von Ralf Stefan Beppler
Outdoor war in Deutschland ein „Pandemie-Gewinner“. Anders als beispielsweise in Spanien, wo länger ein strengeres Ausgehverbot galt, durften wir raus in die Natur. Der Deutsche Wanderverband spricht von einem so gewaltigen „Wanderboom“, dass man diesen „positiv“ lenken müsse. Und der Deutsche Alpenverein verzeichnete im Jahr 2023 mit 69.500 neuen Mitgliedern nicht nur prozentual, sondern auch absolut den größten Zuwachs in seiner Geschichte.
Outdoor als Gesundheitstrend
Die Krankenkasse Pronova BKK sieht Outdoor-Aktivitäten als Folge der Pandemie deutlich beliebter als Fitnessstudio oder Sportverein. Jeder Zweite gehe raus zum Spazieren, Radfahren oder Wandern. Vor der Pandemie sei es nur jeder Dritte gewesen. Aus medizinischer Sicht sei Bewegung an der frischen Luft sogar besonders empfehlenswert. Da verwundert es nicht, dass aus der Ende der 2010er Jahre gegründeten Initiative „Outdoor Against Cancer“ mittlerweile eine paneuropäische Institution geworden ist, die von der EU, Kliniken, Ministerien und Stiftungen gefördet wird. Damit ist sie eine der erfolgreichsten Outdoor-Organisation überhaupt. Bewegung und Natur, die Erfolgskomponenten von Outdoor, sind ein Gesundheitshit.
Outdoor ist Bekleidungstrend
Und so ist auch der Outdoor-„Look“ beliebt. Das geht manchen zu weit, darunter Reinhold Messner. Die Bergsteigerlegende drückte im Sommer 2024 in einem Interview sein Amüsement über den Trend zu Outdoorkleidung in Innenstädten der Deutschen Presseagentur zufolge so aus: „Die Menschen in der Fußgängerzone sind angezogen, als wollten sie den nächsten Tag zum Everest steigen.“ Ja, es ist zum Schmunzeln, wenn Menschen eine 3-Lagen-Regenjacke anhaben und gleichzeitig einen Regenschirm nutzen. Die meisten Menschen nutzen aber die Funktionsvorteile von Outdoorbekleidung: UV-Schutz, Insektenschutz, Kühlung im Sommern ebenso wie kuschelige Wärme, Bewegungsfreiheit und Pflegeeinfachheit im Winter. Was Messner vielleicht vergessen hat: Die Jeans ist die meistgetragene und meistverkaufte Hose weltweit und keiner amüsiert sich darüber, dass sie ursprünglich die Beinbekleidung der Rancher und Cowboys war. Stil und Komfort haben sich auch hier durchgesetzt.
Stil-Ikone: Outdoor
Outdoor ist eben auch ein Fashiontrend. Wenn ich selbst meine Outdoorsachen im Alltag trage, einfach weil ich nichts anderes im Kleiderschrank habe, dann ist das „normal“ und für andere manchmal vielleicht unpassend. Als Stil-Ikone werde ich sicherlich nicht wahrgenommen. Wenn aber Rapper A$AP Rocky in Daunenjacke und Fleece auf der New York Fashion Week erscheint, ist das eine Stilrichtung und wird als „Gorpcore“ gefeiert.
Gorpcore ist ein Akronym für „Good Old Raisins and Peanuts” und dem Begriff Core. Was wir als Studentenfutter bezeichnen, gilt in Amerika als Trailfood – Outdoor-Essen. Gorpcore ist, um das Modemagazin GQ zu zitieren, „die Integration von technischinspirierten Outdoor-Looks in Designs“. Das amerikanische „Field Mag“ warnt aber: „Während Sie theoretisch von Kopf bis Fuß in synthetischer Kleidung mit Gore-Tex-Futter herumlaufen können, empfehlen wir Ihnen, einen solchen Ansatz zu vermeiden, um nicht wie ein übertriebener Angeber zu wirken.“ Entsprechend erläutert die Modeplattform desired.de: „Ein weiteres Merkmal ist, dass die Kleidung einen lockeren Schnitt besitzt und viele Stücke unisex sind.“ Zudem wird das Lagensystem konterkariert als „Schichtung, bei der alle Oberteile übereinander gut zu sehen sind, damit der Lagenlook auch optisch wahrnehmbar ist“.
Outdoor im Wandel
Gesellschaftsfähig, Gesundheitstrend, Stiltrend – und dennoch klagen Teile der Industrie und des Handels. Die Gründe sind vielfaltig. Manch Marketingmanager hat in der Vergangenheit gedacht, er sei für das Wachstum verantwortlich gewesen. Dabei war es der Outdoor-Boom. Jetzt, wo das Wachstum moderat ist, sind kreative Lösungen gefragt. Ein anderer Grund: Wenn etwas boomt, merken das auch andere, die dann auch ein Stück des Kuchens wollen und auf Outdoor setzen. Die Folge: Outdoor gibt es überall, beim Discounter, im Baumarkt, in Kaufhäusern und Großkonzernen, auf Jahrmärkten, als Massenware chinesischer Anbieter bei Ebay und Amazon. Outdoor ist nichts Besonderes mehr. Und auch der Outdoorhandel verändert sich. Die begeisterten und enthusiastischen Outdoor-Ladengründer der 1980er Jahre kurz vor der Rente, immer mehr kleine Spezialisten verschwinden, immer mehr Filialen eröffnen.
Lightweight als Basis für ein neues Outdoor
Bemerkenswert ist, dass durch den Lightweight-Trend ganz neue Outdoor-„Sportarten“ entstehen, wie z. B. die Radtourenvariante „Bike Packing“. Dabei ist man nicht mehr mit schwerbeladenen Tourenrädern unterwegs, sondern mit beweglichen Gravelbikes mit Platz für kleine, am Rahmen befestigte Taschen. Ein Rad-Revival, das wieder einmal neue Zielgruppen anspricht. Beim Trekking und Wandern ermöglicht der Lightweight- Trend, leichter, beweglicher und schneller unterwegs zu sein. Mehr Tempo, weitere Strecken und neue Abenteuer – oder einfach mehr Komfort. Auch Packrafting, die Kombination von Trekking und Paddeln, eröffnet neue Horizonte. Und auch hierbei ist Lightweight die Grundlage.
Beim Gewicht zeigt sich der Unterschied zwischen hochwertiger, funktioneller, spezialisierter und authentischer Outdoorausrüstung auf der einen Seite und kopierten, günstigen Produkten auf der anderen. Während erstere innovativ und wegweisend ist, liegt es in der Natur der Sache, dass die anderen immer hinterherhinken. Kopieren ist nie innovativ. Outdoor wird bleiben, weil es den Menschen gefällt, Spaß macht und guttut ist – und weil Menschen „Entdecker“ sind.
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