Von Ralf Stefan Beppler

Die Outdoorbranche ist „normal“ geworden. Immer mehr Firmen gehören zu Firmengruppen. Familienbetriebe werden immer seltener. Shareholder-Value zählt, neue Managertypen bestimmen das Bild. Outdoor muss Dividende abwerfen. Dazu verlassen immer mehr Firmen ihre Nische und bieten mehr Produktgruppen und -kategorien an, was zu Überkapazitäten führt. Gleichzeitig ist der Qualitätsstandard extrem hoch, wodurch das Markenimage immer wichtiger wird. Marketing statt Innovationskraft? Fakt ist: Das „gute alte Outdoor“, das Miteinander auf Messen, das Outdoor-Branchenfeeling geht in diesem Jahrzehnt verloren. Manche Händler sagen über die neuen Manager: „Outdoor interessiert sie eigentlich nicht. Sie könnten auch Kloschüsseln verkaufen“.

Mit der TourNatur entsteht die erste Wandermesse mit fundierter Ausrüstungsberatungt
© Ralf Stefan Beppler

So wie zu Beginn der 1990er Jahre die eigenständige Messe OutDoor in Friedrichshafen ein Symbol für das Selbstverständnis der Branche wurde, gilt die Abkehr von Friedrichshafen 2019 als Symbol der „verlorenen“ Identität. In der Folge wird sich zeigen, dass die neue Messe „outdoor by ISPO“ in München nicht funktioniert. Die Händler bleiben weg, weil sie nicht mehr die wichtigste Zielgruppe sind. Klangvolle Namen und große Marken fehlen fast komplett; vor allem gerade die, die die alte Messe „beerdigt“ haben. Die einzige reine Outdoor- und Wandermesse fürs Publikum, die TourNatur in Düsseldorf, wächst bis über die Mitte des Jahrzehnts stetig – vor allem im touristischen Segment. Es werden allerlei Ideen ausprobiert, auch für Ausrüstung einen innovativen Marktplatz zu schaffen. Verwundert stellt man dabei fest, dass Outdoor gesellschaftlich zwar boomt, auf der Messe aber vor allem Schnäppchen verkauft werden.

Trailrunning, Bodymapping und Hybrids

Bodymapping – die spezielle Ausrichtung von Textilien auf die
Bedürfnisse einzelner Körperzonen ​​​​​​– wird zum Funktionstrend © Odlo

Auch der Handel konzentriert sich in den 2010er Jahren. Viele kleine Outdoorspezialisten der frühen 1980er werden an „Outdoor-Ketten“ verkauft, gehen „in Rente“ oder in Insolvenz. Gleichzeitig erweitert sich das Ausrüstungsspektrum. Trailrunning wird immer beliebter, eine Fortentwicklung des Marathontrends, weil neue Herausforderungen gesucht werden. Auch setzt sich das Bewusstsein durch, dass Laufen in der Natur mehr Spaß macht und gesünder ist als auf Asphalt. Und das Gute an Trailrunning, Bergläufen und Ultrarennen: Es wird mehr (Sicherheits-)Ausrüstung benötigt und vielseitigere Funktionstextilien sind gefragt. Und die gibt es im Outdoorhandel.

Tatsächlich ist bei den Funktionstextilien das „Ende der Fahnenstange“ längst nicht erreicht. Mit dem Softshell wurde in den Nullerjahren das klassische 3-Lagen-Bekleidungssystem hinterfragt. Das Softshell war gleichzeitig 2. Lage (mal mehr, mal weniger Wärme je nach Typ) und 3. Lage (ausreichend Schutz). An diesem Gedanken wird in den 2010er Jahren weiter getüftelt. Warum nicht mal die 1. und die 2. Lage zusammenlegen? Warum nicht viel flexibler unterschiedliche Materialien kombinieren?

Bodymapping – mit Hybridkonstuktionen
auch in der 3. Lage © Columbia

Ausrüstung soll bei hoher Vielseitigkeit noch leichter und gleichzeitig der Komplexität des Körpers gerecht werden. Es gibt Bereiche, die stärker schwitzen als andere, Bereiche, die mehr Wärme benötigen als andere, und Bereiche, die stärker belastet werden als andere. „Bodymapping“ hält Einzug. Es begreift den Körper als „Karte“ mit unterschiedlichen Bedürfnissen, mit Wärme- und Kältehöhen und -tiefen. Warum also überall ein und dasselbe Material verarbeiten? Unterschiedliche Materialien zusammenzunähen ist kein Problem und mit „Seamless“ ist die Technologie im Strickbereich längst entwickelt. Hybrid-Produkte sprießen wie die berühmten Pilze im Herbst überall hervor. Funktionell sind sie extrem gut und ergänzen mittlerweile das 3-Lagen- System: Sie sorgen für ein besseres Körperklima, weil sie an entscheidenden Stellen schneller trocknen, an anderen die Feuchtigkeit schneller ableiten oder dem Körper die nötige Wärme geben.

Ökologisch vertretbare Produkte für das Leben in der Natur 

Nachhaltigkeit wird in den 2010er Jahren zum Credo der Outdoorbranche. Die Stimmen, die unkten, nachhaltige Materialien „performten“ nicht so gut wie traditionelle Materialien, sind Ende des Jahrzehnts verstummt. Jede Menge Marken, darunter Klättermusen, Houdini, Fjällräven, Bergans, Vaude, Maier Sports, Jack Wolfskin, Sympatex, Páramo, Rab, Patagonia, Keen, Polartec, Picture Organic, Ternua, Buff, Mammut und Schoeller Textiles thematisieren Nachhaltigkeit und gehen gleichzeitig neue Wege in ihrer Beschaffung, bei ihrer Materialauswahl (recycelt und recycelbar) und beim Verzicht auf kritische Chemikalien. Der Druck auf andere Marken nimmt dadurch zu.

Nachhaltigkeit wird zu einem Muss. So ist es nicht verwunderlich, dass auch im Ausrüstungsbereich die eine oder andere „Greenwashing“-Blüte auftaucht. Und natürlich gibt es auch weiterhin die „Verweigerer“. Sehr deutlich wird das beim Thema PFAS-Chemie (PTFE-Membranen und PFC-Ausrüstung). Viele tun sich schwer zuzugeben, dass die „Ewigkeits-Chemie“ Sondermüll produziert und auch nicht durch ein kleines Mehr an Funktion zu rechtfertigen ist. Bereits 2011 warnt das Wandermagazin mit der Serie „Leben im Gleichgewicht“ vor der PFAS-Chemie – und ist damit Vorreiter im Magazinmarkt. Mehr als zehn Jahre später erst wird eine gesetzliche Vorgabe der EU die Branche zum Handeln zwingen.

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