Die Algarve kenne ich eigentlich nur schwitzend im Hochsommer bei über 30° C. Die leuchtenden Orangenbäume und die trockene rotbraune Erde in der kühlen Dezemberluft waren deshalb zunächst eine etwas ungewohnte Kombination. Aber ich weiß schon jetzt, dass ich mich diesen Herbst und Winter wieder in die Algarve zurücksehnen werde.

Zum Wandern ist es im Oktober, November und bis in den Dezember hinein fantastisch. Nach den frischen Morgenstunden wärmt sich die Luft im Herbst auf bis zu 26° C, im Dezember immer noch auf durchschnittlich 16° C auf. Das Laub der Bäume ist grün und die Via Algarviana lädt ein, das weniger bekannte Landesinnere der Algarve zu entdecken. Der 300 Kilometer lange Fernwanderweg erstreckt sich von Alcoutim an der Grenze zu Spanien bis an das Cabo de São Vicente an der südwestlichsten Spitze Portugals. Er führt auf 14 Etappen einmal quer durch die ländliche Algarve mit ihren charakteristischen Korkeichen, den rotbraunen Feldwegen und den Fernblicken bis an die Küste.

Mittelmeerflair

In dem Ort mit dem klangvollen Namen Moncarapacho, 20 Minuten Aufofahrt vom Flughafen Faro entfernt, befindet sich das Vila Monte Farmhouse. Im Eingangsbereich riecht es ein bisschen nach Lagerfeuer und mein Blick fällt auf ein paar kleine Flammen in der Mitte des hohen Raumes. Rundherum lassen kleine Schirmlampen den weißen Raum in einem sanften Licht erscheinen. Es sieht aus wie aus einem edlen Einrichtungsmagazin und doch überhaupt nicht kitschig. Ich fühle mich sofort im Urlaub angekommen und erinnere mich nur flüchtig daran, dass heute der erste Advent ist. Draußen ist es bereits dunkel. Auf dem Weg zu meiner Suite erkenne ich den Kräutergarten, in dem Gäste selbst ernten dürfen, und durch einen Torbogen sehe ich eine Allee von Orangenbäumen, die zum Frühstückspavillon führt.

Orangen- und Zitronenbäume
im Vila Monte Farmhouse
Die Junior Suite
Erfrischung im Eingangsbereich


Korkeichen und Erdbeerbäume

Unsere Wanderung auf der Via Algarviana starten wir 26 km vom Vila Monte Farmhouse entfernt in Barranco do Velho. Das kleine Bergdorf im Osten der Algarve befindet sich genau zwischen den Etapppen fünf und sechs des Fernwanderweges. Die Via Algarviana verläuft größtenteils auf Feldwegen und verbindet die kleinen Dörfer im Hinterland der Küstenregion, in das nur wenige Touristen vordringen. Wir wandern durch eine hügelige Buschlandschaft unter strahlend blauem Himmel. Immer wieder fallen die geschälten tiefroten Stämme der Korkeichen auf. Den Sobreiros, wie die Korkeichen auf portugiesisch heißen, kommt eine besondere kulturelle, soziale und wirtschaftliche Bedeutung zu. Portugal ist weltweit Haupterzeuger von Kork. Die „Schälung“ eines 50 Jahre alten Baumes zum Beispiel bringt 40 Kilogramm Kork und 4,60 Euro pro Kilogramm. Doch die Rinde kann erst nach 25 Jahren erstmals geerntet werden und dann nur alle neun Jahre. Das macht die Korkeiche zu einem echten Familienbaum, der selbst auf privatem Grundstück nicht gefällt werden darf. An vielen Stämmen können wir in weißer Farbe das Jahr der letzten Schälung lesen. Unser Guide Bruno erzählt, dass er jede seiner Korkeichen mit GPS und der Jahreszahl, in der sie wieder geschält werden kann, markiert.

Nur am unteren Teil des Stamms wird geerntet
Die Frucht des Westlichen Erdbeerbaums
Verlassenes Gebäude im Garten einer Kirche

Bruno zeigt uns noch einen weiteren besonderen Baum. Die kleinen stacheligen Früchte des Westlichen Erdbeerbaums sind von Mitte Oktober bis Mitte Dezember reif und werden hauptsächlich zu dem portugiesischen Schnaps Medronho verarbeitet, oder zu Marmelade, Süßigkeiten und Eiscreme. Auch diese Ernte braucht jedoch ihre Zeit, betont Bruno, die Früchte eines Baumes werden nie zur gleichen Zeit reif, man muss also immer wieder und wieder kommen, um sie zu ernten. Den Obstler bekommen wir später ebenfalls noch viele Male angeboten.

Wandern und Werken

Nachdem wir so viel über die Korkeichen erfahren haben, ist es eine wahre Freude, selbst mit Kork und anderen natürlichen Materialien aus der Region zu arbeiten. ProActiveTur organisiert Wanderungen an der Via Algarviana in Verbindung mit kulturellen Aktivitäten, wie zum Beispiel einem Workshop zu traditioneller Handwerkskunst. Wir treffen die Künstlerin Vanessa Flórido vom Proyecto Tasa. Neben einem alten Gemäuer und unter einem riesigen Baum hat sie einen Tisch für uns aufgebaut. Darauf befindet sich allerhand Werkzeug, Schilfrohre, Schnüre und Korken. Vanessa kündigt an, dass wir jetzt einen "Memory Stick" fertigen werden. Damit ist kein USB-Stick gemeint, sondern ein Aufbewahrungsgefäß aus Schilf. Das Schilf holen wir vom nahegelegenen Fluss und fangen an zu sägen. Verblüfft stelle ich fest, dass das Schilfrohr schon von Natur aus einen eigenen Gefäßoden mitbringt. Man muss es nur unterhalb eines Rohrsegments absägen – sehr praktisch. Für die Öffnung am anderen Ende schnitzen wir einen Korken zurecht. Fertig. Ich weiß noch nicht genau, womit ich den "Memory Stick" füllen soll – vielleicht Medronho –, aber ich finde, dass das Handwerken mit Materialien vom Wanderweg eine perfekte Ergänzung zum Wandern ist. Es vertieft die Verbindung zwischen Mensch und Natur, genau das, was Vanessa mit dem Workshop erreichen will.

Künstlerin Vanessa Flórido
Schilf und Kork 
Mein "Memory Stick"

Abstieg nach Monchique

Der höchste Berg der Algarve ist der Foia mit 902 m. Der Abstieg in die hübsche kleine Stadt Monchique ist nicht weniger eindrucksvoll als die Aussicht vom Gipfel und Teil der Etappe 11 der Via Algarviana. Auf kieseligen geschwungenen Wegen gehen wir den Hang hinab vorbei an Eukalyptus Anpflanzungen, deren herrlicher Duft die Luft erfüllt. Viele der Bäume sind hier noch jung, denn im August 2018 hat ein Buschfeuer große Landstriche in der Serra de Monchique verbrannt. Korkeichen sind durch ihre Rinde vor Feuer geschützt, Eukalypten hingegen brennen aufgrund des hohen Anteils an ätherischem Öl, für das sie in der Algarve angepflanzt werden, wie Zunder. An den Berghängen sind Felder in Form von Terrassen zu erkennen. Auf jedem Schritt können wir bis zum Meer sehen, die Südküste der Algarve liegt knapp 30 Kilometer entfernt.

Durch einen lichten Korkeichenwald erreichen wir Monchique. Zuerst können wir auf die Dächer der Stadt und den Kirchturm schauen, dann tauchen wir ab in schmale gepflasterte Gassen und gehen direkt zwischen den Hauswänden hindurch, die die Bewohner liebevoll mit Topfpflanzen geschmückt haben. Hier finden wir den Kork in kleinen Geschäften wieder in Form von Korktaschen, -gürteln, -sandalen und vielem mehr. Vor allem ist Monchique für die sechs Thermalbäder Caldas de Monchique bekannt und die regionale Schnapsspezialität, Medronho, die hier in kleinen Destillerien gebrannt und zur Verkostung angeboten wird. Für mich sind es definitv das Mittelmeer-Klima, die Flora und gut ausgeschilderten Wanderwege, die mich wieder zurück an die Algarve locken, ab jetzt gerne auch im Herbst oder Winter.

Abstieg vom Foia
Korcheichenwald
Blick auf Monchique

Weitere Infos:

Via Algarviana
Algarve Tourism Bureau
Vila Monte Farmhouse
ProActiveTur
Projecto Tasa
Portugal4you