Kein Wunder also, dass hier, in Nordbayern und Südthüringen, das 30-jährige Jubiläum der Deutschen Einheit von besonders großer Relevanz ist. Zahlreiche Zeugnisse der überwundenen Teilung lassen sich zwischen dem nördlichen Rand des Oberen Maintals, über Coburg und das Rodachtal bis hin zum Rennsteig bei Wandertouren in Augenschein nehmen.

Zeitzeugen und das Grüne Band

Noch bevor man sich auf den Weg macht, lohnt es sich, die Blogreihe „Grenzenlose Erzählungen aus Coburg.Rennsteig“ anzusehen. Darin kommen Bewohner der Region zu Wort, die über persönliche „Grenzerfahrungen“ diesseits und jenseits der damals lebensgefährlichen Trennungslinie berichten. Sie entstand bereits in den 1950er Jahren, mit Stacheldraht gesichert und bewacht, bevor 1961 der Bau der Mauer begann. 1989 wurde die Mauer durchlässig, 1990 die Deutsche Einheit vollzogen. Ein Glück. Dieses Glück, das manchmal in Vergessenheit zu geraten droht, wird hier bewahrt. Als Erinnerung und Mahnung, beispielsweise auf dem „Grünen Band“, dem ehemaligen innerdeutschen Grenzstreifen. Zum Teil Kilometer breit, eroberte ihn sich die Natur und ließ wertvolle Lebensräume mit seltenen Tieren und Pflanzen entstehen. Bereits seit 1989 engagiert sich vor allem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) für den Erhalt des Grünen Bandes. Wander- und Radwege machen die Geschichte und Natur erlebbar, z. B. der Zweiländerweg Rodachtal, der eine 115 km lange Runde durch die Region dreht.

Zeugnisse des Grenz-Erlebens

Reste der Mauer an der Gedenkstätte Heinersdorf
© Tourismusregion Coburg.Rennsteig e.V. | Steffi Rebhan

Auf rund 120 km quert das Grüne Band durchgängig die Urlaubsregion Coburg. Rennsteig – zwischen Neustadt bei Coburg und Bad Rodach. Durch ein Naturschutzgebiet mit Mooren und Heiden passiert es z. B. den ehemaligen Grenzort Görsdorf. Rund um das kleine Bauerndorf bei Schalkau wurde 1980 eine Grenzmauer errichtet – die auch als Sichtblende diente. Zwar finden sich hier immer noch die Reste der ehemaligen Hochsicherheitsanlage, ihre Funktion hat sich jedoch gewandelt, ist sie doch mittlerweile ein „Hotel“ für Schmetterlinge, Insekten und Fledermäuse. Besonders deutlich wird der Kontrast zwischen der heute vollkommenen Bewegungsfreiheit zwischen Thüringen und Bayern und der einstigen Beschränktheit in der Gedenkstätte Eisfeld. Hier, am ehemaligen Grenzübergang mit Grenzturm, ist die Architektur der Teilung ganz präsent. Ein Modell führt dem Besucher die Dimensionen des Grenzübergangs vor Augen und die Ausstellung zeigt den damaligen Alltag der Grenzer, des Lebens an der Grenze und wie diese gesichert wurde.

Teilung und Verbundenheit

Gebäudeensemble Zweiländermuseum Rodachtal
© Tourismusregion Coburg.Rennsteig e.V. | Steffi Rebhan

Nur ein paar Kilometer vom Etappenziel des Grünen Bandes, Bad Rodach, entfernt, empfängt das Zweiländermuseum Rodachtal in Streufdorf seine Besucher. Eine Ausstellung in einem mittelalterlichen Gebäudeensemble und dazu ein Dutzend Außenstationen beschäftigen sich mit dem Leben in Zeiten der innerdeutschen Teilung, der Grenzöffnung sowie der Wiedervereinigung im Rodachtal. Ein weiterer sehenswerter Anlaufpunkt entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze ist die Gedenkstätte „Ehemalige Grenze“ in Heinersdorf-Welitsch. Das während der Grenzöffnung errichtete Kontrollhäuschen wird von Bürgern aus den beiden Grenzorten Heinersdorf (Thüringen) und Welitsch (Bayern) betreut. Etwa 50 m der Beton-Mauer sind hier als Mahnmal unter Denkmalschutz gesetzt und auch die Flusssperre der Tettau wurde erhalten.

Ehemaliger Wachturm nahe der Gedenkstätte Billmuthausen 
© Initiative Rodachtal e.V.

Vom Schicksal des Dorfes Billmuthausen direkt an der ehemaligen Grenze erzählt die gleichnamige Gedenkstätte. Sie liegt so idyllisch und doch braucht es nur einen Funken Empathie sich vorzustellen, was es für die Einwohner bedeutet haben muss, ihre Heimat hier genau in der Sperrzone verlassen zu müssen. Sie flüchteten nach Bayern, ihre Häuser wurden abgerissen. Um den Erhalt und die Pflege der Relikte, darunter ein Friedhof und ein mittlerweile restaurierter Transformatorenturm, Kirchenglocken und sakrale Gegenstände aus der Kirche, kümmert sich ein Förderverein. Er hat auch die Gedenkkappelle am Friedhof und ein Mahnkreuz mit Gedenkstein gebaut sowie den Dorfbrunnen rekonstruiert. Völlig deplaziert inmitten der Natur wirkt der ganz in der Nähe erhalten gebliebene Grenzwachturm. Auch er ist dem BUND überlassen und dient nun als Fledermausquartier. So wird an vielen Stellen in Coburg.Rennsteig deutlich, dass die Menschen hier die Erinnerung an den Glücksfall der Einheit pflegen, die wieder zusammenwachsen ließ, was zusammen gehört. Ein Glücksfall für Wanderer ist die dabei frei durchstreifbare unberührte Natur.

INFO:
www.coburg-rennsteig.de
www.touren.coburg-rennsteig.de