Läden, Firmen, Innovationen. Die 1980er Jahre waren sowas wie die Gründerjahre der Outdoorbranche in Deutschland und Outdoor entwickelte sich von einer unbekannten Angelegenheit über ein Nischendasein vorsichtig hin zum Trend. Auch die Farbpalette der Produkte entwickelte sich von ruhig zu wild.

von Ralf Stefan Beppler

 

Vor den 80er Jahren war Outdoor als Begriff in Deutschland nicht existent, auch wenn Expeditionen, Bergsteigen und Wandern keine Unbekannten waren. „Traditionsfirmen“ wie Meindl, Lowa, Hanwag, Schöffel, Salewa oder Deuter existierten bereits. Die Schuster entwickelten sich von Handwerks- zu Industriebetrieben, aus dem Strumpffabrikanten Schöffel wurde der „Wanderpapst“ und aus dem Sattler und Lederwaren-Hersteller (Salewa) oder dem Postsack- und Festzeltfabrikanten (Deuter) wurden Bergsport- bzw. Wandermarken. Mitte der 70er Jahre entwickelte sich ein Ski- und Bergvertrieb zur Outdoormarke Vaude und mit Woick, Därr oder Globetrotter entstanden die ersten Outdoorläden. Die Basis für die 80er Jahre war gelegt.

In den 80ern eröffneten hunderte kleiner auf Outdoor spezialisierte Läden in Randlagen deutscher Städte ihre Pforten. Neue deutsche Marken wie Jack Wolfskin, Big Pack, Ortlieb, Fährmann, Lost Arrow, Gentic oder Wechsel sprossen aus dem Boden wie Pilze im Herbst und gesellten sich zu unzähligen Outdoorspezialisten weltweit, die auf der Sportartikelmesse in München häufig noch auf Gemeinschaftsständen ausstellten. In dieser Zeit entstand auch das erste deutsche „Special Interest“-Heft fürs Wandern, das Wandermagazin. Am Ende des Jahrzehnts durfte man getrost von einer eigenständigen Branche reden.

Von Low Function zu High Function

Auch der Begriff „Funktionsbekleidung“ war vor 1980 weitgehend unbekannt. Mit den Marken Craft of Sweden, Odlo und Helly Hansen gab es drei skandinavische Hersteller von „Sportwäsche“, Regenbekleidung bestand aus Acryl oder PU-beschichtetem Polyester oder aus gewachsten bzw. geölten Baumwollgeweben und für die Wärme sorgte der dicke, meist ziemlich kratzige Walk- und Schurwollpulli, darunter filzähnliche Materialien wie „Bunting“ oder an Teppiche erinnernde „Piles“. Die Reisebekleidung war aus Baumwolle und hatte den Charakter kolonialer Safari-Outfits. So war es nicht verwunderlich, dass der junge deutsche Bergsteiger Bernd Kullmann bis zum Camp IV seiner Everestbesteigung 1978 eine normale Jeans trug.

Foto einer Gore Tex®-Anzeige aus der Anfangszeit der Membran.

Die 80er Jahre brachten dann die beiden großen „Bekleidungs- Revolutionen“ nach Deutschland, die es in den USA schon Ende der 70er Jahre gab: Gore-Tex und Malden Mills Fleece, also Polartec. Gore-Tex hatte bereits Ende der 70er ein Intermezzo auf dem deutschen Markt und stellte die erste wasserdichte, winddichte und atmungsaktive mikroporöse Membran vor. Aus technischen Gründen – die PTFE-Membran war anfällig gegen Fette und Körperöle und stellte sich recht schnell als nicht wasserdicht heraus – kam es Anfang der 80er zu einem Neustart. Die Amerikaner ergänzten die Membran um eine dünne PU-Schicht und versprachen „garantiert dich trocken zu halten“. Schöffel verschaffte Gore-Tex damals neue Glaubwürdigkeit auf dem deutschen Markt. Die Wasserdichte funktionierte fortan, allerdings zulasten der Atmungsaktivität, die aber immer noch besser war als alle wasserdichten Versionen der 70er Jahre. Gore-Tex wurde zu Beginn der 80er in Deutschland lange als Z-Liner (Schöffel-Anorak „Storm Breaker“) verarbeitet: als Membran, die auf einem Trägermaterial lose zwischen Außen- und Futterstoff lag. Erst die US-amerikanischen Marken Marmot und The North Face sowie die englische Marke Berghaus brachten 2- und 3-Lagen-Verarbeitungen, wie wir sie heute kennen, nach Deutschland.

Die Kombination von Wasserdichte und Atmungsaktivität war ein riesiger Fortschritt und so dauerte es nicht lange, bis Wettbewerber mit Sympatex (sortenreine Polyestermembran der gleichnamigen deutschen Firma) und der PU-Membran Dermizax von Toray aus Japan nachzogen. Sympatex stellte die geschlossenzellige Membran mit Vaude als Partner vor, Toray mit Bergans. Auch die ersten etwas preiswerteren mikroporösen PU-Beschichtungen, darunter Entrant (ebenso von Toray und als Texapore von Jack Wolfskin bekannt), zogen nach.

Jahrhundertinnovation Fleece

 Fleece brachte viele Vorteile: leicht, schnell trocknend
und auch im nassen Zustand noch wärmend. 

Noch stärker hat Fleece den Bekleidungsmarkt revolutioniert. Von der amerikanischen Wochenzeitschrift Times wurde Polartec Fleece als eine der 100 wichtigsten Innovationen des 20. Jh. geadelt. Der Vorteil von Fleece: Es ist leicht, relativ klein zu verpacken, schnell trocknend, auch im nassen Zustand wärmend und pflegeleicht. Malden Mills Polartec gab es in den 80ern in drei Qualitäten: das ganz dicke PolarPlus, die Standardversion PolarLite und eine elastische PolarTek Variante. Noch im selben Jahrzehnt zogen andere Markenhersteller wie Eschler (Husky Fleece), Pontetorto (Tecnopile), Cloverbrooks, Kingswhale oder Dyersburg mit eigenen Fleece nach und machten das Material beim funktionellen Bekleidungssystem zum Standardprodukt der zweiten Lage.

Schnitte, Herstellung und Farben

Qualitätsmanagement gab es in den 80er Jahren fast nirgendwo, vor allem nicht bei den jungen Marken. So konnten gelegentlich ganze Chargen Fleece oder Jacken mit zu kurzen Ärmeln auf den Markt kommen oder T-Shirts waren schlicht falsch gelegt und verzogen sich nach dem Waschen zur Unkenntlichkeit. Auch Schnitte waren ein kompliziertes Thema. Manche Jacken waren „Spiegeljacken“: Sie sahen nur gut aus, wenn man sich halbwegs bewegungslos im Spiegel begutachtete. Hob man die Arme, rutschten sie leicht bis über den Bauchnabel hoch oder sperrten im Schulterbereich. Im Laufe der 80er entwickelten sich Funktionsschnitte mit längeren Ärmeln, Funktionskapuzen, Angel-Y Ärmelansätzen und Unterarm-Reißverschlüssen. Hoch innovativ und State-of-the-Art war dabei die Marke Marmot. Auch der legendäre Ruf Patagonias basierte u.a. darauf, dass die Firma die „besten Schnitte der Branche“ vorweisen konnte, wie viele Händler feststellten.

Die Produktion fand noch zu großen Teilen in den Herkunftsländern oder nicht weit entfernt statt. Berghaus Jacken „Made in England“, Marmot Jacken oder Patagonia Fleece „Made in USA“, Fjällräven „Made in Finnland“ oder The North Face Schlafsäcke und Zelte „Made in Great Britain“ – das war noch die Regel. Fährmann Rucksäcke waren „Made in West-Germany“ und kamen aus Fürth und Ortlieb Radtaschen aus dem benachbarten Nürnberg.

Im Laufe der 80er-Jahre wurde es bunt! © OutDoor Friedrichshafen

Auch Farbe kam erst im Laufe der Dekade in die Kollektionen. Dominierten anfänglich noch die Farben Rot, Blau oder Grau in unifarben oder in Schulter/Körper Kombinationen, so wurde es ab Mitte der 80er bunt: Dominant waren vor allem Türkis, Lila, Pink oder Gelb – gerne auch in wilder Zusammensetzung. Diese „Augenweiden“ gingen quer durch die Marken – egal ob aus den USA oder Europa.

Fortschritte bei Ausrüstung

Auch bei der Hartware war Innovation groß. Bei Zelten lösten geodätische Konstruktionen und Tunnelzelte die klassischen Firstmodelle ab. Die Tragesysteme der Rucksäcke wurden höhenverstellbar, die Säcke schmäler und das Ende der „Außengestell“-Rucksäcke wurde eingeläutet. Die Schindelkonstruktion machte Kunstfaser-Schlafsäcke leichter und kleiner zu verstauen, in Daunen-Schlafsäcke wurden zur Reduktion von Kältebrücken Stege integriert und die Mumienform wurde zum Funktionsstandard. Komfortabler wurden auch die Liegematten. Therm-a-Rest hatte zwar schon in den 70er Jahren die selbstaufblasbare Schaum-Luftmatte erfunden, aber bis diese in den frühen 80ern nach Deutschland kamen, quälten sich noch viele Trekkerinnen und Bergsteiger auf EVAzote Matten, Karrimats oder noch simpleren Schaumunterlagen. Ach ja: Die aus leichtem Alu gezogene Sigg-Flasche ersetzte Plastikflaschen oder die damals weit verbreiteten schweren Flaschen aus den Ex-Army Shops.

Und noch eine Erleichterung brachten die 80er Jahre: Der klobige zwie- und trigenähte Wanderschuh aus 2-3 mm starkem Rindleder, der mit viel Blut und Tränen langwierig eingelaufen werden musste, gehörte fast der Vergangenheit an. Stellvertretend sei hier der Lowa Trekker erwähnt, der 1982 auf den Markt kam (und den es noch heute gibt). Mit seiner Leder/Leder-Konstruktion und der flexiblen Sohle mit Weichtrittkeil sorgte er für einen wahren Wandergenuss. Mitte der 80er trugen dann die ersten Leichtwanderschuhe mit Cordura und Gore-Tex Wandernde über die Alpen. Italienische Schuhmarken ergänzten die Schuhregale im deutschen Fachhandel, darunter Asolo mit dem Superscout GTX, San Marco mit Swing oder Zamberlan. Der Markt boomte!

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