Gefährdung für die empfindlichen Ökosysteme. Gleich nach der Grenzöffnung 1989 initiierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) deshalb ein erstes Treffen west- und ostdeutscher Naturschützer. Das war die Geburtsstunde des Grünen Bandes, an dem inzwischen zahlreiche Vertreter des Naturschutzes, des Bundes und der Länder zusammenarbeiten. Seit 2005 ist das Grüne Band als Nationales Naturerbe eingestuft.

Grenzwanderweg im Eichsfeld bei Katharinenberg 
© Thüringer Tourismus GmbH, Toma Babovic

Das Grüne Band führt durch verschiedenste Naturlandschaften: Vom Vogtland am Dreiländereck Sachsen-Bayern-Tschechien zuerst über das Mittelgebirge des Frankenwalds, wo Grasbüschel durch die löchrigen Betonplatten des endlos scheinenden Kolonnenweges wachsen, wie eine Narbe, die langsam verheilt. Dann wartet die Rhön mit ihren offenen Hügellandschaften und weiter im Norden der Harz mit urigen Wäldern und der Brocken-Überquerung. Noch weiter nördlich bestimmt die Elbe das Landschaftsbild. Hier, wie am gesamten Grünen Band, leben Tierarten, die in Deutschland sonst kaum mehr Lebensräume finden.


"Vogel fliegt, Fisch schwimmt, Hoyer wandert“

So hat es der Schuhhersteller Hanwag einmal auf den Punkt gebracht. Mit dem Wandern sucht Thorsten Hoyer, seit 2018 Chefredakteur des Wandermagazins, immer wieder neue Herausforderungen. Die im Mai 2018 erfolgreich beendete 300 Kilometer-Wanderung ohne Schlaf quer durch die Lüneburger Heide ist für Nicht-Extremwanderer unvorstellbar. Warum macht man sowas? Und wie schafft man das? Antworten hierauf gibt Thorsten Hoyer in einem Interview.

Das Vorhaben

Die Zahlen sprechen für sich: 24 Tage, rund 1.320 Kilometer zu Fuß entlang des Grünen Bandes – das ergibt durchschnittlich 50 Kilometer pro Tag. Vom Dreiländereck Sachsen-Bayern-Tschechien mit Start am 07. September wandert Thorsten Hoyer bis nach Travemünde an die Ostsee, Ankunft am 30. September – immer entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze. Dabei trifft er Menschen, die jeweils eine ganz persönliche Verbindung zum heutigen Grünen Band haben.

Das Elbufer bei Hitzacker © Marketingbüro Wendland Elbe

All das ist jedoch noch nicht herausfordernd genug für Thorsten Hoyer. Mit zusätzlichen 160 Kilometern nonstop, also ohne Schlafpause, soll der Mauerweg in Berlin den Abschluss seines Wandervorhabens bilden. Schließlich gehört dieser besondere Abschnitt zum ehemaligen Grenzverlauf dazu. Start für die schlaflose Wanderung ist der Tag der Deutschen Einheit am 03. Oktober.

Neben Rückblicken in die Geschichte des geteilten Deutschlands nimmt diese Wanderung vor allem auch die Verbundenheit und den Wandel in den Blick, denn das Grüne Band ist seit vielen Jahren ein stiller Hoffnungsträger für Mensch und Natur. Thorsten Hoyer erwandert mit uns einen faszinierenden Landstreifen deutscher Geschichte und Gegenwart. Seid Ihr mit dabei?

Live dabei sein:

Ab dem 07. September könnt Ihr Thorsten Hoyers Wanderung am Grünen Band auf unserer Facebookseite und über einen GPS Live Tracker verfolgen. Wir freuen uns außerdem, dass Filmemacher Philippe Opigez, wie schon bei der 300 Kilometer-nonstop-Wanderung, wieder mit der Kamera dabei sein wird. Als Vorgeschmack findet Ihr den Film „Der Hoyer wandert – 300 km nonstop“ hier.

5 Fragen an Thorsten Hoyer

1) Wandermagazin: Thorsten, was verbindest du mit dem Grünen Band, warum hast du dir das Grüne Band für dieses Wandervorhaben ausgesucht?

Thorsten Hoyer: Da gibt es sehr viele Verbindungen, die allesamt ihre ganz eigene Geschichte haben. Mein Vater floh während des Mauerbaues nach West-Berlin. Sein Vater – also mein Großvater – blieb in der DDR. Ich habe ihn nie kennengelernt. 1979, mit elf Jahren, reiste ich das erste Mal in die DDR, dem regelmäßige jährliche Besuche ins Erzgebirge nach Annaberg-Buchholz folgten. Die Wendezeit habe ich als Marinesoldat an Bord eines U-Jagdbootes miterlebt. Und 2002 erwarb ich ein Auto der DDR-Marke Wartburg. Von dem Fahrzeug habe ich mich zwar wieder getrennt, aber nicht von dessen ehemaliger Besitzerin – wir haben auf der Wartburg geheiratet. Als Hesse lebe ich nun seit zehn Jahren in Thüringen – und das sehr gerne. Mir schwebt seit längerem vor, mal durch Deutschland zu wandern, und im 30. Jahr der Wiedervereinigung kann es ja eigentlich nur das Grüne Band sein.

2) Wandermagazin: Was macht den ehemaligen Grenzstreifen heute als Wandergebiet aus? Wie kann man sich das Wandern am Grünen Band vorstellen?

Thorsten Hoyer: Die ehemalige innerdeutsche Grenze war ja ein (fast) unüberwindbares Hindernis, ein Todesstreifen, der viel zu viele Menschen das Leben kostete. Heute stellt sich das Grüne Band ganz anders da: als einzigartiger Biotopverbund ist es ein Naturschutzgebiet von herausragender Bedeutung. Eine Lebenslinie für sehr viele bedrohte Pflanzen und Tiere. Es ist kein Weg, der mit wandertouristischer Infrastruktur gespickt ist. Man muss eine Herausforderung annehmen, sich einlassen auf die Vergangenheit, die Gegenwart ... die Zukunft.

3) Wandermagazin: Nun dein Wandervorhaben einmal in Zahlen: 24 Tage, rund 1320 km, das bedeutet durchschnittlich 50 km pro Tag und dann auch noch eine schlaflose 160 km Wanderung auf dem Berliner Mauerweg hinterher. Warum gehst du es nicht gemütlicher an?

Thorsten Hoyer: Wandern bedeutet für mich auch immer wieder, mich mal "auszutoben". Damit meine ich, mich zu fordern, denn das setzt viel Kreativität in mir frei. Die ehemalige innerdeutsche Grenze war stets eine Herausforderung. Sehr viele Menschen in der ehemaligen DDR haben große Risiken auf sich genommen, um sie zu überwinden. Zunächst einzelne, 1989 dann tausende. Hoffnungen erfüllten sich ebenso, wie sie enttäuscht wurden. Für mich steht das Grüne Band in seiner Gesamtheit genau dafür: ein Ziel zu erreichen heißt, sich anzustrengen und nicht aufzugeben.

4) Wandermagazin: Wer dich kennt, den überrascht dein Plan vielleicht weniger. Du hast bereits einige Extrem-Wanderungen gemacht. Ich erinnere mich vor allem an die 300 km Wanderung ohne Schlaf in 71,5 Stunden, die der Filmemacher Philippe Opigez begleitet und gefilmt hat. Aber 24 Tage am Stück jeden Tag zwischen 47 und 60 km zu wandern, ist doch nochmal eine ganz andere Herausforderung für Körper und Geist. Gibt es etwas, das dir Sorgen bereitet?

Thorsten Hoyer: Sorgen mache ich mir keine, aber ich habe sehr viel Respekt vor dem wahrscheinlich hohen Asphalt- bzw. Betonanteil der Strecke. Schwierig wird es ganz sicher, mich nach zwei Ruhetagen für den Mauerweg zu motivieren. Aber ich vertraue auf meine Erfahrungen und meinen Willen.

5) Wandermagazin: Worauf freust dich am meisten?

Thorsten Hoyer: Ich werde unterwegs sehr interessante Menschen treffen, die mir ihre Geschichte zum Grünen Band erzählen werden. Ja, darauf freue ich mich am meisten!

Wandermagazin: Und wir freuen uns, deine Reise ein Stück begleiten zu können!

 

Weitere Infos:
BUND: Das Grüne Band
Bundesamt für Naturschutz
European Green Belt Association

 

Svenja Walter