Schön, dass ihr das Wandertagebuch gefunden habt! Hier berichten unsere sechs Läuferinnen und Läufer von ihren Erlebnissen, Entdeckungen und Gedanken auf dem E1. Verfolgt ihren Weg von der dänischen Grenze bis nach Konstanz am Bodensee hier oder auch live in den Storys auf dem Wandermagazin-Instagram-Kanal!


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 Abschnitt 1 Etappen 1-19
Abschnitt 2 Etappen 20-32
Abschnitt 3 Etappen 33-60
Abschnitt 4 Etappen 61-78
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E1-Tourguide

Wandertagebuch

Abschnitt 4 – Etappen 61-78

Etappe 61: Heidelberg-Ziegelhausen – Mühlhausen mit Thorsten Hoyer

Da, wo ich am 11. September den dritten Abschnitt unserer 1.900 km langen E1-Wanderung beendete, starte ich heute wieder: auf der Neckarbrücke Schlierbach-Ziegelhausen bei Heidelberg. Es ist der 03. Oktober – Tag der deutschen Einheit. Mit mir steht der heilige Christophorus auf der Brücke. Die Legende besagt, dass er das Christuskind trug und damit die ganze Last der Welt. Mit der deutschen Wiedervereinigung vor nunmehr 32 Jahren fiel auch der sogenannte Eiserne Vorhang, der sich quer durch Europa erstreckte. Ich betrachte die Statue und sinniere darüber, was mit dem europäischen Gedanken heute so los ist. Es ist schwierig. Aber wenn man Schwierigkeiten als Ursache einer Last ansieht, sind die Möglichkeiten, diese zu (er)tragen doch gegeben. Das ist doch Teil des europäischen Gedankens: Zusammenhalt! Ich bin zutiefst der Überzeugung, dass das gemeinsame Angehen von Schwierigkeiten diese erträglicher machen und sogar lösen können. In diesem Sinne gehe ich es an – meine letzten Etappen auf dem vierten Abschnitt des E1. Dann übernehmen Jarle und Michael Sänger, die den Staffelstab ins Ziel tragen. Zusammenhalt!

Meine philosophischen Anflüge lasse ich wie den Nebel im Neckartal zurück und steige die bewaldeten Hänge bergan, wo bereits die Sonne scheint. Der Nebel im Tal hält sich hartnäckig, dafür leuchten die Blätter des Laubwaldes mit altehrwürdigen Buchen und Eichen wunderschön in der Sonne. Petrus – wo wir doch auch schon beim hl. Christophorus waren – meint es gut mit mir. Offensichtlich steht mir eine traumhafte goldene Herbstwoche bevor. Es ist zwar noch viel Grün zu sehen, aber es mischen sich schon einige Gelb- und Ockertöne hinein. Ja, und dieser ganz besondere Herbstgeruch steigt mir in die Nase. Vielleicht bringt es diese Herbststimmung mit sich, dass ich kurz zurück denke an den 24. Mai, als ich zusammen mit meiner Kollegin Svenja im dänischen Padborg startete. Großartig war’s bislang!

Gutgelaunt – wie könnte es auch anders sein, wenn ich draußen bin und wandern kann – folge ich der E1-Markierung, zu der sich bald das stilisierte „N“ des Neckarsteiges gesellt. Ich bin sehr überrascht von den hiesigen schmalen naturnahen Pfaden, die sich vorbei an schönen Schutzhütten, Quellen und vielen Felsbrocken schlängeln.

Ich komme in das Dorf Gaidorf und bin gleich wieder überrascht: hier gibt es ein Gästebuch für E1-Wandernde. Wäre ich am Nordkap gestartet, wüsste ich spätestens jetzt, dass ich 5.124 km in den Beinen hätte und wollte ich weiter nach Sizilien, noch 3.040 km hinzukämen. Wieder so ein Moment, in dem mir die Größe und Unterschiedlichkeit unseres Europas bewusst wird. Ich verewige mich also in Gaidorf und ziehe weiter. Mit den ersten Weinbergen erreiche ich mein Ziel Mühlhausen, wo schon hunderte Menschen auf mich warten und zu vorgerückter Stunde sogar ein Feuerwerk abgefackelt wird. Danke Mühlhausen, auch wenn das alles dem hiesigen Straßenfest galt!

Thorsten Hoyer

Naturnahe Pfade
Der Herbst klopft an
E1-Wegweiser
Das E1-Gästebuch in Gaidorf

Etappe 62: Mühlhausen – Gochsheim

Nach einem herbstlich neblig-frischen Morgen in Mühlhausen ist, dauert es nicht lange, bis ich inmitten des Waldes auf eine merkwürdige löchrige Metallkugel auf Stelzen stoße. Ein Kunstobjekt? Nein, vielmehr handelt es sich um eine "spacig" aussehende Quelle. Im Jahr 1960 entstand dieser Brunnen, um das schwefelhaltige Quellwasser wirtschafltich zu nutzen und dem nahen Östringen den Titel "Bad" zu verschaffen. Das hat aber nicht funktioniert, denn das Geld für den Bau des geplanten Schwefelbades konnte nicht aufgebracht werden. Der Aufforderung "Drücken Sie die Tasten und genießen Sie das Mineralwasser" wäre ich gerne nachgekommen, nur finde ich keine Tasten. Entweder gibt's die nicht mehr oder die Quelle wurde schon in den Winterschlaf verabschiedet.

Östringen überrascht mich mit seinem eindrucksvollen Ensemble von Kirchen, Lordes-Grotte und Rathaus. Allein die aus Sandstein errichtete Kriche zieht durch ihre erstaunlichen Ausmaße die Blicke auf sich. Deswegen wird sie auch als "Kraichgaudom" bezeichnet. Zwischen alledem streckt eine über 100 Jahre alte Linde ihre starken Äste aus. Ein perfekter Ort zum Rasten und um die sonnenbeschienene Szenerie zu genießen. Das mache ich eine dreiviertel Stunde und hätte noch länger verweilen können.

Ich wandere durch den Kreuzsteiner Wald und gelange an die drei Steinkreuze, die dem Wald seinen Namen gaben. Wann die Kreuze aufgestellt wurden und aus welchem Grund gibt bis heute Rätsel auf. Auf dem linken Kreuz ist eine Schuhsohle, auf dem rechten eine Schere abgebildet. Das mittlere, auf rund 400 Jahre geschätzte Kreuz, zeigt ein Schwert. Ein spannender Ort und manchmal sollte man ein Rätsel auch ein Rätsel sein lassen. Es sind doch eben oft die Geheimnisse um etwas, die Mythen hervorbringen.

Weiter folge ich "meinem" Weg nach Odenheim und gelange an den Siegfriedbrunnen, der in den Nibelungen ein Ort voller Tragik ist. Also ein weiterer faszinierender Ort – der leider direkt an einer stark frequentierten Straße liegt. Wie dem auch sei, an dieser Quelle soll Siegfried sich zum Trinken niedergelassen haben. Diesen Moment nutzte Hagen von Tronje und meuchelte ihn, indem er einen Speer in Siegfrieds Rücken stieß. 

Genüsslich wandere ich durch Wald, über Wiesen und zwischen Weinbergen und erreiche mein heutiges Ziel Gochsheim. Das war wirklich ein prächtiger Tag.

Thorsten Hoyer

Blick auf Odenheim mit Barockkirche
Rathaus in Odenheim mit Steinmetzbrunnen
Rätselhafte drei Kreuze
Siegfriedbrunnen bei Odenheim

Etappe 63: Gochsheim – Pforzheim

Die heutige Etappe hat sich mit rund 35 km angekündigt, also mache ich mich um acht Uhr auf den Weg. Kaum gestartet wird mir klar, dass Gochsheim bereits das erste Higlight meiner Wanderung ist. Ich spaziere bergan durch schmale Gassen und stehe vor dem Deutschen Zuckerbäckermuseum. Das hat um diese Uhrzeit natürlich noch zu. Dafür hat ein paar Schritte weiter die Bäckerei des Ortes, wo noch handwerklich gebacken wird, geöffnet, aus der der Wohlgeruch frischen Backwerks zu mir dringt. Vorbei gehen fällt mir nicht ein und mit einem Quarkplunder im Gepäck spaziere ich vorbei an schönen alten Häusern, die von der Morgensonne in warme Farben getaucht werden.

Ich gelange zum Graf-Eberstein-Schloss, das allerdings erst so richtig zur Geltung kommt, wenn man eine steile Treppe hinuntersteigt und die Szenerie mitsamt der historischen Trockenmauer betrachtet. Es sieht fantastisch aus. Nach bergab kommt irgendwann wieder bergauf und das passiert schon sehr bald. Ich finde mich auf einer Anhöhe wieder, umgeben von Wiesen, die von glitzernden Tautropfen übersät sind. Ich halte inne, blicke über die feuchten Wiesen in die Ferne, wo sich langsam der Frühnebel lichtet. Die spüre die Wärme der Sonne. Das sind Momente, die die Seele berühren.

Meine Wanderung auf dem E1 führt mich über offene Landschaften und durch große Waldgebiete in das Städtchen Bretten. Hier faszinieren mich nicht nur die historischen Gebäude der Altstadt, noch mehr nimmt mich das geschäftige Treiben in seinen Bann: zahlreichen Marktstände, an denen regionale Produkte angeboten werden, bestens besuchte Cafés – am Mittwochvormittag sitzen zahlreiche Menschen in der Sonne und genießen ganz offensichtlich das Leben. Es herrscht ein fast schon mediterranes Flair. Es gefällt mir sehr gut in Bretten und ich mache gerne ein Päuschen!

In der Ortschaft Stein treffe ich mich mit Christina Lennhof, der Geschäftsführerin von Kraichgau-Stromberg Tourismus, die mal eben mit dem Rad aus Karlsruhe hierher geradelt ist. Das mache sie manchmal in einer verlängerten Mittagspause, sagt sie und lacht. Zusammen folgen wir dem E1 hinein in das herrliche Gengenbachtal. Danach habe ich Asphalt unter den Sohlen, denn ich nähere mich langsam aber sicher dem Ende meiner Wanderung, womit es zunehmend urbaner wird. Zum Schluss bin ich in Pforzheim angekommen und blicke aus meinem Hotelzimmer auf die Schlosskirche.

Thorsten Hoyer

Graf-Eberstein-Schloss in Gochsheim
Morgentau bei Gochsheim
Auf dem gut besuchten Markt in Bretten
Im Etappenziel Pforzheim: Blick auf die Schlosskirche

Etappe 64: Pforzheim – Dobel

Von meinem Quartier habe ich schnell den Nonnenmühlsteg und damit die Enz erreicht. Hier bringen mich vier Männern zum anhalten. Nein, sie wollen mir nichts, vielmehr klatschen sie, ohne dabei eine Miene zu verziehen. Es sind Claqueure, also bezahlte Beifallklatscher. Mhh, Pforzheim, was willst Du mir sagen? Ich muss deren Tun allerdings nicht auf mich beziehen, denn es handelt sich um eine Skulpturengruppe eines hiesigen Künstlers. Ich finde die vier Herren recht amüsant.

Durch Grünanlagen spaziere ich durch Pforzheim und stehe am Stadtrand vor einem goldenen Tor: der strahlende Startpunkt, wenn man von hier auf dem Westweg über die Höhen des Schwarzwaldes nach Basel wandern möchte. Bis zu meinem heutigen Ziel Dobel verläuft der E1 gemeinsam mit dem Westweg. Die gewohnte X-Markierung bleibt zurück, dafür folge ich der roten Westweg-Raute.

Sogleich gehe ich ein paar kräftige, aber nicht sehr lange Steigungen an. Auf tollen schmalen Pfaden wandere ich durch den frühherbstlichen Mischwald, in dem mächtige Eichen ihre Früchte mit Knackgeräuschen zu Boden werfen. In einem leichten Auf und Ab gehe ich dahin, genieße die wohlriechende Luft und steige hinab zur Enz, der ich nun ein langes Stück folge.

Der naturnahe Fluss leitet mich nach Neuenbürg. Bevor ich die Ortschaft erreiche, überzeugt mich der E1, ihm hinauf zum Schloss Neuenbürg zu folgen. Eine stattliche Anlage, die sich für eine aussichtsreiche Rast anbietet. Café und Restaurant stehen zu diensten. Wald und offene Flächen sorgen für ständige Abwechslung bis ich oberhalb des Dorfes Straubenhardt die Schwaner Schwarte „erklimme“. Von hier bietet sich ein fantastischer Weitblick bis hin zum Pfälzer Wald, ins Rheintal, zum Odenwald und in den Kraichgau.

Mit Eyach- und Rotenbachtal durchwandere ich zwei beschauliche Landschaftsschutzgebiete überschreite mit der Enzkreisspitze einen weiteren Höhepunkt. Vier Herren am Start folgen einige Engel kurz vor meinem Ziel Dobel. Hier führt an den mächtigen Sandsteinen, dem Naturdenkmal "Volzemer Stein“, der Engel-Weg entlang. Rechts und links des Weges mache ich immer wieder halt, um die künstlerischen Bilder mit Bezug zu den himmlischen Wesen zu betrachten. Vom ersten Tag an, als ich im Mai im dänischen Padborg startete, bis zum heutigen Tag, wanderte alles wie am viel zitierten Schnürchen. Wer weiß denn schon so genau, wer daran alles so seinen Anteil hat!

Autorentipp: Einkehrmöglichkeiten sind im kleinen Dobel eher rar. Aber zum Glück gibt’s hier das Café und Restaurant „Dobels Stüble“. Speisekarte? Schnickschnack – Individualität, Aufmerksamkeit und ausgesprochene Freundlichkeit sorgen für vollständiges Wohlgefühl.

Thorsten Hoyer

Verabschiedung in Pforzheim
Auf dem Engelweg bei Dobel
Ein gebührender Startpunkt für den Westweg
Die rauschende Enz
Neuenbürg an der Enz
Naturdenkmal Volzemer Stein bei Dobel

Etappe 65: Dobel – Forbach

Dobel ist sehr überschaubar und kaum, dass sich hinter mir die Hoteltüre schließt, habe ich auch schon den Ortsrand und damit den Aussichtsturm des Ortes erreicht. Von oben lässt sich rundherum blicken zu den Vogesen, Pfälzer Wald, in die Rheinebene und den Kraichgau sowie zum Odenwald. Leider ist’s heute ein bisschen diesig. Ich darf schon mal vorweg nehmen, dass das heute nicht der einzige Aussichtsturm sein wird. Aber auch ohne sich mit Hilfe von Bauwerken erheben zu müssen, warten tolle Aussichtspunkte. Und noch etwas nehme ich vorweg: kaum Asphalt, viele gesplittete Forstwege, aber auch herrliche naturnahe Pfade mit mäßigen Auf- und Abstiegen.

Unglaublich: Nicht lange, nachdem man Dobel hinter sich gelassen hat, steht mitten im Wald eine Sitzbank in den Farben Dänemarks und dem Hinweis, dass unser nördlicher Nachbar seit 1973 Mitglied der EU ist. Am 24. Mai sind Wandermagazin-Redakteurin Svenja Walter und ich in Padborg/Dänemark auf die erste E1-Etappe gestartet. Fast schon absurd…

Mit den Felsen am Lerchenkopf erreiche ich schon bald einen dieser zuvor erwähnten tollen Aussichtspunkte. Hier hole ich einen Wanderer ein, der sich den Westweg in appetitlichen Wochenendhäppchen vorgenommen hat. Bis auf ein Pärchen einige Zeit später, soll es die einzige Begegnung mit Wandernden sein. An einem Freitag bei prächtigstem Wanderwetter… Viel, viel mehr Mountainbiker sind unterwegs. An der markanten Wegekreuzung Weithäusleplatz eine größere, scheinbar schwerhörige, Gruppe. Ein ziemliches Geplärr, sie sind sich uneins ob des einzuschlagenden Weges. Ich verzichte auf eine kurze Pause, die ich dann am Aussichtspunkt Schweizerkopf einlege. Ruhe. Und ich sehe Karlsruhe, den Rhein und im Dunst die Vogesen.

Eigentlich bin ich ja auch immer damit beschäftigt, unseren Instagram-Kanal zu füttern, um unsere Community teilhaben zu lassen. Aber es gibt hier kein Netz. Und das soll für längere Zeit so bleiben. So sitze ich einfach nur da und gucke über die dicht bewaldeten Erhebungen. Jetzt herrschen breite, gerade Waldwege vor. Ich wandere zu einer Lichtung mit der massiven Kreuzlehütte. Vogelgezwitscher als wäre Frühling, sonst herrscht Ruhe, ich döse dahin. Plötzlich ein Stimmengewirr, dass mir nicht ganz unbekannt vorkommt. An der nahen Kreuzung debattieren wieder die Radler. Klar, wenn sie das an jeder Kreuzung so machen, kommen sie nicht weit. Oder sie sind im Kreis gefahren.

Die rote Raute bringt mich hinunter zum Infozentrum Kaltenbronn. Hier kann man viel über die hiesige Natur- und Kulturlandschaft erfahren. Einem steilen Abstieg folgt meistens ein ebensolcher Aufstieg. Stimmt, ich steige hinauf zu den Hochmooren auf dem Kaltenbronn. Für Moorlandschaften kann ich mich immer wieder richtig begeistern. Auch die Rundumsicht vom Kaiser-Wilhelm-Turm ist grandios. Der nächste Aussichtspunkt ist der Latschigfelsen, ein mächtiger Granitfelsen, auf dem ein kleiner Pavillon steht. Von hier oben eröffnet sich die Sicht ins Murgtal. Nun geht es über Steine und Wurzeln und kräftig bergab zur Murg und damit zum Zielort Forbach.

Thorsten Hoyer

Uriges Häuschen auf einer Waldlichtung
Der Weg setzt den Aussichtsturm gekonnt in Szene
Hochmoor nahe Kaltenbronn
Eines von zahlreichen Schwarzwaldpanoramen
Aussichtskanzel
Hangwiese mit Trockensteinmauern und Holzhüttchen

Etappe 66: Forbach – Mummelsee

In Forbach startet die Etappe am Murgtaltor. Eine markante überdachte Holzbrücke führt mich über den Fluss Murg. Schon Richtung Ortsausgang steigt der Weg kräftig an – ein Vorgeschmack auf das, was noch ansteht. Das ist eine ganze Menge und alleine die Höhenmeter nur im Anstieg werden sich im Laufe der rund 25 km langen Etappe zum Mummelsee auf gut 1.300 hm ansammeln.

Aus dem Ort und in den Wald, den ich eigentlich auch gar nicht mehr verlassen werde. Die einzigen Unterbrechungen sind einige Hochmoore, wischen denen ein steter Wechsel von Auf- und Abstiegen liegt. Richtig toll sind dabei die Pfade: mal steinig und wurzelig, dann wieder nur fußbreit und eben.

Wie die Tage zuvor, herrscht das allerbeste Wetter zum Wandern! Ich passiere den Schwanenbachsee und auf dem Weg zur Badener Höhe einen Gedenkstein, der an den „Vater“ des Westweges, Phillip Bussemer, erinnert. Damit betrete ich den Nationalpark Schwarzwald und ein Hochmoor, dessen herbstliche Färbung in der Sonne perfekt zur Geltung kommt.

Bald stehe ich am Friedrichsturm, dem ich sozusagen aufs Dach steige. Aussichtstürme sind eigentlich nicht so mein Ding, aber bei dem klaren Wetter wollte ich mir den 360°-Rundumblick dann doch nicht entgehen lassen. Hat sich auch wirklich gelohnt. Von der Ortschaft Sand führt der E1 parallel zur Schwarzwaldhochstraße zur Ortschaft Hundsec, dann über den 1.039 m hohen Hochkopf (ebenfalls ein Hochmoor) bis zum Dörfchen Unterstmatt. Wieder folgt ein langer steiler Anstieg hinauf zu einem nächsten Hochmoor: Hornisgrinde. Der gleichnamige Gipfel liegt in 1.164 m Höhe und die Aussicht ist schlicht und ergreifend fulminant! Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bergab zum Mummelsee.

An dem sagenumwobenen See bin ich bislang noch nicht gewesen und war deshalb sehr gespannt. Um es kurz zu machen: ich war ziemlich enttäuscht. Ein kleiner See mit großem Parkplatz und vielen Menschen, die sich mit bunt angepinselten Kunststoffkühen fotografierten. Oder sich hinter Wände mit einer Aussparung für die Gesichter stellten, sodass sie sich in einem denkwürdigen „Outfit“ zeigten. An meinem letzten E1-Wanderabend wäre die Einkehr im Restaurant des hiesigen Hotels eine gute Idee, dachte ich. Aber das fließt nun leider als Fehlentscheidung in das Wandertagebuch ein. Aber was soll’s, das Erlebnis ist schnell abgehakt. Was dagegen in Erinnerung bleibt, sind die schönen Wander- und Landschaftseindrücke!

Thorsten Hoyer

Holzbrücke über die Murg
Malerischer Ausblick auf das Dach des Schwarzwaldes
Pfad durch eines der Hochmoore
Gipfelpleateau

Etappe 67: Mummelsee – Zuflucht

Da ich mit der 67. Etappe unseres E1-Wanderabenteuers heute auch meine letzte Etappe angehe, starte ich wieder mal etwas früher. Und das, obwohl diese Etappe mit nur knapp 20 km und nicht allzu vielen Höhenmetern eher zu den gemütlicheren gehört. Aber ich habe mich für 13 Uhr mit Jarle Sänger, dem ich unseren Wanderstaffelstab übergeben werde, am Gasthaus Zuflucht verabredet.

Allerbestes Wanderwetter herrscht an diesem Sonntagmorgen. Vom makellos blauen Himmel strahlt bereits die Sonne, allerdings weht ein kräftiger Wind, der die Temperatur gefühlt noch um ein paar Grad absenkt. Ich lasse den Mummelsee, dessen Mystik wegen den „Inszenierungen“ für die zahlreichen Touristen untergegangen ist, schnell hinter mir und wandere auf einem schönen, fast ebenen Pfad parallel der Schwarzwaldhochstraße durch lichte Wälder und durch weite Flächen mit Gräsern, Büschen und noch jungen Bäumen – folgen des Orkans „Lothar“, der am zweiten Weihnachtsfeiertag 1999 mit mehr als 200 km/h über den Schwarzwald hinweg stürmte.

Was des einen Leid, ist des anderen – in dem Fall Wanderer – Freud, denn Lothar sorgte für Aussichten. Ich passiere die Darmstädter Hütte, erreiche die Kernzone des Nationalparks Schwarzwald und habe bald einen Blick auf den tief unter mir liegenden Wilden See bekommen. In Kehren steige ich über einen Skihang hinab in die Ortschaft Ruhestein mit dem unübersehbaren Gebäudekomplex, das das Nationalparkzentrum beheimatet. Offensichtlich zahlreicher Fahrzeuge und Parkplätze entwöhnt, verliere ich „meine“ rote Raute aus dem Blick und muss ein bisschen suchen. Landschaftlich reizvoll wandere ich weiter in Richtung meines nächsten 1.000er, den Schliffkopf.

Sonntag + brillantes Herbstwetter = hochfrequente Geräuschkulisse von der nahen Schwarzwaldhochstraße.

Das Plateau des Schliffkopfes ist wieder ein Hochmoorgenuss und bietet etwas unterhalb des Gipfelkreuzes bezaubernde Fernblicke. Zu meiner Überraschung werde ich hier erwartet: Familie Grieshaber empfängt mich in originalen Schwarzwaldtrachten. Dachte ich bislang, dass der berühmte Schwarzwaldhut mit den roten Bommeln für eben den gesamten Schwarzwald stehen würde … weit gefehlt. Familie Grieshaber hat sich der Wahrung der Trachten und der hiesigen volkstümlichen Musik verschrieben und ich lerne, dass es mehr als 50 verschiedene Schwarzwaldtrachten gibt. Verblüffend. Martin Grieshaber ist auch zertifizierter Schwarzwaldguide und sorgt dafür, dass ich auf den mir noch bleibenden letzten sechs Kilometern bis zum Ziel Zuflucht nicht vom rechten Pfad abkomme. Da seine Frau und Tochter zur Tracht keine modernen Wanderschuhe tragen, werden sie uns im Ziel wieder in Empfang nehmen. 

Am Gasthaus Zuflucht packen die Grieshabers dann sogar noch einige Musikinstrumente aus und sorgen somit für einen schwarzwaldmäßigen, sehr authentischen Rahmen für die Wanderstaffelstabübergabe an Jarle Sänger, der nun das Vergnügen hat, dem E1 weiter durch den herrlichen Schwarzwald zu folgen. Viel Spaß Jarle!

Thorsten Hoyer

Mehr von der Grießhaber Family unter www.griesshaber-family.de

Morgens am Mummelsee
Eines der vielen Westwegtore
Die Grieshabers begleiten mich in originalen Schwarzwaldtrachten
Zum Abschluss gibt es Musik

Etappe 68: Zuflucht – Wolfach mit Jarle Sänger

Was für ein ereignisreicher, schöner Wandertag. Es war kalt und bewölkt als ich von der Zuflucht in der Frühe loslief. Doch bald schon sollte sich die Sonne durch die Wolkendecke kämpfen und ein wahres Feuerwerk der Farben entfachen. Der Herbst, er ist im Schwarzwald angekommen. Der E1 läuft ab Pforzheim bis zum Feldberg parallel zum Westweg, entspannt kann man dessen hervorragender Markierung folgen. Und der Weg? Der ist beeindruckend schön, erst der grandiose Blick von der Vogtmeierkanzel, dann ging es über einen dicht bewachsenen, engen Pfad weiter über die Höhe. Immer wieder blinzeln diese wunderschönen Schwarzwaldtäler mit einzelnen Höfen durch den Wald. Später erreiche ich den Harkhof, ein wunderschöner Schwarzwaldhof (Einkehr und Übernachtung möglich) auf einer offenen Fläche mit Blick in die Ferne, wo mehrfach gestaffelte Bergreihen in allen erdenklichen Graustufen am Horizont prangen. Kühe grasen auf den saftigen Wiesen – ein Hauch von Alm. 

Ich trödele, lasse mir viel Zeit, fotografiere viel. Und treffe Silke Vosbein von der Tourismusregion Mittlerer Schwarzwald, die mich mit kalter Rhabarberlimo versorgt. Was für ein Service. Danke! Die Zeit wird zunehmend knapper, schon jetzt finde ich mich damit ab, im Dunkeln anzukommen, doch es sollte noch ein weniger schlimmer kommen. Zunächst erreichte ich die Hohenlochenhütte, eine wunderschöne Hütte aus Stein mit fantastischem Ausblick. Da dämmert es schon und ich muss schweren Herzen weiterziehen, hier hätte ich gerne länger ausgeharrt. Gerade noch bewundere ich eines dieser Schwarzwaldtäler, da donnert es plötzlich. Der mittlerweile fast komplett dunkle Himmel blitzt auf und ich habe noch gut eine Stunde vor mir. So dauert es nicht lange, da ergießt sich der Himmel über mir, hastig ziehe ich den Regenschutz über und setze meine Stirnlampe auf, jetzt ist es stockdunkel. Die Stirnlampe jedoch erlischt bereits nach einer Minute. Und geht nicht wieder an. Kaputt. Jetzt? Warum?

Lediglich mit Handylampe in der Hand und wahrlich dürftiger Beleuchtung, rutsche und stolpere ich über schlammige Pfade und durch den düsteren Wald hinunter nach Wolfach, es regnet aus vollen Eimern und ich habe mittlerweile über 35 km hinter mich gebracht. Ja, ich fluche mehrfach, vor allem wenn ich mich zum wiederholten Male verlaufe, die Schilder und Abzweige sind im Schein des Handylichts kaum zu sehen und ich bin gezwungen den schlammigen Weg so gut es geht zu beleuchten, so muss ich mehrfach ein kurzes Stück wieder hinauf oder zurückwandern.

Nach rund 13 Stunden, nass, platt und frustriert komme ich in Wolfach an. Das Hotel hat Ruhetag, es ist niemand mehr da. Zum Glück erreiche ich den Besitzer telefonisch, der mir daraufhin aufsperrt. Etwas zu essen gibt es heute nicht mehr. So muss die im Feierabend befindliche Dönerbude ein paar Meter weiter her, wo ich den Tag abschließe. Ja, auch das ist Teil des Abenteuers Fernwandern und ich bin mir sicher, dass ich mich an diese Etappe noch lange erinnern werde.

Aussicht Vogtmeierkanzel
Wald und Wiesen am Harkhof
Riesenstuhl beim Harkhof
Blick auf den Glaswaldsee

Etappe 69: Wolfach – Schonach

Nach der beschwerlichen Ankunft am Vortag hatte ich beschlossen, mir morgens etwas mehr Zeit zu lassen, sodass ich letztlich erst um 10:30 Uhr loskam. Von Hausach ging es direkt steil bergauf auf die Burgruine Husen, ein wirklich toller Blick über Hausach vom kleinen Turm aus. Von hier aus ging es zunächst vor allem eines: bergauf. Mal knackig, mal weniger knackig, jedoch oftmals über wunderschöne, wurzelige Waldpfade. Den Naturkühlschrank an einer fantastischen Aussicht über das grüne Breitenbachtal habe ich gleich geplündert (2 Euro pro Getränk) und mich dazu in die wundervolle Schutzhütte gesetzt. Was für ein Panorama, diese typischen Schwarzwaldtäler.

Am Horizont verschwand der Farrenkopf im Nebel, mein nächstes Ziel. Und tatsächlich, nach wirklich schweißtreibendem, sehr knackigem Anstieg erreichte ich den Gipfel mit der Hasemannhütte im völligen Nebel. Schade, die Sicht war weg, aber dafür war die Stimmung ziemlich mystisch. Nun folgte ein munteres Auf und Ab auf dem Höhenrücken, wobei ich immer wieder an beeindruckend großen Windrädern vorbeilief. Da kann einem schon mal schwindelig werden beim Hochgucken. Ich passierte ehemalige Schanzen- und Flugabwehranlagen und erreichte irgendwann den Huberfelsen. Vielleicht mein Lieblingsort auf der ganzen Etappe. Im absoluten Nichts gelegen, inmitten der zahllosen Hügel und fern von der Zivilisation ließ ic den Blick vom Aussichtsfelsen schweifen. Außerdem ist er geformt wie dein Schiffsbug, was mich unweigerlich an eine ikonische Szene aus dem Film Titanic erinnerte.

Vom Huberfelsen war es nicht mehr weit zum Karlfelsen. Auch dieser türmt sich wuchtig auf und ist über in den Stein geschlagene Stufen zu erklimmen. Und obwohl die Sicht vom Karlfelsen aus auch eine tolle ist, an den Huberfelsen kam sie nicht ran. Nun folgte eine recht ebene Strecke ohne viele Höhenmeter, dafür weiterhin zu großen Teilen auf verschlungenen Pfaden. Vorbei an einigen diese wundervollen, abgelegenen Schwarzwaldhöfe bis ich die Wilhelmshöhe erreichte. Mittlerweile dämmerte es, das warme Licht flackerte in der warmen Stube und das überaus urige Gasthaus hieß mich mit weichem Bett und gutem Essen willkommen. Perfekt!

Jarle Sänger

Im Schwarzwald kann es ganz schön dunkel werden.
Aber dann diese Aussichtspunkte, hier der Huberfelsen
Der Herbst bricht herein.
Gemütliche Übernachtung in Schonach

Etappe 70: Schonach – Thurnerpass

Los ging es bei strahlendem Sonnenschein und mystischem Nebel der sich in Waldlichtungen breit gemacht hatte. Schnell erreichte ich das Blindenmoor, durch das jede Menge Holzstege führen. Ein friedlicher Ort, vor allem so früh am Morgen. Seelenruhig. So wie der kleine Blindensee mitten darin. Keine Menschenseele außer mir. Dann begann der Aufstieg zum Berggasthof Brend, wenig spektakulär, meist über breite Forststraßen. Nur einmal, lockte der Wald mit einer Sehenswürdigkeit: Der Günterfelsen. Riesige Steinbrocken, meist geformt wie übergroße Kugeln, lagern hier übereinander, türmen sich auf zu einem riesigen Turm aus Granit. Turm? Das ist ein gutes Stichwort, denn nur weniger später erreichte ich das Berggasthaus Brend, das wahnsinnig toll gelegen auf 1.149 m Höhe thront. Dahinter steht ein kleiner Aussichtsturm, von dem der Blick über den schier endlosen Schwarzwald noch mal besser war.

Ich nutzte die Gunst des Hauses und setzte mich auf die Aussichtsterrasse, die Sonne völlig blank am Himmel, der Blick kilometerweit bis hin zum Feldberg. Ein, zwei Getränke sowie ein üppiges und wirklich superleckeres Mittagessen konnte ich mir nicht verkneifen, so dauerte es eine gute Stunde bis ich mich wieder vom Brend losreißen konnte. Über schöne Pfade, dann etwas Asphalt ging es weiter, schnell war ich wieder im Flow, da öffnete sich der Waldvorhang. Bei Neukirch dominierten vor allem offene Wiesen und weite Blicke. Ein toller Kontrast zu den waldreichen Vortagen.

Etwas störend war die nun dauerhafte Nähe zur Bundesstraße, aber auch das gehört zum Fernwandern in einer dichter besiedelten Region der Welt. Dafür passierte der E1 im Bereich des Schwarzwaldes fast überhaupt keinen Ort, selten eine Straße. Streckenweise war ich völlig abgeschieden unterwegs, also war das nun auch zu verschmerzen. Irgendwann erreichte ich die Kalte Herberge. Noch einmal eine kühle Cola, dann ging es zum Endspurt, leicht bergauf kam ich zwei Stunden später am Thurnerpass an, von hier war es nicht mehr weit zum Hotel. Das hatte natürlich wieder einmal Ruhetag und hier mitten im Nirgendwo auf der Höhe gab es auch keine Alternative. So musste ich mich mit einem zwei Tage alten Brot, Notnüsschen und zwei Schokoriegeln begnügen – was für eine Enttäuschung nach einem ganzen Tag auf Wanderachse. Memo an mich und Empfehlung an alle anderen: Vor allem an so autarken Orten und Wegen, plane die Ruhetage der Hotels ein!

Jarle Sänger

Holzsteg im Blindenmoor
Tiefblau der Blindensee
Am Günterfelsen
Strahlendes Herbstlaub
Blick von der Heubacher Höhe
Berggasthof Brend

Etappe 71: Thurnerpass – Feldberg-Ort

Los ging es an einem kühlen Morgen in der Frühe, heute sollte es auf den Feldberg gehen. Zunächst einmal hielt ich jedoch die Höhe und wanderte zur Weißhöhentanne. Heute ein friedlicher Ort voller zwitschernder Vögel im Wald, doch 1928 geschah hier ein Doppelmord an zwei jungen Frauen. Bis heute ist das grausame Verbrechen nicht aufgeklärt. Ein bedrückendes Gefühl, waren die beiden Frauen damals doch aus dem gleichen Grund an diesem schönen Ort wie ich, zum Wandern.

Weiter führte mich der E1 hinab nach Titisee, der Weg wandelte sich von schönen Pfadpassagen und aussichtsreichen Waldrandwegen zu einer kleinen Asphaltstraße und später mitten durch den durchaus touristisch geprägten Ort. Ich würde sagen, das waren die am wenigsten beeindruckenden Kilometer meiner bisherigen Tour. Trubel im Touristenort, Motorenheulen auf den Fernstraßen, hier merkte ich, wie lange ich in eindrücklicher Abgeschiedenheit unterwegs gewesen war. Bis auf Hausach hatte ich zuvor nicht eine Ortschaft durchquert, an drei Tagen!

In Titisee kaufte ich Verpflegung (die hatte ich am Tag zuvor ja notdürftig als Abendessen vertilgt) und zog dann weiter. Zunächst am Titisee entlang, dann ging es hinauf in Richtung Feldberg. Zunächst steil, dann zahmer. Dann sogar noch einmal hinab nach Hinterzarten. Von dort aus weiter stetig bergan, was auf den vielen Kilometern, mit den Wanderungen der Vortage in den Beinen und dem schweren Rucksack auf dem Rücken so langsam schlauchte. Umgeben war ich von dichtem Wald, bis sich auf einmal eine riesige Weidefläche, die des Häuslebauers, vor mir auftat. Mit traumhaftem Blick auf den Feldberg, der sich mit seiner waldfreien Gipfelregion vor mir auftat. Der Häuslebauernhof hat wahrlich die erste Reihe im Schwarzwaldkino für sich! Besser noch, wenige Meter weiter entdeckte ich einen Naturkühlschrank mit Selbstbedienung. Ich zückte ein Radler und setze mich auf die Panoramabank. In diesem Moment schaffte es die Sonne das erste Mal so richtig durch die graue Wolkendecke. Ich hielt mein Gesicht in die Wärme, schaute in die Ferne und war vollkommen zufrieden. Mein bisheriger Lieblingsplatz am E1!

Danach folgte die eigentliche Anstrengung. Der Anstieg zum Feldberg war knackig und zwang mich zu einigen Pausen. Der Himmel zog sich zu, es nieselte und der Wind legte ebenfalls zu, als ich die waldfreie Höhe erreichte. Völlig platt kämpfte ich mich weiter bis zum Gipfel, an dem ich keinerlei Sicht mehr hatte. Mehr noch, es begann mächtig zu regnen, der Wind fegte mir das Wasser schlagseitig ins Gesicht und ich war binnen Minuten vollkommen durchnässt. Dennoch, der Stolz überwog, hat es die Wandermagazinstaffel doch von Dänemark geschafft den Staffelstab über 1.780 km bis auf das Dach der deutschen Mittelgebirge zu tragen. Kein Berg außerhalb der Alpen ist höher als der Feldberg. Wir hatten es geschafft, willkommen im Mittelgebirgshimmel. Danke an alle Läufer!

Lange hielt ich es nicht aus dort oben. Doch zum Glück war es vom Gipfel nicht mehr weit bis ins Hotel.

Jarle Sänger

Blick auf Hinterzarten von der Kesslerhöhe
Kesslers Milchbrunnen in Hinterzarten
In Gipfelnähe auf dem Feldberg
Der Feldsee
Jarle Sänger auf dem Gipfel des Feldbergs
Die E1-Staffel ist auf dem Feldberg angekommen,
dem höchsten deutschen Berg außerhalb der Alpen

Etappe 72:  Feldberg-Ort – Lenzkirch

Der Feldberg war am Vortag erobert und übernachtet hatte ich – mit ein bisschen Stolz auf unser Team im Gepäck – unterhalb im gleichnamigen Ort. Ja, endlich gab es etwas Warmes zu essen und das war auch noch richtig lecker. Empfehlung am Rande: Das Hotel Burg in Feldberg-Ort!

Nun aber zur heutigen Tour. Gleich zu Beginn erahnte ich, was mich heute erwarten würde: Regen, Regen, Regen. Es schüttete gewaltig und ausgerechnet an diesem Tag startete ich in einer weitestgehend baumlosen Umgebung. Gut, dass es schnell bergab ging – durch nebligen, stellenweise gruseligen Wald. Ich passierte mehrere Aussichtspunkte, die an diesem Tag den Blick auf nichts anderes als fades Grau eröffneten. Nebelblick! Der Wald war eingehüllt vom Grau des Morgens und die Baumwipfel der Fichten und Tannen ragten sehenswert heraus.

Kurz zuvor hatte ich dem Westweg noch „Auf Wiedersehen“ gesagt. Dessen rote Raute hatte unser Staffelteam seit Pforzheim bis an diese unscheinbare Kreuzung unterhalb des Feldbergs begleitet und vor allem den E1 verlässlich markiert. Ein bisschen Wehmut kam auf, war der Westweg doch wirklich ein grandioser Weitwanderweg, den ich jedem ans Herz legen möchte und den ich ganz bestimmt noch einmal ganz (Pforzheim bis Basel) gehen werde.

Über breite, jedoch oftmals kunstvoll geschwungene Forstwege ging es also hinab zum Schluchsee, dessen Ufer ich dann einen Besuch abstattete. Doch auch hier unten, den Nebel hatte ich in der Höhe gelassen, war es grau, trist und verregnet. Dunkelheit am Tage. Das Schöne daran war jedoch, dass sich nur wenige Menschen hier draußen am beliebten Schluchsee tummelten.

Mittlerweile hatte sich der mehrtägige Schluchtensteig zum E1 gesellt und meiner nur wagen Vorplanung. Einer missverständlichen E1-Markierung war es geschuldet, dass ich kurzerhand den falschen Weg bis nach Lenzkirch lief. Ähnlich wie es mit dem Westweg war, ging ich davon aus, dass der E1 zusammen mit dem Schluchtensteig verläuft, so wie er es – das weiß ich sicher – auch die nächsten zwei Tage fast ausschließlich tun wird. Dass die beiden kurz zusammengehen, sich dann wieder trennen, nur um in Lenzkirch, meinem heutigen Etappenziel, wieder zusammenzufinden, irgendwie kam mir diese Option nicht in meinen Kopf. Wie dem auch sei, auch der Schluchtensteig führte mich nach Lenzkirch, eben auf einem anderen Wege.

Besonders schön war die Durchquerung des Schwendetals, ein wundervolles schwarzwaldtypisches Tal mit nur wenigen Höfen. Völlig abgelegen mit steilen Wiesen und einzeln stehenden Herbstbäumen darauf – wunderschön. Bei diesem Anblick vergaß ich glatt, dass es zeitweise wie aus Kübeln goss. Dann erblickte ich Lenzkirch und war froh, angekommen zu sein. Die Anstrengungen der letzten Tage spürte ich mittlerweile deutlich, die Lust war aufgrund des Wetters auch am Tiefpunkt und so war ich froh, das warme Bett des Hotels wenig später nur noch einmal für das Abendessen verlassen zu müssen.

Jarle Sänger

Aussicht auf keine Aussicht
Einer von vielen Forstewegen auf der heutigen Etappe
Die Wasserlochhütte
Im abgelegenen Schwendetal
Am Ufer des Schluchsees
Farbexplosion

Etappe 73: Lenzkirch – Schattenmühle

In Lenzkirch hatte ich mir morgens viiiiel Zeit gelassen, immerhin sollte heute die entspannteste Etappe meiner Woche folgen. In Lenzkirch deckte ich mich zunächst noch mit etwas Verpflegungen ein, dann ging es gegen 12 Uhr los in Richtung Wutachschlucht.

Es nieselte ein bisschen und war grau am Himmel, windig, gar stürmisch. Die Wolken fegten sehenswert über die Dächer von Lenzkirch hinweg und ich erreichte zunächst die Haslachschlucht. Schon hier rauschte das Wasser sehenswert hinunter in die dahin fließende Haslach, die sich im weiteren Verlauf durch den engen Rechenfelsen quetscht. Später fließen Haslach und Gutach zusammen und werden zur Wutach. Der Weg indes war überaus abwechslungsreich, es ging rauf und runter, links und rechts. Mal etwas breiter, meist jedoch über eng verschlungene Pfade. Ich war entspannt, nahm mir viel Zeit für Fotoaufnahmen und genoss das dauernde Rauschen der Wutach, das ein Gefühl von Wildnis versprühte.

Nur einmal kurz ging es hinauf, auf eine offene Hochfläche, wo mich knallige Herbstfarben beeindruckten. Hier stellte ich fest: Die Sonne ist da, sie hatte den Wind, den Sturm, den Regen längst zum Teufel gejagt. Das hatte ich zuvor in der tief eingekerbten Wutachschlucht gar nicht richtig mitbekommen. Lange blieb der Weg jedoch nicht oberhalb der Wutachschlucht, im weiteren Verlauf ging es dann stetig bergab bis zur Schattenmühle, die direkt an der Wutach liegt. Ein zünftiges Abendessen und eine Nacht in einer eher einfachen Herberge standen mir nach diesem entspannten Tag bevor. Die Füße hatten an den Vortagen geschmerzt und auch die Kraft war spürbar zurückgegangen, so kam dieser kurze Tag perfekt. Noch vor elf Uhr lag ich im Bett, das Fenster ließ ich offen und schlief wenig später mit dem Rauschen der Wutach im Ohr ein.

Jarle Sänger

Das Rathaus in Lenzkirch
Die Wutach in der Schlucht
An der Wutach
Blick vom Räuberschlössle

Etappe 74: Schattenmühle – Blumberg

Dunkel war es an der Schattenmühle in der Frühe, hat sie ihren Namen doch nicht umsonst. Das Licht erreicht hier nicht oft den Boden des Waldes. Um 8:30 Uhr traf ich Martin Schwenninger, den Wutachranger, der pünktlich wie die Maurer vor der Mühle stand. Wir machten uns auf in die Wutachschlucht für die nächsten 12 km bis zur Wutachmühle. Spannend, was Martin zu erzählen hatte. Wie der Schluchtensteig, der zusammen mit dem E1 durch die Wutachschlucht führt, entstanden ist zum Beispiel. Vor allem wie wenig Aufwand ein neuer Wanderweg damals war, und wie kompliziert das heute mit all den Auflagen ist. Er erzählte mir von den zahlreichen Mühlen in der Schlucht, zeigte mir die Überreste der Dietfurter Mühle, von der man mit geschultem Auge tatsächlich noch ganz sichtbare Überbleibsel am Ufer der Wutach entdecken kann. Spannend! Ohne Martin wäre ich achtlos daran vorbeigelaufen.

Auch die verschiedenen Gesteinsarten kennt der Ranger genau. So erzählte er mir von 200 Millionen Jahren Erdgeschichte, die wir allein zwischen der Schatten- und der Wutachmühle durchwanderten. Rief ein Vogel in der Höhe, wusste Martin den Ruf gleich einer Art zuzuordnen, auch die Gewächse am Wegesrand bestimmte er mit geschultem Auge. Martin Schwenninger kennt seine Region, die er kurz „die Schlucht“ nennt. Ich merkte schnell, wie sehr er sich für die Natur und das Draußensein begeistert.

Wir kamen vorbei am alten Kulturbad Bad Boll, eine ehemals aufwändig gestaltete Erholungsanlage für Gutbetuchte mit Kurpark, Kapelle, Bootsweihern und beleuchteten Alleen sowie Pavillons. Unvorstellbar in der heute so wilden Schlucht. Der König von Marokko, sogar Winston Churchill soll hier gewesen sein, was Martin bei letzterem jedoch für ein Gerücht hielt. Die alte Kapelle steht noch heute. Herrje, ich liebe solch nostalgisch beladene Orte. Apropos Gerücht, man sagt sich übrigens auch, dass sich die beiden RAF-Terroristen Klar und Folkerts auf der Schattenmühle versteckt hielten. So ging das bis zur Wutachmühle, Martin erzählte, erzählte und erzählte. Langweilig wurde es nie und ich wette, der Wutachranger hätte noch mehr spannende Anekdoten und Hintergründe auf Lager gehabt. Chapeau, dachte ich mir nach unserer Verabschiedung an der Wutachmühle, was man alles wissen kann!

Der Rest der Tour war, vor allem im Vergleich zur Wutachschlucht, eher unspektakulär. Besonders in Erinnerung jedoch werden mir die letzten Meter im Anstieg nach Blumberg bleiben. Solch ein kurzes, aber absurd knackiges Steilstück jetzt ganz zum Schluss, mit fast kniehohen Steinstufen, nach sieben Wandertagen? Womit habe ich das verdient? Naja, auch das habe ich geschafft, ehe der Staffelstab ein letztes Mal den Träger wechselte. Was für eine Woche, was für ein Erlebnis. Mein Fazit: Fern- und Weitwandern ist ein ganz besonderes Erlebnis, welches ich immer wieder suchen werde.

Jarle Sänger

Infos zur Wutachschlucht und Angebote des Wutachrangers unter www.wutachschlucht.de

Blick auf die Wutachschlucht im Herbstwald
Tannegger Wasserfall
Mit dem Wutachranger Martin Schwenninger
Felswand an der Wutach
Brücke über die Wutach
Blick auf Achdorf

Etappe 75: Blumberg – Engen mit Michael Sänger

Vom Sauschwänzle, der Silberdistel und einem vulkanischen Kegelspiel

Himmel, was für ein Tag. Obwohl ich nur ein einziges Mal einen klitzekleinen Hinweis gefunden habe und zwar am Giebel der schönen Blumberghütte auf 876 Metern, war ich den ganzen Tag auf dem E1 unterwegs. Der nutzt von Blumberg an konsequent den Freiburg-Bodensee-Querweg (weißrote Raute auf gelbem Grund) des Schwarzwaldvereins. Die Markierung ist sehr verlässlich. Zwar ändert sich im Hegau die Grundfarbe der Beschilderung (weiß auf gelb), die Systematik aber (Nah-, Mittel- und Fernziele) bleibt erhalten.

Der Morgen eines traumhaft schönen und warmen Wandertages im herbstlichen Oktober begann mit Nebel in den Senken und Tälern und dem erst leicht ansteigenden, dann aber steiler werdenden Anstieg zum Aussichtsbalkon der Buchberghütte. Links die Schweizer Alpen im Morgendunst, rechts die Ausläufer des Hotzenwaldes. Das Blickfeld tief gestaffelt mit einem Winkel von sagenhaften 180 Grad. Der Weg fällt dann wieder durch herbstlichen Wald bergab und quert einen Magerrasen mit mediterranem Bewuchs (Wacholderbüsche, Silberdistel etc.) und erreicht bei Blumberg-Zollhaus eine stark befahrene Landstraße. Nach deren Querung erreicht man den Vier-Bahnenblick. Gemeint ist damit ein Aussichtspunkt von dem man an vier verschiedenen Stellen auf die Gleise der legendären Sauschwänzlebahn schaut. Diese kühne Trassenführung mit astreinen Loops außerhalb und im Berg wird inzwischen im Museumsbetrieb mit dampfgetriebenen Loks betrieben.

Die Route führt hinauf nach Randen und erreicht nach langer Waldpassage einen Aussichtspunkt mit einem ersten Blick auf zwei der Hegauer Vulkane, den Hohenhewen und den Hohenstoffeln. Von hier beginnt eine grandiose Panoramapassage, die erst am Napoleonseck mit dem Abstieg hinunter nach Engen ein Ende findet. Sonnig, mit Blicken auf die Schweizer Alpen und dem überragenden Säntis, schälen sich weitere Vulkane aus dem „Bildrahmen“, sogar der Hohentwiel bei Singen mit seiner wuchtigen Basaltfestung ist zu erkennen. Und vom Napoleonseck hat man erstmals sogar Bllickkontakt mit dem Bodensee. Wunderschön zwischen Waldrand und Wiesen führt die Route kilometerweit mit leichten Auf und Abs entlang – toll. Der Einzug in das historische Engen ist der krönende Abschluss.

Die finale Staffelübergabe
Aufsehenerregende Felsen
Aussicht von der Buchberghütte
Die Vulkanlandschaft im Hegau

Etappe 76:  Engen – Singen (Hohentwiel)

Eine schwere Etappe nach meinem Empfinden. Gut, das Hotel zum gestrigen Etappenende befand sich 2 km außerhalb von Engen mit ordentlich Anstieg. Heißt also, die heutige Etappe war entsprechend auch länger für mich. Allerdings begleiten beachtliche 900 Höhenmeter die heutige Etappe und die werden nicht in ein, zwei Anstiegen erlaufen, sondern immer wieder, bis zum Schluss, mit teils heftigen Gegenanstiegen.

Tipp: Man muss nicht jeden der entlang der Strecke wartenden Anstiege mitnehmen, um die Höhepunkten der Szenerie zu erleben. Den Hohenstoffeln könnte man sich z. B. sparen und auf dem Burgenweg bis zum Kreuzungspunkt mit dem Querweg durch Weiterdingen mit seinem schön gelegenen Schloss und der noch schöner gelegenen Kirche wandern. In der Weiterdinger Kirche sind übrigens sehenswerte Epitaphe vom Geschlecht der Hohenstoffeln zu bewundern. Klar, der Hohenhewen mit seinen 846 m ist ein Muss. Mit etwas Wetterglück liegt der Bodenseeraum unter einer Frühnebeldecke und nur die Vulkankegel von Hohenkrähen, Hohentwiel und Hohenstoffeln ragen heraus.

Die Route hat einen erstaunlich hohen Pfadanteil, weil sie immer wieder abschnittsweise das Streckennetz der vom Deutschen Wanderinstitut zertifizierten Premiumwege „Hegauer Kegelspiel“ nutzt. Während gestern der E1 ausnahmslos auf der Streckenführung des Freiburg-Bodensee-Querweges ruhte, trennten sich heute am Fuße des Hohenstoffeln die Wege. Der E1 führte hangbegleitend nach Weiterdingen und dann mit einem elenden asphaltierten Geradeausstück 700 m steil bergauf. Kurz vor dem Jagdhaus Hohenstoffeln vereinen sich Querweg und E1 wieder, das änderte sich bis Singen auch nicht.

Aussichten bietet die Etappe im Dutzend und mehr. Dabei sind einige von der Kategorie „zum Niederknien schön“. Vor der Mägdeburg wird man immer wieder durch Wiesen und Streuobstwiesen geführt. So manche Birne schmeckte zuckersüß, bevor man auf die Burgruine gelangt, deren Geschichte bis ins 12. Jh. zurückreicht. Hohenkrähen sowie Hohentwiel waren einst Schlote eines Vulkans und bestehen aus Basalt mit wehrhaften Burgen ausgestattet. Die Burgruine auf dem Hohentwiel ist gigantisch groß. Dafür sollte man sich wirklich einen Tag Zeit nehmen. Eine attraktive Tour heute auf dem E1, deren Schwierigkeitsgrad ich mit 25 km (+ Zuweg) und 900 Höhenmeter als sehr schwer, aber unglaublich schön, zusammenfassen kann.

Michael Sänger

Steile Anstiege belohnen mit Aussichtsmomenten
Wiesenlandschaften zwischen den Vulkankegeln
Die Ruine der Mägdeburg
Kirche bei Weiterdingen, Hilzingen

Etappe 77:  Singen (Hohentwiel) – Wallhausen

An sich eine unspektakuläre Etappe. Sieht man von der Häufigkeit der Schlösser und Burgen ab, die am Weg lagen bzw. ohne Wegesperrung sichtbar geworden wären. Bei den Seen ging mir der Steissinger See abhanden. Er ist da, aber entweder durch dichten Wald oder von dichter Bebauung verdeckt. Beim Mindelsee hatte ich lange die Vermutung, dass er ebenfalls unsichtbar bleiben könnte und wählte eine, laut Karte, ufernahe Alternative, die mich tatsächlich zwei-, dreimal mit Seeblick belohnte.

Im Grunde ist es eine Wanderung aus dem Geologieklassenzimmer namens Hegau in das Klassenzimmer für Sozialkunde und politische Bildung namens Internationale Bodenseeregion. Ach, noch etwas hat sich gewandelt: Ich wanderte in Bodenseenähe durch herrliche Streuobstwiesen. Allerdings wird auch viel Spalierobst angebaut. Jedenfalls mangelte es mir unterwegs nicht an den von Ernährungswissenschaftlern so stark propagierten Obst-Rationen. Im Herbst fällt einem das Obst förmlich vor die Füße.

Der Bodensee ist ein internationales Gewässer. Österreich, die Schweiz und Deutschland teilen sich das sogenannte „Schwäbische Meer“. Wir haben daher aus gutem Grund das Finale der diesjährigen Eröffnungskampagne mit dem E1, dem Weg der Kontraste, in die Internationale Bodenseeregion am Schnittpunkt von drei europäischen Fernwanderwegen (E1, E4 und E5) in Konstanz bzw. Kreuzlingen an den Bodensee gelegt.

Durch die großräumige Sperrung der spektakulären Marienschlucht zwischen Langenrain und Wallhausen ergeben sich aktuell Wegeverlegungen, die leider nicht wirklich transparent vor Ort kommuniziert werden. Es empfiehlt sich daher von der Umleitungsempfehlung in Langenrain für den Querweg (und damit auch für den E1) aus, der Richtungsempfehlung zu folgen und dann der Umgehungsbeschilderung für den ebenfalls verlegten SeeGang (einem Premiumwanderweg) zu folgen. Sie führt dann kurz vor Wallhausen wieder auf die Ur-Route zurück mit der bislang so verlässlichen Markierung des Querweges Freiburg-Bodensee. In Höhe Wallhausen findet sich sogar ein expliziter Hinweis darauf, dass der E1 auf der Route verläuft. Illustres Wandern mit einem sehr schönen Burgen- und Schlösserarrangement. Angefangen in Steißlingen, fortgeführt mit der Burgruine Homburg, dem Mögginger Schloss und dem Schloss von Langenrain. Wallhausen begeistert durch seine unmittelbare Lage am Bodensee. Die ankernden Yachten und Segelschiffe vermitteln eine mediterrane Brise.

Michael Sänger

Schloss Langenrain​​​​
Am Mindelsee
Schloss Möggingen
Schloss Steißlingen

FINALE

Etappe 78: Wallhausen – Kreuzlingen

Zum Finale ist Karmen Nahberger von unserem Initiativenpartner www.weitwanderwege.com mit ihrem Goldenretriever Tara angereist. Wie schön, dass ich die letzte Etappe in Begleitung gehen darf. Rasch erreichen wir von dem Seehafen aus den Einstieg der heutigen Etappe. Karmen freut sich wie dolle, dass hier ein Hinweis auf den E1 zu finden ist (einer der wenigen). Über Wiesen und durch herbstbunten Wald geht es mal leicht bergauf und bergab. Wir begeistern uns an dem ständigen Blättergeriesel. Schon einzigartig, welche Farbenpalette die Natur ohne Anstrengung produziert.

Vom Aussichtspunkt Purren hätte man bei passendem Wetter eigentlich ein traumhaftes Panorama von den österreichischen zu den schweizer Alpen. Oberschwaben mit seinen Höhen nicht zu vergessen. Was wir nicht wirklich sehen, aber sehen könnten, enthüllt das Panorama-Tableau vor uns. Nochmals tauchen wir in den Herbstwald ein. Kurz vor der Konstanzer Universität kommen wir an der ehemaligen Eremitenklause, späterem Kloster und Gastwirtschaft mit Biergarten St. Katharina vorbei. Ein neuerliches Sperrschild für Radler und Fußgänger kann uns nicht mehr daran hindern nach Konstanz zu stürmen.

Nach vielen Tagen völliger Einsamkeit und Ruhe wirkt das Gewusel auf Geh-, Radwegen und den Straßen wie ein Akustikschock. Soviel Bewegung ist das Auge nach Tagen der Besinnlichkeit nicht mehr gewohnt. Menschen mit Ohrstöpseln hasten vorüber, den Blick auf elektronische Geräte geneigt. Die moderne Handheld-Prothese, zum Foto, zum Selfie oder Video gezückt und in die Höhe gereckt, ist auch die dominierende Pose unten am Hafen. Beeindruckend das hohe Wahrzeichen Konstanz, die Statue der sich drehenden Imperia hinter dem ehrwürdigen Gebäude des Konstanzer Konzils von 1414-1418. Es ist ein satirischer Hinweis auf die Geschehnisse damals.

Wir wandern weiter, in dem festem Glauben, dass die bronzene Plakette zur Eröffnung der ersten drei Europäischen Fernwanderwege vom 2.7.1972 auf Kreuzlinger Seite im Seegarten liegt, wo sich der E1, der E4 und der E5 wenn nicht gerade punktgenau schneiden so doch symbolisch treffen, befindet. Falsch, wie sich durch einen Anruf in der Redaktion herausstellt.

Der „Ehrenpunkt“ und unser Schlusspunkt der 78 Etappen ist in die seeseitige Außenwand des Musikpavillons im Stadtgarten vor den Toren des Konstanzer Konzils eingelassen. Hier findet unsere neu erzählte Geschichte vom Weg der Kontraste, dem E1, die wir am 24.5.2022 im dänischen Padborg begonnen haben, ein würdiges Ende.

Und was waren das für Kontraste! Die Ostsee, der wundervolle Norden Deutschlands, die Hansestadt Hamburg, die Heide, die Waldgebirge durch die Mitte Deutschlands, den Schwarzwald, den vulkanischen Hegau und die internationale Bodenseeregion. Vielfalt der Kulturen, der Mythen, der Dialekte, der Landschaftsbilder, der Architektur, der Beschilderung und der persönlichen Erlebnisse. Großartig. Ein Dank an alle Staffelläufer, die den Staffelstab unserer Freunde von Detmolder Lebenshilfe 1.945 km durch Deutschland getragen haben. Danke an Thorsten, Svenja, Jarle und Manuel für Ihre Geschichten, Erlebnisse und Eindrücke. Wie muss das erst sein, wenn man im hohen Norden am Nordkap startet oder von Sizilien kommend nordwärts auf diesem Pfad wandert? Grenzenlos, sprachlos und mit unvorstellbarem Glück sprichwörtlich aufgeladen. Zwölf dieser Freiheitspfade gibt es – worauf warten?

Michael Sänger

Das Ziel ist in weiter Ferne in Sicht
Weniger als 5 km bis zum Ziel
Die Imperia am Hafen Konstanz
Herbstliches Ufer am Rhein
Am Ziel in Konstanz:
Die Plakette erinnert an die Eröffnung
der ersten Europäischen Fernwanderwege
Zusammen mit Karmen Nahberger
von weitwanderwege.com,
unser Partner des Projekts,
hat Michael Sänger die finale Etappe beendet. 

Das Team bedankt sich bei allen, die unseren Läufer:innen in den vergangenen Monaten auf dem Weg gefolgt sind. Danke für eure Unterstützung, Motivation, Fragen und Anregungen!

Wie es jetzt weiter geht mit "12 Wege – 1 Europa"?  Details werden folgen, die Planungen laufen. Wir halten euch auf dem Laufenden.

Und bis dahin: Viel Vergnügen auf euren Touren! Vielleicht trifft man sich ja mal am Wegesrand ;)

#tobecontinued

Abschnitt 3 – Etappen 33-60

Etappe 33: Hameln – Linderhofe mit Michael Sänger

Schwülwarm verabschiedet sich Hameln von mir. Die Altstadt ist ein Schmuckkästlein. Das über 1.200 Jahre alte Münster St. Bonifatius mit seinem neugotischen Tympanon (das schmuckvoll verzierte Portal) hat mich schwer beindruckt. Direkt dahinter, an der Weserbrücke staunt man nicht schlecht über den Nachbau der Brückenkonstruktion von 1560. Dann der steile Aufstieg zur Landesfestung mit dem Georgs-Thurm alias Klütturm mit fantastischem Blick zurück und voraus. Kleine Weiler, versteckte Höfe, riesige Wälder und immer wieder die Panoramablicke in die Ferne. Erinnert mich alles etwas an die Rhön. Auch hier hat man ein Land der Fernsichten. Aufstiege gibt es reichlich, mal vorbei an dem Rastplatz „Heringsschwänze“ mit kurioser Geschichte zum Riepen, mal der Lüningsberg mit der Sage von den Zwergen mit den Goldkegeln und dem Müllerburschen, die Hohe Asch mit dem kleinen Aussichtsturm oder der Dörenberg. Eine echte Bergetappe mit fordernder Gesamtlänge. Schön ist der Einzug in Linderhofe einem kleinen Bergdorf am Fuße des Sternberges. Die Annäherung an das Hermannsdenkmal und die Externsteine ist sehr reizvoll.

Michael Sänger

Das schmuckvolle Portal des Münster St. Bonifatius
Fernsicht
Der Klütturm bei Hameln

Etappe 34: Linderhofe – Lemgo

Heute früh war ich 100%ig davon überzeugt, dass mein erstes Ziel die Burg Sternberg sein würde. Das war ein Satz mit X. Die Macher des E1 hatten andere Pläne. Aus Burg Sternberg wurde die Alte Burg Sternberg und, als Höhepunkt für „Fernseher“, der Gipfel des Sternberg. Na gut! Hundertfach wurde ich durch fantastische Blicke entschädigt. Noch mehr durch den sensationellen Hohlweg vor Hillentrup, die Fachwerkperle Hillentrup selbst und die canyonartigen Einschnitte im Relief unterhalb von Amelungsburg und Piepenkopf, zwei waldreiche Berge, die mich sehr für das nordlippische Bergland eingenommen haben. Der abschließend waldreiche Schluss der Etappe durch die Lemgoer Mark führte über den 347 m hohen Windelstein. Beim Abstieg erhob sich am Horizont der Kamm des Teuto wie eine blaue Mauer. Morgen, dachte ich mir, schaust Du einfach mal zurück ...

Michael Sänger

Riesige Wallanlage bei Alt Sternberg, erbaut im frühen Mittelalter
Blick auf den Teutoburgerland und Schwelentrup
Aufstieg zum Sternberg
Altstadt von Lemgo, links das Rathaus

Etappe 35: Lemgo – Holzhausen-Externsteine

Auftakt war das Weserrenaissance-Museum Schloss Brake. Ein Hammer. Zu gerne hätte ich mir die Ausstellung angeschaut. Aber Ewald Lienen (bekannter ehemaliger Fussballspieler und -trainer von Borussia Mönchengladbach, begnadeter linker Flügelflitzer) und Günter Weigel (Chef der Lippe Tourismus GmbH) warteten auf mich oben am WALK (Wanderkompetenz-Zentrum) am Hermannsdenkmal. Da hieß es sich sputen. Raus aus Lemgo und Kurs auf den Biesterberg. Idyllisch im Tal gelegen das Dörfchen Wahmbeck. Kurz vor Oettern kann ich das Hermannsdenkmal am Horizont ausmachen. Dann wandere ich durch Detmold, erst entlang der Berre dann am Friedrichstaler Kanal zwischen dem Residenzschloss in der Kernstadt und dem Lustschloss Friedrichstal entlang. Dann geht es kräftig bergan und Günter, heute stellvertretender „Hermann“ für den verhinderten Landrat Axel Lehmann, und Ewald Lienen erwarten mich. Ein kurzer Ausflug auf den Sockel des Hermannsdenkmals mit glänzender Rundumsicht und schon sind Ewald und ich unterwegs nach Holzhausen-Externsteine. Rauf und runter geht es, erst zum Hangstein, zur Adlerwarte Berlebeck, dann auf dem Hermannsweg über den Kamm bis zum Abstieg nach Holzhausen-Externsteine. Wir diskutieren unentwegt: Wie begeistern wir die Menschen für das Verinnerlichen einer weltweiten Katastrophe, die bereits an unsere Türe geklopft hat? Die Zeit verging im Fluge und ich schließe Ewald tief in mein Herz ein. Dass die Sohle seines linken Wanderhalbschuhs zu Bruch ging, haben wir meisterhaft mit Schnürsenkeln provisorisch „geheilt“. Ein schöner Tag...

Michael Sänger

Ewald Lienen, Michael Sänger und Günter Weigel
treffen sich am WALK © LTM, Günter Weigel
Mit Ewald Lienen am Hermannsdenkmal © LTM, Günter Weigel

Etappe 36: Holzhausen-Externsteine – Bad Driburg

Oha, Alpakas sind plüschige Vierbeiner. Als Wanderbegleiter allerdings nur bedingt zu empfehlen. Den Anforderungen eines E1 sind sie nicht wirklich gewachsen. So wählte das Team der vier Alpakas (Julius, Pontus, Clyde und Spoty) für den Einstieg breite und asphaltierte Wege bis zu den Externsteinen. Dort angekommen interessierten sich die niedlichen Vierbeiner nur für das frische Gras. Vom mystischen Nimbus des großen Wanderwegekreuzes (hier treffen sich E1 und der R1 – der Europäische Fernradweg 1) und den sagenumwobenen Externsteinen nahmen sie keine Notiz.

Die Etappe führte mich durch das Silberbachtal hinauf auf den Lippischen Velmerstot (441 m). Es ging weiter zum Eggeturm auf dem Preussischen Velmerstot und dann, kilometerlang in völliger Einsamkeit, über den Eggekamm. Ungeheuerlich sind die Ausmaße des Baumsterbens hier oben. War es die Hitze, der Borkenkäfer und der Sturm? Oder müsste ich die Reihenfolge der Katastrophen andersherum listen? Erst der Borkenkäfer, der Sturm und dann die Hitze? Der Kamm des Eggegebirges ist unübersehbar im Wandel mit unverhofften Fernsichten für uns Wandernde und vor allen Dingen, aktuell mit reifen Brombeeren reichlich gesegnet. Einsam zieht man seines Weges, anfangs auf schmalen Pfaden und später auf breiten und teils geschotterten Holzabfuhrbahnen. Hakehütte, Rehberghütte, Knochenhütte und dann in Höhe der Ruine Iburg der Abstieg in das kleine Kurstädtchen Bad Driburg. Was für ein Wandertag!

Michael Sänger

Etappe 37:  Bad Driburg – Willebadessen mit Svenja Walter

Gestern habe ich in Bad Driburg den Staffelstab von Michael Sänger übernommen und nun liegen zehn volle und hoffentlich tolle Wandertage auf dem E1 vor mir. Vom südlichen Teutoburger Wald geht es durch den Osten des Sauerlands bis in den Westerwald.

Die heutige Etappe auf dem E1 begann überraschend im Nebel, doch schon bei meinem Frühstück an der nahe gelegenen Ruine der Iburg war die Sonne da. Die Iburg war im frühen Mittelalter eine Fluchtburg der Sachsen, – ja, die Sachsen waren hier in Nordrhein-Westfalen, – auf die sie sich bei Angriffen der verfeindeten Franken zurückzogen. Die Iburg soll außerdem ein Standort der Irminsul gewesen sein, eines der bedeutenden Heiligtümer der "heidnischen" Sachsen. Die Irminsul wird heute meist als Säule mit einer Astgabel dargestellt, die in der Vorstellung der Sachsen den Himmel wie ein Gewölbe trug. Die Franken jedoch zerstörten die Irminsul im Jahr 772 im Auftrag von Karl dem Großen.

Auf dem Kamm des Eggegebirges geht es zuerst auf breiten Schotterwegen mit losen Steinen, auf denen man irgendwie immer etwas unbequem herumeiert, dann auf schmaleren sandigen Pfaden durch Kahlschlagflächen, kilometerlang. Es ist heiß und ich nutze jeden kleinen Schatten, um kurz stehenzubleiben und hoffe auf eine kühle Brise. Vom Teutoburger Wald ist hier oben nicht mehr viel übrig. Stellenweise stehen noch die silbergrauen Stämme der Fichten in der Landschaft, aber irgendwie mag ich auch das, was da nachwächst. Es sind verschiedene steppenähnliche Gräser, Blaubeersträucher, ein paar Kiefern, Birken, Ebereschen – auch als Vogelbeeren bekannt – und dazwischen die plüschigen Blüten der Disteln und ein paar lilafarbene Heide-Farbtupfer.

Svenja Walter

Burgfried der Iburg
Frühstück auf der Iburg
Auf dem Kamm des Eggegebirges
Schattensuche
Lila Farbtupfer auf dem Kammweg

Etappe 38: Willebadessen – Marsberg

Die Landschaft auf dem Kamm des Eggegebirges war noch genau die gleiche wie gestern. Aber heute ergab sich ein komplett anderes Bild. Es hatte in der Nacht und am frühen Morgen richtig geschüttet und die Baumgerippe der toten Fichten ragten aus dem Nebel. Im Nieselregen ging es also los, eine angenehme Erfrischung zu der gestrigen Hitze. 34 km lagen heute vor mir.

Ein erstes Highlight sollten die Teutonia-Klippen sein. Mehrere 100 m wanderte ich am Rand der Klippe durch mannshohen oder wenigstens svenjahohen Farn. Obwohl ein lieber Mensch den Pfad netterweise halbwegs freigeschlagen hatte, bin ich ohne Regen komplett nass geworden durch den tropfnassen Farn. Ein kurzer Blick auf die senkrecht abstürzende Felswand offenbarte ein Trümmerfeld aus großen Gesteinsblöcken sowie entwurzelten und abgenickten Bäumen.

Es ging wüst weiter auf dem Eggeweg. Meist auf seeeehr lang gezogenen Schotterstraßen, aber zwischendurch auch auf weichen und mit Wasser vollgesogenen Trampelpfaden. Ein paar Kilometer wanderte ich mit zwei Hermannshöhen-Wanderern zusammen. Die Hermannshöhen schließen sich aus dem Hermannsweg und dem anknüpfenden Eggeweg zu einem insgesamt 220 km langen Kammweg zusammen.

Nach langer Durststrecke ohne Ortschaften kam ich an die "Eggetränke" in Blankerode: ein Kühlschrank zur Selbstbedienung mit kühlen Getränken, Eis und Schokolade. Hier wurde an alles gedacht, es gibt extra Sitzkissen und Steckdosen. Noch 15 km.

Das Sauerland begrüßte mich mit Kuhweiden, vollen Zwetschgenbäumen und niedlichen Ortschaften zwischen den Hügeln. Malerisch ragte Obermarsberg auf einem bewaldeten Hügel in der Ferne auf, unterhalb lag mein Zielort Marsberg.

Immer noch 10 km. Auf den letzten zwei Kilometern war ich meinen eigenen Wanderschritt leid, ich wollte endlich ankommen. Als könnte ich meinen schmerzenden Füßen davonlaufen, verfiel ich in einen Laufschritt, der tatsächlich etwas Entlastung für die Fußsohlen brachte. Es mag verrückt klingen, aber ich merkte, dass ich noch Energie hatte! Mit leichten Wanderschuhen, einem 26 l Rucksack und noch dazu leicht bergab trabte ich nach Marsberg. Ich hoffe, meine Füße wollen mich morgen wieder tragen ...

Svenja Walter

Nieselregen auf dem Eggegebirgskamm bei Willebadessen
Klippenweg zu den Teutonia-Klippen
Teutonia-Klippen
Im Sauerland bei Marsberg
Das Ziel Marsberg im Blick

Etappe 39: Marsberg – Adorf

Gleich zu Beginn ging es steil bergauf nach Obermarsberg. Ich war überrascht, eine richtige kleine Ortschaft dort oben vor zu finden. Es gab allerhand zu entdecken mit der Drakenhöhle, dem Buttenturm, der Stadtmauer, dem Kloster und dem Ortskern mit alten restaurierten Häusern und vielen Infotafeln über historische Begebenheiten (u. a. soll auch hier ein Standort der Irminsul gewesen sein, worüber ich schon vor zwei Tagen berichtet habe). Also Obermarsberg ist auf jeden Fall einen Ausflug wert! Danach führte der E1 ab Marsberg identisch mit dem X16 des Sauerländer Gebirgsvereins, sogar noch durch eine Viehweide, fast wie auf einer Alm. Ein letzter Blick zurück auf Obermarsberg, dann verschwand ich in vielen Kehren hinter dem nächsten Hügel.

Während einer Pause kam eine Wanderin an mir vorbei, sie ging in dieselbe Richtung und wir kamen ins Gespräch. Und siehe da: Sie wanderte auch den E1 von Nord nach Süd, etappenweise. Sie hatte noch eine lange Strecke zu gehen an diesem Tag und ich weiß nicht mal wie sie heißt, aber vielleicht sehe ich sie in den nächsten Tagen ja wieder. Sie hat nun allerdings 10 km Vorsprung.

Vier Kilometer vor dem Ziel kam mir mein Vater entgegen. Mein Elternhaus ist ca. eine Stunden Autofahrt entfernt und da er viele Jahre selbst Gruppenwanderungen ins Sauerland organisiert hat und hier fast jeden Schleichweg kennt, hat er es sich nicht nehmen lassen, mich zu besuchen. Mit 18,3 km hatte ich heute eine kürzere Etappe und wir konnten den Nachmittag im friedlichen Adorf mit hausgemachtem Schnöggel-Eis und im schattigen Biergarten des Hotels "Zur Linde" genießen.

Svenja Walter

Drakenhöhle in Obermarsberg
Stadtmauer von Obermarsberg
Über die Viehweide
Wegabschnitt kurz vor Adorf

Etappe 40: Adorf – Willingen/Upland

Die heutige E1-Etappe war ein Ausflug nach Hessen. Bereits gestern kurz vor Adorf habe ich die nordrhein-westfälisch-hessische Grenze überquert oder wie der Wirt im Hotel „Zur Linde“ in Adorf betonte, „die westfälisch-waldeckische Grenze“. Denen, die diese Grenze überqueren, bietet er in der Regel gerne einen „Waldecker Tropfen“ aus der Destillerie Kirchner & Menge in Bad Arolsen an, ein Kräuterlikör mit besonderer Zimtnote.

Dass man hier im Waldecker Land und auch im Sauerland in einer echten Wanderregion ist, merkt man u.a. daran, dass man beim Frühstück aufgefordert wird, sich etwas für unterwegs mitzunehmen. Der E1 an sich ist hier zwar nicht ausgeschildert, dafür aber sehr verlässlich der identisch verlaufende Hauptwanderweg des Sauerländer Gebirgsvereins, X16.

Meist ging es auf einsamen Schotterwegen durch sonnige Wiesen und Weiden stetig bergauf, mal links um den Berg, mal rechts herum oder manchmal oben drüber. Abgesehen von den Kühen und vielen Wildtieren wie Rehen, Blindschleiche, Raben und Greifvögeln, hatte ich die Wege für mich allein. Überlaufen ist es hier trotz der großen Anzahl an Wanderwegen wie z. B. auch dem beliebten Diemelsteig, nicht. Auf dem E1 sowieso nicht. Für Pausen boten sich immer wieder Bänke unter schattigen Bäumen an, wo ich die Ruhe und Ausblicke auf immer wieder neue Täler und Hügel genießen konnte.

Über kleine Ortschaften der Gemeinde Diemelsee mit blühenden Gärten und Bauernhöfen, dann über Rattlar und Schwalefeld gelangte ich zum Zielort Willingen (Upland), vor allem bekannt für den Wintersport, aber auch als Etappenort vieler Wanderwege. Von hier starte ich morgen die Bergetappe.

Svenja Walter

250-jährige Eiche bei Schweinsbühl
Adorf: Erinnerung an den Bergbau
Nahe Schweinsbühl im Naturpark Diemelsee
Ankunft in Willingen

Etappe 41: Willingen/Upland – Neuastenberg

Heute stand die Bergetappe an. Obwohl der Höhenunterschied zwischen meinem Startpunkt Willingen und dem Ziel des Tages, dem 841,9 m hohen Kahlen Asten, nur 291 Höhenmeter betrug, stieg ich im Laufe der Etappe unzählige Male auf und ab und kam so nach 28 km auf 800 Höhenmeter im Aufstieg und 600 im Abstieg – Wandern im Sauerland eben. ;)

Nach Willingen ließ ich den höchsten Berg Nordrhein-Westfalens rechts liegen – der Langenberg ist 2 m höher als der Kahle Asten, hat aber keinen Gipfel mit Aussicht – und stieg durch das schöne Hopecke Tal bergauf. Landschaftlich war die Etappe sehr abwechslungsreich. Nach 7 km erreichte ich die Niedersfelder Hochheide, eines von vielen Naturschutzgebieten entlang der heutigen Strecke. Hier scheint ein richtiger Wander- und Radfahrknotenpunkt zu sein. Niederländische und auch deutsche Urlaubsgäste suchten nach ihren Rundwegen und machten Pause an der Hochheidehütte.

Felsige Hohlwege, wurzelige Pfade und viele Schotterwege mit Geröll dazu der Tannenwald – es fühlte sich tatsächlich etwas an wie in den Bergen. Im Wald war es teilweise gespenstisch still. Auch so mancher Greifvogel schien hier nicht mit Menschen zu rechnen und flog erschrocken davon. 5 km vor dem Kahlen Asten wurde es nochmal spannend: das Gluckern und Rauschen des kleinen Baches Renau durchdrang die Stille, dazu das Summen von Insekten und Zwitschern der Vögel. Von einem Wiesengrund ging es plötzlich auf langen Holzstegen durch das sumpfige Bachtal.

Dann eilte ich wieder hinauf, es wurde langsam spät, die Sonne stand schon tief. Aber was für eine magische Tageszeit für meine Ankunft am Kahlen Asten! Ein unerwartetes Geschenk und eine Belohnung für den langen Marsch. Der Astenturm war heute geschlossen, aber das störte mich nicht. Der Parkplatz war leer, um kurz nach 19 Uhr kamen nur noch vereinzelt Radfahrer oder Spaziergängerinnen an. Die untergehende Sonne tauchte das Gipfelplateau in ein goldenes Licht und ich schätzte mich glücklich nur noch wenige hundert Meter absteigen zu müssen und die Nacht im DAV Haus Astenberg ganz in der Nähe verbringen zu können

Svenja Walter

Hopecke-Tal bei Willingen
Blick auf Silbach mit dem Diabassteinbruch
Renautal
Auf dem Kahlen Asten

Etappe 42: Neuastenberg – Bad Berleburg

Ich glaube, meine Highlights heute waren der kalte Eistee am Selbstbedienungskühlschrank in Schanze und die Aussicht vom Windbrachekopf. Letzterer war eigentlich nur einer von vielen Bergen an diesem Tag, aber es lag wohl vor allem auch an der Tageszeit. Ich finde am Spätnachmittag oder frühen Abend legt sich schleichend so eine Ruhe über alles, besonders an heißen Tagen, es ist eine meiner liebsten Zeiten, um draußen zu sein. Außerdem wusste ich zu diesem Zeitpunkt, dass das Ziel nicht mehr weit ist.

Fast 30 km lang führt der E1 ähnlich wie gestern durch Fichtenwald und Kahlschlagflächen im Rothaargebirge mal dichter mal lichter. Oft habe ich Waldarbeiter und Maschinen gesehen und das Krachen der stürzenden Bäume gehört. Hauptsächlich auf Schotterwegen ging es rauf und runter. Mehrere Male war ich komplett nassgeschwitzt und ließ mich oben auf den Hügeln mit Blick in das Tal vom Wind wieder trocknen. Meter um Meter stapfte ich vorwärts, hörte zwischendurch Podcast, um mich von der Hitze abzulenken und den noch vor mir liegenden Kilometern und einfach nur Strecke zu machen. Andere Wandernde erzählten mir ebenfalls wie langsam sie heute nur vorankamen, es waren immerhin 30 Grad Celsius. Die nächste Etappe wird mit 21 km etwas kürzer und ich hoffe ich kann meinen Füßen danach eine längere Ruhephasen gönnen.

Svenja Walter

Durch den Wald bei Neuastenberg
Die Orte hier Oberkirchen
bestehen vor allem aus Fachwerkhäusern mit Schiefer gedeckt.
E1 zwischen Schanze und Bad Berleburg
Schloss Berleburg

Etappe 43: Bad Berleburg – Bad Laasphe

Die 43. Etappe führte mich durch das Hügelland des Wittgensteiner Landes vom zweiten Schloss der Wittgensteiner Grafen, Schloss Berleburg, zum ersten Schloss der Wittgensteiner Grafen in Bad Laasphe.

Die Stadt Bad Berleburg wird, so die Wirtin der Schwarzenauer Mühle, auch die „Stadt der Dörfer“ genannt. 12 Dörfer bzw. Ortsteile gehören zur Stadt im Landkreis Siegen-Wittgestein, u.a. auch Schwarzenau, 10 km von Bad Berleburg entfernt. Der Wirt hat mich am nächsten Morgen netterweise wieder mit zum E1 nach Bad Berleburg genommen. Ich fragte ihn, wie er die vielen Kahlschläge auf den Hügeln rund um sein Haus sieht. Er sagte, es seien schon drastische und schnelle Veränderungen, aber es sei ihm eh zu viel Fichte geworden. Es sei nicht immer so viel Fichte angepflanzt worden, früher habe es auch noch mehr Felder und Wiesen gegeben. Jetzt sehe man, dass die Misch- und Laubwälder sich besser halten, für die Fichten sei es oft nicht der richtige Standort. Man müsse abwarten, wie sich der Wald entwickelt.

Ein weiterer entlegener Ortsteil von Bad Berleburg ist das Kirch- und Schieferdorf Raumland, ein etwas merkwürdiger Name. Eingemeisselt auf einem großen Stein stand geschrieben, dass es ursprünglich bei der ersten urkundlichen Erwähnung im 9. Jahrhundert Rumilingene hieß. Das wurde später zu Rümlande und dann zu Raumland.

Ich war heute vor allem dankbar für den Wind, der mir immer wieder etwas Kühle brachte und mich spüren ließ, dass ich noch nicht zerschmolzen war. Auf der ersten Hälfte schien es so als, würde der E1 an jeder Weggabelung den steilsten Weg nehmen. Die zweite Hälfte der Etappe führte wieder durch dünn besiedelte Landstriche und Wälder, oder das, was jetzt die erste Generation des neuen Waldes sein könnte (die aber leider noch keinen Schatten gibt).

Svenja Walter

Über die Eder bei Raumland
Am Sassenkopf
Auf dem Mittelkopf

Etappe 44: Bad Laasphe - Deuz

Heute war ein guter Wandertag. Auf den letzten zehn Kilometern wurde ich von einem Gewitter verfolgt, war deshalb flott unterwegs und kam viel früher im Zielort Netphen an als gedacht. Vielleicht lag es aber auch an Ilse.

Ilse, rechter Zufluss der Lahn, hat ein Quellwasser mit heilender Wirkung und begleitete mich für einige Kilometer als kleiner glucksender Bach. Neben mir kamen jetzt Felsen und dicke Moosteppiche zum Vorschein und ich wanderte von nun an auf schmalen teils etwas zugewachsenen Pfaden. Und leider über ein Trümmerfeld aus umgefallenen entwurzelten Bäumen und Ästen, die kreuz und quer auf dem Weg lagen. Einmal hatte ich mir einen spitzen Ast so geschickt zwischen die eigenen Beine getreten, dass es mich fast in die Luft katapultierte. Ich konnte mich gerade noch fangen. Als nach einem Kilometer immer noch kein Ende in Sicht war, überlegte ich kurz auf die Landstraße zu wechseln, aber dann hätte ich die Ilsequelle verpasst.

Nach gut der Hälfte der Etappe erreichte ich die in Steine gefasste Quelle. Bereits seit dem Mittelalter kommen Heilsuchende hierher und brachten den umliegenden Gemeinden einmal viel Geld ein. Heute kommen wohl vor allem Wandernde des Rothaarsteigs an der Quelle vorbei und füllen ihre Flaschen auf – das Wasser ist herrlich kalt! In den 80er Jahren fand man heraus, dass sich das Wasser tatsächlich physikalisch messbar von anderen Trinkgewässern unterscheidet. Das hat etwas mit der elektromagnetischen Polarisation zu tun, das Wasser der Ilse ist rechtsdrehend positiv so wie bei den Quellen in Lourdes und Sulzthal. Auch die Lahn und die Sieg entspringen übrigens im Rothaargebirge ganz in der Nähe.

Das Gewitter kündigte sich mit großen weißen Wolkentürmen und dem ersten Donner an. Ich machte mich wieder auf und marschierte die Hügel rauf und runter, das Gewitter immer direkt hinter mir. Ein seltsamer Dunst hing über allem und ließ auch die blauen Hügel in der Ferne verschwinden. Ich hatte auf einmal gar keine Lust mehr Pause zu machen. Mehrmals dachte ich, jetzt gleich ist es soweit und das Gewitter bricht über mir herein, aber ich schaffte es mit den ersten Regentropfen in den Ortsteil Deuz in Netphen.

Svenja Walter

Nahe Bad Laasphe
Im Ilsetal
Holztrümmerfeld
Erfrischend, das Wasser der Ilsequelle
Gewitterwolken noch in der Ferne

Etappe 45: Deuz – Kirchen (Sieg)

Heute stand mit 36 km, 800 Höhenmetern auf und 820 ab, meine längste Etappe an und zum Glück, muss ich sagen, war es heute den ganzen Tag bewölkt. Zur Abwechslung wanderte ich also mal durch dunkleren und vom Regen nassen Wald. Startpunkt war der Alte Bahnhof in Deuz, einem Ortsteil von Netphen, im Siegen-Wittgensteiner Land. Mein Zielort, Kirchen an der Sieg, liegt dann schon in Rheinland-Pfalz im Westerwald.

Nach ca. 12 km erreichte ich die Stadt Siegen mit ihrem Oberen und Unteren Schloss. Eher aus Versehen ging ich einen extra Schlenker durch die Altstadt und dann wieder planmäßig auf dem E1 mitten durchs Stadtzentrum, wo gerade das Stadtfest begann.

Zurück im Wald wurde es anstrengend, einerseits wegen der steilen Anstiege, andererseits hatte ich meinen Rhythmus und meine Energie irgendwie bei der Pause und dem Wirr-Warr der Stadt verloren. Gleich nach dem ersten Anstieg musste ich wieder Pause mache. Leider nicht in Bestform heute, stellte ich fest. Danach allerdings wanderte ich einfach Kilometer um Kilometer weiter, langsam aber stetig. Heute wollte ich das Wandern nicht durch Pausen noch mehr in die Länge ziehen.

Als ich aus dem Wald an die ersten Häuser von Oberschelden kam, sprach mich direkt ein Anwohner an und fragte, ob ich auch den Fernwanderweg wanderte. Ich erzählte von unserer Initiative „12 Wege - 1 Europa“ und der E1-Staffel wie jeden Tag, wenn ich auf meine Wanderung angesprochen werde. Dass ich jedoch direkt auf den E1 angesprochen werde, kommt selten vor. Er habe im Mai schon jemanden hier getroffen, der zum Nordkap wanderte. Da der E1 direkt an seiner Haustür vorbeiführt, wolle er auch eines Tages mal losgehen und einfach dem Weg folgen.

Um kurz vor 19 Uhr erreichte ich nach einem langen steilen Abstieg die Sieg in Freusburg, noch 3 km – wieder hoch! Klar, das schaffte ich jetzt auch noch! Völlig erschöpft aber glücklich kam ich im Hotel „Zum Weißen Stein“ an, das mich mit einem alpenländischen Flair empfing. Unsere E1-Staffel ist im Westerwald angekommen!

Svenja Walter

Zwischen Deuz und Siegen
Stadtzentrum Siegen
An der Sieg
Freusburger Mühle an der Sieg

Etappe 46: Kirchen (Sieg) - Daaden

Schon vom Frühstückstisch aus hatte ich die Westerwälder Höhenzüge im Blick, durch die ich heute wandern würde. Von Kirchen aus ging es zuerst runter in den Ortsteil Herkersdorf und dann steil hinauf zum Druidenstein. Dieses geologisch interessante Naturdenkmal ragt 20 m hoch auf wie ein Kegel und entstand vor etwa 25 Millionen Jahren nach einem Vulkanausbruch. Vermutlich ist der Druidenstein schon von den Kelten als religiöse Stätte genutzt worden. Im 30-jährigen Krieg trug man die Spitze des Basaltkegels ab, um so weniger gut von den Feinden ausgemacht werden zu können. Seit einem heftigen Blitzeinschlag 1979 stützen sechs Stahlbetonbalken den Druidenstein.

Passend zur Halbzeit der heutigen etwas kürzeren Etappe gab es ein Eis in Herdorf bevor ich mich zu meinem letzten Berg aufmachte. Langsam kam Abschiedsstimmung auf, denn heute war meine letzte Etappe auf dem E1 und auf dem Hohenseelbachskopf bei Daaden verließ ich dann den E1 an einer kleinen Kreuzung im Wald. Hier wird morgen Jarle Sänger übernehmen und weiter Richtung Süden laufen.

Es war eine tolle Erfahrung für mich, denn bisher war ich noch nie 10 Tage am Stück wandern. Ich bin stolz auf meine Füße, die längst aufgehört haben, mich zum Aufhören überreden zu wollen, wie noch am zweiten und dritten Tag und froh, dass sie jeden Tag wie selbstverständlich weitergegangen sind. Außerdem bedeutet es mir viel, die gegenwärtigen Veränderungen in der Natur mit eigenen Augen zu sehen und zu erleben. Ich werde die blühenden Gräser in Erinnerung behalten, das magische Licht auf dem Kahlen Asten bei Sonnenuntergang und wie weit mich meine Füße tragen können.

Svenja Walter

Der Druidenstein
Abschnitt vor Herdorf
Blick auf Herdorf
Aufstieg zum Hohenseelbachskopf

Etappe 47: Daaden – Bad Marienberg mit Jarle Sänger

Endlich geht es für mich, den fünften Läufer des E1-Teams, auf die Strecke zwischen Padborg und Kreuzlingen. Den Staffelstab hatte ich am Bahnhof in Daaden von Svenja übernommen, dann ging es erst einmal ein paar Kilometer hinauf auf einen Höhenzug. Oben angekommen dann das erste E1-Logo, es konnte losgehen! Von Daaden nach Montabaur, in drei Tagen quer durch den Westerwald.

Hier oben ist es überraschend aussichtsreich, leider bedingt durch den Borkenkäfer, der im trockenen und heißen Wetter sowie der letzten Jahre sowie dem Nadelbaumbestand eine Spielwiese gefunden hat. Irgendwie deprimierend, teilweise sind hektargroße, zuvor zusammenhängende Waldgebiete einfach weg. Wo soll das noch hinführen? Die Sonne brannte pausenlos auf mich herab, das schlauchte schon früh am Tag. Dann kam ich zu den Trödelsteinen und traute meinen Augen nicht: Hier war ich vor über zehn Jahren schon mal! Erkannt habe ich die spannende Felsformation – oder sagen wir den eindrucksvollen Steinhaufen – von unten nicht. Früher war der Aussichtspunkt mit Gipfelkreuz und -buch vollkommen im Wald gelegen. Heute prangt das Kreuz auf einer freien Fläche.

Es ging weiter durch Lippe, Weißenberg und später durch Salzburg, Hof und Willingen – sagt mal, klauen die Westerwälder die Ortsnamen oder werden sie beklaut? Zwischendurch lief ich auf der Westerwald-Variante des Rothaarsteigs, dessen Auftauchen mich zuvor noch überrascht hat. Ein Rothaarsteig im Westerwald? Spannend, diese Variante kannte ich gar nicht. Dass der Rothaarsteig um einige Jahre jünger ist als der E1 ist auch hier an der Routenführung zu sehen, immer mal wieder lief ich dem Rothaarsteig und nicht dem E1 nach, die sich nach ein paar hundert Metern wieder trafen. Der eine über Wiesen und Pfade. Der andere über Asphalt. Da fiel die Wahl nicht schwer.

Im weiteren Verlauf dominierte die Westerwälder Wiesenlandschaft, fast pausenlos Blicke und Weitsichten auf den Hügelteppich. Ich lag auf Gräsern und Moosen, saß auf Bänken und Steinen und ließ mir Zeit. Und die pralle Sonne schien und schien und schien. Nur am Ende wurde es wirklich mal schattig, die urwaldartige Bacher Lay ist ein tolles Flusstal mit eindrucksvollen Basaltformationen und der quirligen Schwarzen Nister als Hauptdarstellerin. Ein schönes Finale.

Am Ketzerstein
Aussicht von den Trödelsteinen
Schild mit Nostalgie
In der Bacher Ley

Etappe 48: Bad Marienberg – Freilingen

Es war heiß, so unsäglich heiß! Und das am frühen Morgen. Wie gut, dass es zunächst durch schattigen Wald ging, ehe ich den Großen Wolfstein erreichte. Eine dieser vielen Gesteinsformationen, die aus dem Boden geschält scheinen. Hier traf ich auch einen Altbekannten wieder: Der WesterwaldSteig begleitete mich ein Stück. Hinab nach Unnau und einmal durch, danach genoss ich den wohl schönsten Blick auf meinen bisherigen Touren über das Tal der Großen Nister – was für ein Panorama! Die Sonne brannte zwar unermüdlich, doch das war bei dem Blick eher nebensächlich.

Danach ging es hinab zur Großen Nister, die erstaunlich viel Wasser führte und förmlich nach einer Abkühlung schrie. Ein paar Mal das Wasser ins Gesicht geschüttet und schon ging es durch den Geburtsort unserer Wandermagazin-Kollegin Janina Seiler, dem kleinen Hirtscheid. Hallo! Es folgte ein sehr zähes Stück auf Asphalt und stets bergauf, das nach einigen Kilometern ziemlichen Frust entstehen ließ. Doch dann erreichte ich den Gräbersberg. Hier oben steht ein zwar ziemlich unschöner, aber gewaltiger Aussichtsturm. 197 Stufen gilt es zu bewältigen, der Blick von oben ist grandios und belohnt die Plackerei. Das 360°-Panorama über den Hügelteppich des Westerwaldes, das ist ein Ausblick wie er im Buche steht! Am Fuße des Turms steht die Alpenroder Hütte, hier gönnte ich mir ein großes Bier und zog dann weiter.

An einem Abzweig in der Nähe trennten sich WesterwaldSteig, der zuvor an der Alpenroder Hütte wieder zu mir stieß, und der E1. Der E1 auf Asphalt und breiten Wegen verlaufend, konnte mich mit Blick auf die Karte einfach nicht überzeugen, so wählte ich die Variante über den Westerwaldsteig, der mich mit traumhaften Wiesenpassagen, wunderschönen Pfaden entlang von Waldrändern, Bachtälern und durch wildwüchsigen Wald fast dauerhaft bei Laune hielt. Was anfänglich nur bis zum nächsten Zusammentreffen mit dem E1 als ca. 500 m langer Abstecher geplant war, sollte sich als großräumige Alternativroute bis nach Dreifelden entpuppen. Die Entscheidung war genau richtig! Mein Tipp: Zwischen Alpenroder Hütte und Dreifelden: Wechselt auf den WesterwaldSteig! Beide Wege führen wieder zusammen.

Bei meiner Ankunft in Dreifelden war es schon recht spät und über dem Dreifelder Weiher legte sich bereits die Abendstimmung. Die Zeit der Vögel, Enten und anderem Kleintier, die mit dem täglichen Verschwinden der Menschen in den Abendstunden zu ihrem Höhepunkt auflaufen. Vorbei an einem tollen Waldspielplatz für Kinder, an dem ich selbst schon einen halben Tag mit meiner Cousine verbrachte, erreichte ich letztlich Post- und Brinkenweiher. Die Sonne wurde schwächer, die Ruhe intensiver. So verbrachte ich noch einige Zeit am abendlichen Wasser, ehe ich die letzten Meter nach Freilingen anging. Was für ein schöner Wandertag.

Jarle Sänger

Am Großen Wolfstein
Die Große Nister rauscht dahin
Ein richtig toller Wandertag
Abendliche Stimmung am Brinkenweiher

Etappe 49: Freilingen – Montabaur

Endlich: Am frühen Morgen hatte es geregnet und es war angenehm kühl. Der Himmel trist und grau, aber ich sollte trocken bleiben und die kühle Temperatur – gemessen an den Vortagen – genießen. Von Freilingen ging es abwechselnd durch schattigen Wald und offene Hochflächen ohne größere Highlights, die Landschaft wurde zahmer als noch die Tage zuvor und der Hügelteppich flachte ab. Die Blicke reichten nicht mehr überall so weit.

Der jüdische Friedhof von Maxsain, den ich später passierte, ist wunderschön. So friedlich, so mystisch. Weiter ging es dann über teilweise verwunschene Waldpfade nach Selters, dem Gründungsort des Westerwaldvereins, der für die tolle Markierung des E1 im Bereich des Westerwalds verantwortlich ist. An der Oberwaldhütte werden sogar die E1-Wanderer auf einer Infotafel gegrüßt. Danke an dieser Stelle!

Es folgten eher zähe Waldpassagen auf breiten Wegen, in denen es manchmal kilometerlang keine Kurve gab. Schön wurde es wieder über Wirges, wo sich ein toller Blick auf den Ort sowie den Westerwälder Dom auftat. Etwas höher noch steht die Steimelkapelle inmitten des Waldes, wunderschön eingerahmt von zwei mächtigen Bäumen. Ein überaus friedlicher und malerischer Ort. Durch ein weites Flusstal, noch einmal durch Wald und dann eine weitere, abschließende Asphaltplackerei bis zum wunderschönen Schloss Montabaur, das hoch über dem Ort thront und das Ende meiner Etappe darstellte.

Jarle Sänger

Die hübsch eingerahmte Steimelkapelle
Wunderschönes Licht auf dem E1

Etappe 50: Montabaur – Balduinstein mit Manuel Andrack

Die Staffelübergabe mit Jarle am Schloss von Montabaur ist sehr ergreifend. Esoterisch, spirituell, quasi eine E1-Seelenwanderung. Bis die Übergabe-Szene im Kasten ist, braucht es seine Zeit. Kein Wunder bei solch einer Seance. Schaut euch bitte die Outtakes im Instagram-Archiv an. Sehr lustig. Ich finde, Montabaur ist ein toller Etappenstartort. Super Schloss, tolle Fachwerk-Altstadt, schöne Parkwege bis zum Stadtwald.

Erstes Highlight am Weg: Der Gipfel des Köppel mit Turm und Köppelhütte. Man muss vom E1 einen Abstecher zum Köppel machen, aber das lohnt sich sehr. Auch ohne Turmbesteigung weite Blicke in den Westerwald („dank“ Klimawandel). Und super Einkehr in der Hütte: Eiskalte Westerwälder Bierspezialitäten aus Hachenburg. Regionale Spezialität ist der Aschenbraten. Der 540 Meter hohe Köppel ist der höchste Punkt. Danach geht es auf Forstwegen bergab.

Zwei junge Männer fahren mit einem roten Trecker an mir vorbei, auf einem Hänger haben sie Holzlatten geladen, die wollen eine Bank aufbauen. An der nächsten Kreuzung halten sie an. Als ich heranwandere, ist die Frage ob ich wüsste, wo der Grosse Herrgott sei. Himmel hilf,sind die irgendwo ausgebrochen Nein, die beiden suchen den Wanderparkplatz Großer Herrgott. Achso.

Ich wandere durch den Ort Welschneudorf. Wallonische Migranten siedelten sich dort nach dem 30jährigen Krieg an und gründeten ein neues Dorf. So entstehen Ortsnamen. Es zieht sich dann etwas, aber kurz vor Ende der Etappe kann ich beglückt rufen: Lahn(d) in Sicht. Und Nassau in Sicht. Nassau (Lahn), nicht Nassau (Bahamas). Bitte bloß nicht verwechseln.

Staffelübergabe am Schloss Montabaur 
Gerahmte Sicht auf Montabaur
Blick über den Westerwald

Etappe 51: Nassau Balduinstein

Start in der Weltstadt Nassau. Kein Witz: der Stadtname Nassau findet sich auf allen fünf Erdteilen. Dank an die dynastische Kraft der Nassauer. Am Werksverkauf von Leifheit (die mintgrüne Produktionshalle dominiert leider das Lahntal bei Nassau) kaufe ich mir einen Staubsauger für die Wanderung. Ich hasse schmutzige Wanderwege.

Ich wandere heute übrigens auf dem Lahnwanderweg, der zwischen Nassau und Balduinstein wunderschön und unglaublich abwechslungsreich ist. Ich sehe mich nicht nur als E1-Wanderer, sondern auch als E1-Bessermacher. Und der E1 sollte im Lahn-Abschnitt unbedingt auf den Qualitätsweg umgelegt werden.

Man merkt auf den Wegen deutlich, dass das Lahntal zum Rheinischen Schiefergebirge gehört - jede Menge Felsenwege, Kletterpassagen, abgesichert über Drahtseile. Es geht über Stahlleitern, das sind alpine Herausforderungen. Besonders krass der Aufstieg zum Goethepunkt. Niemals ist der Dichter- und Wanderfürst diesen Weg hochgekraxelt. Der alte Angeber hat doch mal behauptet, er wäre – im Liebesrausch – 42 Kilometer in 6 Stunden gewandert. Ja ja, schon klar, Johann.

Zur Mittagspause im Laurenburger Imbiss fühle ich mich wie zu Hause. Es weht die Fahne des 1.FC Köln, ich trinke ein Kölsch, dazu gibt es Currywurst.

Noch 9,5 Kilometer bis zum Etappenziel in Balduinstein. Diesen Abschnitt bin ich schon mal gegangen, andersrum. Deshalb weiß ich: Das wird hart, weil noch zwei knackige Auf- und Abstiege kommen. Erst am Aussichtspunkt Gabelstein kann ich langsam auf Feierabend-Modus umstellen. An dieser Hütte (und später an der Hütte auf dem Saukopp) sieht man mal wieder, wie großartig das Lahntal ist. Ehrlich gesagt, ein wenig unterschätzt. Mosel und Rhein haben in der Region die Nase vorn. Aber das Lahntal lohnt sich sehr!

Manuel Andrack

Produktionshalle Leifheit
Laurenburg
Kloster Arnstein
Lahnblick

Etappe 52: Balduinstein – Berghausen

Ich starte in Balduinstein und sage der Lahn Goodbye. Was für ein Burgen-Ensemble, erst Balduinstein, dann die imposante Schaumburg. Und die liegt schon im Taunus.

Heute, Morgen und übermorgen werde ich den Taunus durchwandern. Um das vorwegzunehmen: Gegen Ende der heutigen Etappe werde ich einen Ausblick auf den Grossen Feldberg genießen. Übermorgen bin ich dort auf dem Gipfel! Diesen Fernblick ermöglicht mir ein Fernglas, das an einem Draht befestigt ist, sensationell! 

Sehr süß ist die kleine Katze, die uns nach zwei Stunden über den Weg läuft. Das passt irgendwie, denn wir sind ja in der Nähe von Katzenelnbogen.

Ein großartiges Highlight ist die Burg Hohlenfels, die überraschend auftaucht. Sehr merkwürdig ist eine Brückenkonstruktion, die ins nirgendwo zu führen scheint. Es handelt sich um eine 100 Jahre alte Schutzabdeckung gegen eventuell herunterfallende Steine einer Seilbahn. So etwas habe ich noch nie gesehen.

Sehr liebevoll sind die Info-Tafeln am E1 gestaltet, die die regionale Bedeutung des Weges hervorheben. Wunderbar ist die Anekdote von E1-Wanderer und Opernsänger Rudolf Schock und wo er auf Toilette gegangen ist. 

Manuel Andrack

Burg Hohlenfels
Die Katze von Katzenelnbogen
Die Anekdote von Rudolf Schock
Großer Feldberg in Sicht

Etappe 53: Berghausen – Idstein

Der Herbst steht vor der Tür, das erste Mal starte ich (vom Hotel in der Nähe von Katzenelnbogen) im Frühnebel. Sehr stimmungsvoll.

Einige Kilometer später schaue ich intuitiv auf meine GPS-App – und siehe da, ich stehe genau auf der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen. Und die ist wirklich spürbar.

Kurz darauf Ortsdurchquerung von Aarbergen. Der Ort wird dominiert durch die ehemalige Fabrik Passavant, Hersteller von Kanalisationsartikeln. So was wird natürlich immer gebraucht. Sehr kurios ist, dass der E1 quer über das Fabrikgelände führt.

Mittagszeit, ich muss einen Fehler eingestehen. Eine Mittagseinkehr wird es nicht geben, die einzige Gastronomie im Ort öffnet erst um 18:00. Die sphärischen Klänge eines Kirchenliedes schallen durch Hennethal. Am Gemeindehaus sagt der Priester Amen, direkt danach beginnt das Dorffest. Kein Hunger und Durst mehr! Highlight des Dorffests ist ein Entenrennen im Bach. Meine Ente wird dritte. Ich gewinne zwei Flaschen Wein. Mein Gepäck wird nicht leichter. 

13 Kilometer später erreiche ich Idstein. Vorfreude ist groß, morgen geht es auf das Dach des Taunus.

Manuel Andrack

Genau auf der Grenze zwischen Rheinland-Pfalz und Hessen
Zieleinlauf beim Entenrennen in Hennethal
In Aarbergen führt der E1 über das Firmengelände
von Passavant 
Neben den Waldautobahnen für Wandernde, 
gibt es natürlich auch noch den Klassiker zu sehen.

Etappe 54: Idstein – Oberursel

Start zur Taunus-Königsetappe am Hexenturm (der übrigens als Wachturm gebaut wurde, den Namen „Hexenturm“ erhielt das Bauwerk erst um 1900 herum von Bibi-Blocksberg-Fans) in Idstein.

Dann geht immer ein wenig bergan, aber auch lange Passagen und eben oder bergab. Immer wieder kommt der markante Gipfelturm des Großen Feldbergs in Sicht.

In Glashütte befinde ich mich schon auf über 500 Höhenmetern. Ich wandere ein kurzes Stück auf dem Waldglasweg, markiert mit bunten Glaswegweisern. Irre, habe ich noch nie gesehen. Hinter den ehemaligen Waldglashütten zweigt der Forstweg Richtung Gipfel ab. 200 Höhenmeter auf geschotterten Wegen brutal steil bergan. Lieber Taunus, wie wäre es mal mit Serpentinen?

Die letzten zwei Kilometer bis zum Gipfel sind genial. Wunderbare Wege mit annehmbarer Steigung. Die Quelle der Weil und die Ausgrabungen eines Dorfes aus römischer Zeit. Denn von kurz hinter Idstein wandere ich eigentlich die ganze Zeit auf dem Limes. Dann endlich Gipfel, 882 Höhenmeter, höchster Punkt auf dem deutschen E1 seit Flensburg.

Hinter dem Feldberg-Gipfel geht es noch einmal hinauf: Auf den Altkönig, 798 Meter, den schönsten weil naturbelassenen Gipfel des Taunus. Im Abstieg ist schon gut die Skyline von Frankfurt zu erkennen. Ziel ist in Oberursel. Ich bin kaputt, aber glücklich, die Taunus-Herausforderung gemeistert zu haben.

Manuel Andrack

Da geht's rauf – Große Feldberg in Sicht
Schöner Teil des Aufstiegs über einen Pfad 
Waldglasweg Wegmakierung
Gipfelkreuz auf dem Großen Feldberg
Blick in den Taunus

Etappe 55: Oberursel – Frankfurt-Sachsenhausen

Durch Wälder und über Felder bin ich heute Vormittag Richtung Frankfurt gewandert. Immer wieder habe ich in den Rückspiegel geschaut, denn ich habe dort Altkönig und dahinter den Großen Feldberg gesehen. Ich bin stolz, diese beiden Taunus-Giganten bezwungen zu haben. 

Beim Blick nach vorne ist nicht nur die Skyline von Frankfurt spannend, sondern auch die Kette von Flugzeugen, die den Flughafen ansteuern.

Im Frankfurter Westend verläuft der E1 durch eine Einkaufspassage. Eine neue Wander-Erfahrung. Da der E1 mitten durch Frankfurt verläuft, durch Parks, Bankenviertel, Gründerzeitbauten-Straßen, strapaziert der Weg schon ein wenig die Nerven des naturliebenden Wanderers. 

Daher habe ich einen kleinen Abstecher auf den Grüngürtelwanderweg gemacht, der natürlich den E1 kreuzt. Ein sehr erlebnisreicher Stadtwanderweg, der vor einigen Jahren vom Wandermagazin zu Deutschlands schönstem urbanen Weg gekürt wurde. Zu recht. Wäre doch eine schöne Alternative, den E1 auf den Grüngürtelwanderweg zu verlegen. Oder?

Manuel Andrack

​​​​​​Etappe 56: Frankfurt-Sachsenhausen – Dreieich

Früher startete das legendäre Radrennen „Rund um den Henninger Turm“ an eben diesem Brauerei-Turm. Heute starte ich meine persönlich letzte Etappe auf dem E1 am Henninger Turm.

Schnell habe ich den Frankfurter Stadtwald im Süden der Main-Metropole erreicht. Für Familien ist eine Wanderung im Stadtwald sehr lohnend, es gibt sechs Waldspielparke, das sind gigantische Kinderspielplätze.

Ich überquere die A3, achtspurig. Das ist eine echt verrückte Idee, weite Wege nicht zu Fuß zurückzulegen.

Dann geht es ungefähr 10 Kilometer durch ausgedehnte Wälder über breite Forstwege. Die urige Verpflegungshütte am Golfplatz rettet mich vor dem Verdursten.

Auf einer Anhöhe kurz vor Dreieichenhain steht eine große Kunst-Installation, eine lichte und luftige Pyramide aus vielen vertikalen Stahlrohren. Das Ganze, finde ich, ist etwas verkopft, Es soll eine Sichtachse zum Frankfurter Messeturm hergestellt werden. Ich feiere eher die Sichtachse zum Großen Feldberg, den Gipfel habe ich vor 48 Stunden auf dem E1 gestürmt.

Ich erreiche das Etappenziel, die sehr schöne Burg Hayn in Dreieichenhain. Ich übergebe feierlich (kniend) den E1-Staffelstab an Ritter Thorsten den Bärtigen. Er verspricht, die Mission fortzuführen. 

Manuel Andrack

 

Start am Henniger Turm in Frankfurt am Main
Etappenziel: Burg Hayn
Sonnenmoment im Frankfurter Stadtwald
Staffelübergabe an Thorsten Hoyer

Etappe 57: Dreieich – Darmstadt-Ost mit Thorsten Hoyer

Gestern bin ich in Dreieichenhain angekommen, vom Bahnhof durch das Stadttor in den historischen Ortskern mit den schönen Fachwerkhäusern spaziert und stand an der Burgruine Hayn – nicht ganz unvermittelt – Manuel Andrack gegenüber. „Ritter Wander-Thorsten“ begrüßte er mich und fiel vor mir auf die Knie. Wow – so wurde ich noch nie begrüßt. Aber ist ja auch klar: noch nie habe ich zum dritten Mal einen Staffelstab in Empfang genommen, schon gar nicht so einen besonderen! Ja, ich bin wieder an der Reihe und mache mich auf den Weg – auf „unseren“ E1!

War es gestern noch schwül-warm, hat es in der Nacht gewittert und ordentlich geregnet. Heute Morgen als ich vor das Hotel trete ist die Luft frisch, der Asphalt nass und über dem Taunus hängt eine dicke Wolkendecke in den unterschiedlichsten Grautönen. Wie gemalt und irgendwie schön. Und auch ein wenig respekteinflößend, wenn man sich zu einer Wanderung aufmachen will. Dann gucke ich eben in die andere Richtung, da wo der Odenwald sein muss, denn dort ist der Himmel blau inklusiv Sonnenschein.

Hinaus aus Dreieichenhain und hinein in den Wald mit sehr schönen Spazierwegen für gestresste Stadtmenschen und deren Hunde. Ganz schön viel los, aber irgendwann finde ich eine Lücke und gebe Wandergas, um neben der A661 durch den weiterhin schönen Wald zu wandern. Kurz vor dem Ludwigsbrünnchen, einer gefassten Quelle, die mir heute kein Wasser spenden will, stehe ich vor der Mathildenruh, einer Sitzbank, die an die bayerische Königstochter Mathilde Karoline Friederike Wilhelmine Charlotte von Bayern erinnern soll. Die Bank ist pitschnass, Ruhe hätte einen nassen Hintern zur Folge. Ich verzichte und wandere weiterhin durch Wald zur Dianaburg. Die im Jahr 1765 errichtete „Burg“ hielt nicht lange, verfiel und wurde abgetragen. Seit 1836 steht hier nun ein schlichter Pavillon und wer sich traut, kann nach dem Waldbaden hier eine Waldhochzeit feiern. Im Anschluss können die Getrauten dem E1 zum Jagdschloss Kranichstein folgen und für das rauschende Fest Wanderschuhe gegen adäquate Fußkleidung tauschen. So ähnlich habe ich’s gemacht, also als Trauzeuge. Das Oberwaldhaus am Freizeitzentrum Steinbrücker Teich lockt bei echtem Wandertraumwetter mit schönem Biergarten. Beim Nächsten Mal, denn ich habe ein „Date“ im nahen Darmstadt. Fast auf den Tag genau bin ich 24 Jahre Trauzeuge …

Meine Empfehlung: Eine kurzweilige Wanderung mit gleich mehreren schönen Einkehrmöglichkeiten. Von Darmstadt in wenigen Minuten mit dem Zug nach Dreieichenhain und ab geht’s auf 18 km E1!

Thorsten Hoyer

Das Ludwigsbrünnchen nahe Engelsbach
Herrliche Waldpassagen sind keine Seltenheit
Wer sich traut, kann sich hier trauen lassen
– Jagdpavillion Dianaburg
Jagdschloss Kranichstein

Etappe 58: Darmstadt-Ost – Lautertal/Odenwald

Der Tag fängt mit einem kleinen Zusatzbogen an, allerdings völlig freiwillig durch den Park Rosenhöhe. Nicht, weil er mir unbekannt wäre, sondern ganz im Gegenteil, ich finde es dort sehr schön. Blumig geht’s weiter: ich passiere den Botanischen Garten und passenderweise eine Kleingartenanlage. Hier weist mich die E1-Markierung in den Wald – zusammen mit dem Kotelettpfad. Kein Scherz, hier pilgerten einst die Darmstädter (sicher auch Darmstädterinnen) nach Roßdorf, um sich dort die angeblich schmackhaftesten Koteletts der Region einzuverleiben. Ein 7-km-Spaziergang macht halt hungrig. Kurz darauf knickt der Weg Richtung Fleisch ab, Vegetarier können also unbesorgt weiter wandern.

Links des Weges liegt die Darmquelle. Ich habe nie darüber nachgedacht, warum Darmstadt „Darmstadt“ heißt. Jetzt weiß ich es. Wandern macht schlau. Ich komme an einem Naturfriedhof vorbei, der direkt an einen Golfplatz grenzt. Ich bin schon auf Wegen unterwegs gewesen, wo Wandernde mittels Warnschildern vor Golfbällen gewarnt werden. Ein Friedhof ist sozusagen die Steigerung. Kurz vor Ober-Ramstadt spaziere ich aus dem Wald und habe einen wunderbaren Blick auf den Odenwald. Der Modau (nicht Moldau, in dem Fall wurde irgendwann irgendwo falsch abgebogen) folge ich durch das Städtchen und bewältige meinen ersten Anstieg seit gestern. Der Odenwald heißt mich Willkommen.

Der E1 führt mich durch herrliche Mischwälder – auf schnurgeraden und mit Splitt versehenen Wegen bis nach Frankenhausen. Damit lasse ich den Wald vorerst hinter mir und wandere stetig leicht ansteigend durch eine offene Landschaft mit großartigen Fernsichten bis zum Taunus und der Frankfurter Skyline. Nur blöd, dass ich jetzt auf asphaltierten Wirtschaftswegen unterwegs bin. Die Schilder mit dem Hinweis der Nutzung nur für land- und fortswirtschaftliche Fahrzeuge sind schmückendes Beiwerk.

Am Himmel türmen sich graue Wolken auf, die bald dem Schwarz der neuen Asphaltdecke Konkurrenz machen. Ein paar Mal donnert es zwar, aber abgesehen von ein paar erfrischenden Regentropfen, bleibt es trocken. Auf der Höhe angekommen, schaue ich auf eine schwungvolle Hügellandschaft aus Wiesen, Wäldern und Siedlungen. Jetzt sind es nur noch ein paar Schritte zu meinem Quartier, dem Hotel-Restaurant Kuralpe.

Thorsten Hoyer

Einfach mal nachdenken
Mit Erreichen des Odenwalds ist das Rhein-Main-Flachland vorbei
Blick auf die Skyline von Mainhatten
Zwischen Nord- und Bodensee

Etappe 59: Lautertal/Odenwald – Birkenau

Die heutigen 27 km werde ich nicht alleine wandern, sondern in Begleitung von Kornelia Horn. Sie ist Geschäftsführerin der Odenwald Tourismus GmbH und liebt „ihren“ Odenwald sehr. Das merke ich spätestens, nachdem wir uns einen langen kräftigen Anstieg – mit denen der Odenwald nicht geizt – hinauf zum Felsenmeer gearbeitet haben. Hier stehen wir vor mächtigen Felsbrocken, die sich zwischen riesigen Bäumen verteilen. Das alles ist aber nur schemenhaft zu erkennen, denn dichter Nebel verwischt die Konturen der Felsen und Bäume. Ich bin völlig begeistert, es sieht einfach wunderbar und mystisch aus. Was für ein Gegensatz zu den vergangenen Sommersonnenmonaten! Kornelia erzählt mir davon, wie die Römer hier einst die Felsen brachen, bearbeiteten und abtransportierten. Das ist ja nun doch schon eine ganze Zeit her und fast schon ein Wunder, wie sie das meisterten. Aber so oder so, das Felsenmeer ist nicht nur bei herrlichem Nebelherbstwetter beeindruckend. Auch bei Sonnenschein und irre hohen Temperaturen, denn der alte Laubmischwald bietet Schatten und kühlt die Lufttemperatur deutlich herunter. Es beginnt zu nieseln.

Zu Füßen des Felsenmeeres liegt die Ortschaft Reichenbach. Wer Lust verspürt, sich an einen mittelalterlichen Pranger zu stellen, hat hier die Möglichkeit. Kornelia bietet es mir an, aber höflich gehe ich nicht weiter darauf ein. Ich weiß: Spielverderber. Ich bitte um Nachsicht. Apropos Nachsicht: die hatte Petrus nicht und ließ bald ordentlich Regen auf uns nieder. Der guten Laune und unseren spannenden Gesprächen tat das keinen Abbruch, denn unübersehbar hat der Wald eine gewaltige Durststrecke hinter sich. Kornelia macht mich auf die Schäden aufmerksam, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Dazu ist u.a. ein Blick in die Kronen der hiesigen mächtigen Buchen nötig. Dabei aber bitte stehenbleiben – der doch relativ hohe Pfadanteil des E1 im Odenwald erstaunt mich. Da habe ich schon anderes unter den Sohlen gehabt. Mir gefällt die Wanderung sehr. Dichter Mischwald, Lichtungen, Waldsaume, die Aussichten auf Täler und Höhen – klasse Tour!

Wir erreichen Birkenau dann auch schon wieder bei strahlendem Sonnenschein und ich bin dankbar, dass ich noch nach Weinheim chauffiert werde (vielen Dank!). Die beiden Orte liegen nur knapp 5 km auseinander und dort wartet die Unterkunft auf mich. (Zwischen Birkenau und Weinheim verkehren aber auch Züge.)

Begegnung des Tages: ein prächtiger Feuersalamander (von der Größe hatte ich bislang noch keinen gesehen)

Thorsten Hoyer

Mystische Stimmung am Felsenmeer
Das Felsenmeer ist ein beliebtes Ausflugsziel im Odenwald
Der Feuersalamander freut sich über das feucht kühle Wetter.
Das Schloss in Birkenau

Etappe 60: Birkenau – Heidelberg-Ziegelhausen

Der heutige Tag beginnt mit einer Ausnahme: ich starte so zeitig, es ist sogar noch dunkel. Gestern stieg ich am alten Rathaus in Birkenau aus und da stehe ich nun wieder und lasse die Atmosphäre auf mich wirken. Das mittelalterliche Fachwerkgebäude sieht jetzt noch ein bisschen romantischer aus. Es dauert nicht lange, bis mich ein kräftiger Anstieg ins Schwitzen bringt. Wie gestern, sind es stattliche Mischwälder, durch die ich wandere. Und dass abermals überraschend, immer wieder auf naturnahen Wegen und Pfaden.

Oberhalb von Buchklingen führt der E1 in einem Bogen um das Dorf mit der rustikalen Kirche St. Michael. Es folgen wieder dichte Wälder, offene Flächen und ein paar Dörfer, in denen ich an diesem frühen Sonntagmorgen keinen einzigen Menschen begegne. Dagegen ist im Naturfreundehaus Kohlhof schon reger Betrieb, durch die großen Fenster kann ich sehen, dass das Haus gut besucht ist. Zumindest herrscht im Frühstücksraum Trubel. Der war wohl auch gestern vorm Haus. Hier und da stehen Flaschen und liegt verlorene Kleidung. Wahrscheinlich schleichen auch ein paar Kater hier rum.

Ich atme tief ein und spüre die frische kühle Luft. Eine Wohltat. Dem Wandern durch die Ortschaft Wilhelmsfeld schließt sich eine nächste Steigung an – hinauf zum Schriesheimer Kopf, dessen Gipfel ein Aussichtsturm krönt. Da die Fernsicht allerdings gen Null tendiert, gehe ich nicht in die Luft und setze meinen Weg fort. Bis auf ein paar überschaubare Anstiege, geht’s für mich jedoch nur noch abwärts. Die Pfade und schmalen Wege weichen allmählich breiteren Forstwegen, die zum Strecke machen animieren. Nach längerem Abwärtswandern treffe ich in Heidelberg-Ziegelhausen ein.

Auf dem Weg zum Bahnhof hält mich vor dem Queren des Neckars ein Schild auf und lässt mich wissen, dass ich hier auf den Europäischen Fernwanderweg E8 wechseln könnte. Also rein theoretisch. Aber wer weiß, vielleicht stehe ich irgendwann wieder mal hier an dem Knotenpunkt, um dem Weg in westliche oder östliche Richtung zu folgen.

Das war die 60. Etappe und damit der letzte Tag des dritten Abschnitts. Da halte ich es mit Paulchen Panther, der ja sagte: „… ich komm‘ wieder, keine Frage!“ Stimmt, am 03. Oktober gehe ich den Endspurt an.

Thorsten Hoyer

Das Alte Rathaus von Birkenau
Wegmarkierung für Fortgeschrittene
Der Neckar bei Heidelberg-Ziegelhausen
Am Kreuzpunkt von E1 und E8 in Ziegelhausen

Abschnitt 2 – Etappen 20-32

Etappe 20: Hamburg-Altona – Neugraben-Fischbek mit Thorsten Hoyer

„Ich komme wieder, kein Frage…!“, damit endete mein Wandertagebucheintrag am 28. Mai. Natürlich habe ich mein Versprechen gehalten: gestern durfte ich in Hamburg-Altona wieder loswandern und damit den zweiten Abschnitt auf dem E1 beginnen. Vom Hotel waren es nur ein paar Minuten Fußweg, dann blickte ich auf einen Teil des Hamburger Containerhafens. Wie bestellt, schob sich sogleich ein riesiger Frachter ins Bild, von dessen schwarzem Bug sich „Panama“ in frischem Weiß abhob. Hamburg, das Tor zur Welt, wo Hans Albers melancholisch „La Paloma“ in verräucherten Hafenkneipen sang, während draußen die Möwen in frischer Luft schrien. Häfen und große „Pötte“ aus aller Herrenländer, wem überkommt da nicht die Sehnsucht in die Ferne? Teil des Hamburger Charmes ist sicher auch eine gute Portion Nostalgie – die ich auch in meinem Hotel fand. Das aber sehr stimmig! Und obwohl ich Großstädten nicht viel abgewinnen kann: Hamburg mag ich. So genoss ich die sonnige Wanderung entlang der Elbe mit den vorbeifahrenden Schiffen aller Größen und Kategorien und bestaunte die wunderschönen alten Häuser, die ich in Richtung Blankenese passierte.

Von Blankenese musste ich die Fähre zum gegenüberliegenden Elbufer nehmen, um ab Cranz weiter dem E1 folgen zu können. Dass ich die stündlich ablegende Fähre um fünf Minuten verpasste, machte nichts, die Einkehrmöglichkeiten direkt am Wasser waren sehr einladend. Als die Fähre dann mit mir ablegte, wunderte ich mich allerdings bald, dass sie zurück in die Richtung fuhr, aus der ich gekommen war. Aha, Cranz konnte wegen Niedrigwasser nicht angefahren werden, also war Finkenwerder das neue Ziel. Der Bus, der mich nun auf der anderen Seite der Elbe nach Cranz brachte, benötigte seine Zeit – ich hatte wohl den Schichtwechsel im angrenzenden Airbuswerk erwischt. Aber was soll’s, Wandern entspannt und bald sollte es ja auch schon weiter gehen.

Mhh… dass mit dem „weiter gehen“ bekam dann aber eine ganz andere Bedeutung, denn unvermittelt stand ich vor dem Neubau der A26, womit der E1 nicht mehr existierte. Eigentlich nach links, musste ich gezwungenermaßen in entgegengesetzte Richtung abbiegen, womit ich mich immer weiter von meinem Ziel entfernte. Irgendwann witterte ich meine Chance die andere Seite zu erreichen und dann flitzte ein blaues Wandermagazin-T-Shirt mit gelbem Rucksack irrend durch die Großbaustelle, um anschließend in Ermangelung eines wie auch immer gearteten Fußweges auf und über einigermaßen frequentierten Straßen (s)einen Ausweg zu finden. Dass einige Kilometer obendrauf kamen, soll jetzt nicht weiter wichtig sein. Gefrustet erreichte ich endlich meine Schlafstätte. Den Spruch „Umwege erweitern die Ortskenntnisse“ mag ich erst mal nicht mehr.

Thorsten Hoyer

⇒ Unsere alternative Wegführung für Etappe 20 findet ihr in der interaktiven Karte des E1-Tourguides.

An der Elbe in Hamburg
Äpfel – typisch für das Alte Land
Wandersackgasse – hier wird die A26 gebaut

Etappe 21: Neugraben-Fischbek – Buchholz/Nordheide

Das Hotel, in dem ich vergangene Nacht verbrachte, liegt rund zwei Kilometer vom E1 entfernt. Also ging ich entlang der Durchgangsstraße in Fischbek erst mal wieder zurück. Auf der Straße folgte ein Auto dem anderen, dazwischen gesellten sich zahlreiche Lastwagen. Ist halt Montagmorgen, von daher nichts anderes als normal. Aber der Lärm störte mich, vielleicht auch weil ich wusste, was auf mich wartete: der Heidschnuckenweg. Am Ortsrand von Fischbek steht ein Portal, das den offiziellen Startpunkt des beliebten Fernwanderweges durch die Lüneburger Heide markiert. Oder den Endpunkt, der Heidschnuckenweg lässt sich natürlich auch in umgekehrte Richtung wandern.

Der Heidschnuckenweg hat für mich eine besondere Bedeutung, denn hier stand ich im im Mai 2018 schon mal, um dem Weg ins über 200 km entfernte Celle zu folgen. Seinerzeit war der Heidschnuckenweg Teil meines Versuchs, 300 km ohne Schlafpause zu wandern. Es klappte und das verbindet. Der Heidschnuckenweg und der E1 verlaufen über längere Strecken parallel, sodass sich zur gewohnten X-Markierung ein H gesellt. Kaum, dass ich ein paar Schritte ging, fand ich mich inmitten der typischen Heidelandschaft wieder. Die Sonne strahlte auf die Heideflächen, die im August blüht und damit tausende Besucher anzieht. Jetzt herrschte Ruhe, eine ganz wunderbare Stimmung, die sich sofort auf mich übertrug. Ein sanft wehender Wind brachte den Duft von Kiefern und frischem Heu zu mir und die Sitzbank am Ende eines ungewohnt kräftigen Anstieges kam mir gerade recht. Kiefern, Birken und weite Sichten ließen aus einem Viertelstündchen die dreifache Zeit werden. Völlig egal, es tat einfach nur gut, so entscheiden zu können und ist Teil dieser Freiheit, die mir so unendlich viel bedeutet.

Der E1 führte mich durch sehr viel Wald, bei den sommerlichen Temperaturen eine wohltuend schattige Wanderung. Durch das Blätterdach fielen Sonnenstrahlen auf beeindruckend großen Adlerfarn und sorgten für ein schönes Lichtspiel. Am Karlstein machte ich nochmal eine ausgedehnte Pause. Der Sage nach soll das hier auch schon Karl der Große getan haben, daher der Name des einsamen Granitfelsens. Als ich aus dem Wald hinaustrat und sich vor mir weite Getreidefelder ausbreiteten, befand sich mein Ziel Buchholz in nicht mehr weiter Ferne. Jetzt konnten meine Blicke über die Felder schweifen und machten bald die ersten Häuser von Buchholz in der Nordheide aus. Ein wirklich wunderbarer Wandertag! 

Thorsten Hoyer

Am Start-/Endpunkt des Heidschnuckenwegs
Anstieg zum Karlstein
Unverlaufbar: der E1 und Heidschnuckenweg

Etappe 22: Buchholz/Nordheide - Undeloh

Die heutige Etappe brachte mich von Bucholz nach Undeloh und damit ins Zentrum der Lüneburger Heide – einem der touristischen "Hotspots" Niedersachsens. Es war eine rund 25 km lange Strecke, die mit einigen Windungen durch Buchholz begann. Hier auf ich schon mal gewandert, auch wenn das seinerzeit zu nächtlichen Stunde gewesen ist, kann ich mich gut daran erinnern, dass der Weg durch die Stadt gefühlt kein Ende nehmen wollte. Dabei ist Buchholz gar nicht so groß, ein Mysterium. »Zum Film: "Der Hoyer wandert" 300 km Nonstop

Kaum hatte ich die Stadt hinter mir gelassen und den Wald erreicht, entdeckte ich eines der Markierungszeichen am Boden und vor mir ein Durcheinander von kreuz und quer liegenden Bäumen. Okay, Forstarbeiten sind wichtig und müssen sein. Aber dass das so unvermutet kam, noch dazu in der Wandersaison – Augen auf und durch (nicht zur Nachahmung empfohlen). 

Wald war auf der ersten Hälfte der Etappe vorherrschend. Mal wanderte ich auf nicht mehr als Trampelpfaden durch dichtes Grün, mal auf "normalen" Waldwegen, aber auch auf breiten Forstwegen, die sich mitunter kilometerlang ohne Knick und Kurve durch den Wald zogen. 

Von Buchholz bis Undeloh verlaufen der E1 und der Heidschnuckenweg immer wieder parallel. Auf diesen Abschnitten konnte man sich darauf verlassen, auf attraktiven Pfaden und Wegen unterwegs zu sein – zumindest aus Sicht der Wandernden. Aber der Heidschnuckenweg hat die Angewohnheit, sich immer wieder vom E1 zu entfernen. Aufgrund seines attraktiveren Verlaufs war es dann eine Herausforderung, nicht dem Heidschnuckenweg zu folgen, sondern dem E1. Entschuldige bitte, lieber E1. Manchmal mutete es sogar schon skurril an, wenn beide Wege direkt nebeneinander verliefen: das "H" des Heidschnuckenwegs leitete über einen schönen Pfad, das "X" des E1 über eine Schotterstrecke. 

Irgendwann befand ich mich an einem verhältnismäßig langen Anstieg: Der Brunsberg löste ein Gipfelfieber aus. Fast 130 Meter stand ich über dem Meeresspiegel, als ich von dort oben die Aussichten über Heideflächen und die weiten Wälder genoss. Und auf die zunehmend größer und grauer werdenden Wolkenberge blickte. Ich rechnete mit Regen, was der Heide gut tun würde. Sie leidet sehr unter der Trockenheit der letzten Jahre. So sehr, dass sie stellenweise großflächig vertrocknete und nun mit erheblichem Aufwand wieder angepflanzt werden muss. Der Klimawandel wird überall spürbar. Es kam aber kein Regen, von vereinzelten Tropfen mal abgesehen. Dafür traf ich erneut auf lange Waldpassagen bis Handeloh. 

Auf meiner Wanderung nach Undeloh änderte sich der Charakter des Waldes: Er war nicht mehr so aufgeräumt, sondern wilder, fast schon ein bisschen urwaldartig. Dazu die schmalen Pfade – großartig! In Undeloh machte ich zum Abschluss des Tages noch ein Video für unsere Instagram-Story: Wir – das Wandermagazin – nehmen mit der E1-Wanderung an der WWF-Kampagne "Wandern für die Artenvielfalt" teil und haben dort eine Spendenaktion eingerichtet. Mit 950 Euro, 50 ct pro Kilometer auf dem E1 in Deutschland – haben wir den Anfang gemacht. Die Natur gibt uns so viel, geben wir der Natur etwas zurück! »Zur Spendenaktion

Thorsten Hoyer

Wandersnack – Heidelbeeren vor Undeloh
Gipfelerlebnis Brunsberg
Vertrocknete Heidefläche
Wanderbekanntschaft – hölzerne Heidschnucke

Wanderpause Undeloh/Wilsede: Geburtstagsfeier vom Heidschnuckenweg  

Heute war Geburtstag! Der Heidschnuckenweg, der zu großen Teilen auf dem E1 verläuft, ist heute 10 Jahre alt geworden. Die Feierlichkeiten dazu fanden im Heidedorf Wilsede mitten im Naturpark Lüneburger Heide statt. Wilsede liegt rund sechs Wanderkilometer von Undeloh entfernt, wo mich der E1 gestern hinführte. Heute habe ich eine E1-Wanderpause eingelegt, denn ich war zur Geburtstagsfeier eingeladen. 

Da das Dorf Wilsede nur zu Fuß und per Pferdekutsche (mit dem Fahrrad natürlich auch) zu erreichen ist, starteten die Feierlichkeiten mit einer geführten Wanderung über den 169,2 Meter hohen Wilseder Berg. Regnete es am frühen Vormittag noch, erreichte die trockene Heide während unseres Unterwegsseins bereits nur noch einzelne kurze Schauer. Sicherheitshalber fand die Jubiläumsfeier mit zahlreichen geladenen Gästen unter festem Dach in einem historischen Gebäude im pittoresken Heidedorf statt. 

Da ich den Heidschnuckenweg im Mai 2018 komplett erwandert hatte, war es mir eine Ehre, in diesem Rahmen darüber zu erzählen. Zu den kulinarischen Leckereien zählten auch Lammbratwürstchen, die auf große Begeisterung stießen. Toll zu hören war natürlich, dass der Gastgeber und Geschäftsführer der Lüneburger Heide GmbH, Ulrich von dem Bruch, von der Wahl zu "Deutschlands Schönstem Wanderweg" im Jahr 2012 berichtete, eine vom Wandermagazin jährlich veranstaltete Publikumswahl. Er betonte, wie wichtig die erfolgreiche Teilnahme für die Entwicklung des Weges war – und bis heute nachhallt.

Nach vielen schönen und freudigen Gesprächen ging es dann mit zwei Pferdestärken gemütlich zurück nach Undeloh.

Thorsten Hoyer

Lüneburger Heide bei Wilsede
Im Heidedorf Wilsede

Etappen 23 & 24: Undeloh – Wietzendorf

Und weil’s so schön war, machte ich mich an diesem Morgen in Undeloh erneut auf, den Wilseder Berg zu erklimmen. War es gestern dicht bewölkt und regnerisch, schien heute Morgen die Sonne. Es war spannend zu sehen und zu spüren, wie unterschiedlich sich ein und dieselbe Landschaft präsentiert. Wirkte sie gestern mystisch und etwas unwirklich, so strahlte sie heute Morgen in kräftigen Farben. Wenn doch jetzt schon die Heide blühen würde – es sähe wohl berauschend aus. Die Glockenheide blühte bereits und ich meinte erkennen zu können, dass in der „typischen“ Heide, also der Besenheide, schon ein ganz leichter lila Schimmer zu erkennen sei. Kein Wunder, dass die Heideblüte im August tausende von Gästen anzieht.

Die Aussicht vom 169,2 Meter hohen Wilseder Berg empfinde ich immer wieder aufs Neue sehr beeindruckend. Ich wanderte durch das einzigartige Heidedorf Wilsede mit seinen gepflegten, reetgedeckten Häusern, passierte einige Getreidefelder, um dann einen meiner Lieblingsplätze inmitten des Naturschutzgebietes Lüneburger Heide zu erreichen: den Totengrund. Ein Talkessel von solcher Schönheit und Faszination, dass es wie aus einer anderen Welt zu kommen scheint. Ein wunderbarer Ort, bei dessen Anblick sofort die Fantasie anfängt zu spielen. 

In Bispingen stattete ich der Tourist-Information des Städtchens einen Besuch ab. Zum Kaffee bekam ich – typisch Lüneburger Heide – Heidschnucke serviert. Nein, nicht als Bratwurst oder auf sonstige deftige Zubereitungsart. Kredenzt zwar am Spieß, aber als kunstvolle, handwerklich hergestellte kleine (aber gehaltvolle) Süßspeise. Ausgesprochen lecker!

Auf meiner weiteren Wanderung nach Soltau rückte die Heide in den Hintergrund und die Autobahn 7 näher. Und es wurde deutlich waldreicher, mit herrlichen Pfaden und schönen Wegen, die überwiegend recht geradlinig Richtung Süden führen. Die ersten Gebäude von Soltau im Blick, hielt ich neben Bahngleisen an einem Denkmal inne. Hier wird an den Tod von über 90 Menschen erinnert, die auf dem Weg ins KZ Bergen-Belsen flüchteten und, nachdem sie aufgestöbert wurden, ermordet wurden.

Mit dem E1 spazierte ich quer durch die gesamte Stadt bis zu meinem Quartier in der Siedlung Brock. Dass es weder in der Unterkunft noch in fußläufig näherer Umgebung ein Restaurant gibt, machte mir nichts aus. Freunde aus Hermannsburg wussten das, kamen vorbei und zusammen machten wir uns auf zu einem vorzüglichen Restaurant. Einmal werde ich noch wach … dann gehe ich auch schon wieder meinen letzten Tag des zweiten Abschnitts an, um den Staffelstab in Hermannsburg an Manuel Andrack zu übergeben. Aber bis dahin sind’s ja noch ein paar Kilometerchen …

Thorsten Hoyer

Auf dem Wilseder Berg
Blick auf den Totengrund, Lüneburger Heide
NS-Opfer Gedenkstätte in der Nähe von Soltau
In Richtung Süden zum Zielort, immer geradeaus

Etappe 25: Wietzendorf - Hermannsburg

Heute morgen startete ich früh, zumindest für meine Verhältnisse: 07:30 Uhr. Bis Hermannsburg lagen rund 31 km vor mir und da ich dort um 16 Uhr mit Manuel Andrack – er übernimmt den Staffelstab – verabredet war, wollte ich auf gar keinen Fall in Wanderstress geraten. Und am besten auch noch ein Stündchen Zeit haben, um das Ankommen für mich in aller Ruhe zu genießen. Genau so hat es auch funktioniert. Nicht funktioniert hat die Zusage eines Hotelmitarbeiters, dass ich auch schon vor der Frühstückszeit (ab 08:00 Uhr) auf jeden Fall einen Kaffee bekäme. Um die Uhrzeit kann ich auf Essen gut verzichten, aber KEINEN Kaffee!?!?!

Ich machte mich also ziemlich unterkoffeiniert auf den waldreichen Weg nach Wietzendorf. Auf dem Heidschnuckenweg ist der Ort offizielles Etappenende. Da vor kurzem aber das einzige Hotel des Ortes seine Pforten dicht machte, kommen Wandernde um Taxifahrten nicht herum. Es ist gerade aber auch für Hoteliers alles andere als einfach. In Wietzendorf ignorierte ich Wegweiser mit Angaben wie „Südsee Camp“ und „Kleinamerika“ und wanderte treu dem X nach. Naja, eher dem H des Heidschnuckenweges, denn von E1-Markierungen war nichts zu sehen. Daran sollte sich lange auch nichts ändern. Trennten sich die Wege, wäre man ohne Karte oder GPS-Gerät echt aufgeschmissen. In fast geradliniger Südost-Richtung wanderte ich zumeist durch Wälder, aber auch immer wieder mal durch offene Landschaften durch den Naturpark Südheide. Mit Erreichen des Wietzer Berges traf ich auf das Denkmal des Heidedichters Herman Löns. Inzwischen waren die dichten Wolken verschwunden, die Sonne lachte vom Schäfchenwolken dekorierten Himmel und verzauberte die hiesige wundervolle Heidelandschaft mit herrlichem Licht.

Mein nächstes Zwischenziel auf meinem Weg nach Hermannsburg war das am Flüsschen Örtze liegende Müden. Heidetourismus spielt hier eine bedeutende Rolle. Aber auch die Freude über den Heidschnuckenweg zeigte sich an jedem Zaun im Ort: hier hingen von rund 100 Grundschülern bemalte Holzscheiben, die sie anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des bekannten Weges angefertigt hatten. Richtig großartig!! Unvermittelt überraschte mich im Ort ein kurzer heftiger Regenschauer direkt vor der Kirche. Deren geöffnete Türe kam wie gerufen und als ich in die Kirche trat, fand ich mich inmitten der Vorbereitungen einer Trauung wieder. So kann’s gehen…

Nach einer knappen Wanderstunde wanderte ich in Hermannsburg ein, wo ich den E1-Staffelstab unter Beisein von Elmar Best und Thorsten Link von Lüneburger Heide Tourismus an Manuel Andrack übergab. Auf Wiedersehen E1, es war wieder spannend mit Dir! Wir sehen uns wieder im September…

Thorsten Hoyer

 

Denkmal des Heidedichters Hermann Löns
Weg durch die Südheide in Richtung Hermannsburg

Etappe 26: Hermannsburg – Celle mit Manuel Andrack

Aus, aus, das Spiel – äh – die Etappe ist aus. Fast 38 Kilometer von Hermannsburg nach Celle liegen hinter mir und ich habe mir für morgen vorsorglich ein künstliches Hüftgelenk bestellt.

Die Highlights der letzten 24 Stunden: Natürlich die Staffelübergabe von Wandergott Thorsten an mich. Ich habe gespürt, dass es Thorsten sehr, sehr schwer gefallen ist loszulassen. Aber nun bin ich an der Reihe. Hermannsburg ist unbedingt eine Reise wert, ich habe köstlich im Ohlsdorfer Gasthaus der Familie Loll (LOL!) gespeist.

Heute Morgen hat mir – der E1 führt mitten durch den Hermannsburger Reitverein – der Schimmel Ernst-August alles Gute für die Etappe gewünscht. In der Misselhorner Heide jede Menge Südheide-Feeling, herrlich. In ungefähr einem Monat, wenn die Heide blüht, natürlich noch geiler. Und genialer Höhepunkt der Etappe war der Angelbecksteich, ein tolles Heide-Gewässer. Bis Celle war es dann etwas zäh, aber entschädigt wurde ich durch die sehr schöne Altstadt und den Schlosspark. Was für ein Etappenfinale. Unbedingt empfehlenswert ist ein Besuch im Stadtmuseum gegenüber vom Schloss. Ich hätte nie gedacht, dass meine alte Moeck-Blockflöte aus Celle kommt. Wahrscheinlich gefertigt aus Südheide-Holz. Darauf ein paneuropäisches Bier mit dem Kollegen Schwejk.

Manuel Andrack

Alles Gute für die Etappe von Ernst-August
In der Misselhorner Heide
Angelbecksteich
Celler Schloss

Etappe 27: Celle – Bissendorf 

Liebes E1-Wandertagebuch,

Die Rettung heute war eindeutig Bernhard. Bernhard ist ein langjähriger Wanderfreund und wohnt in Hamburg. Heute hat er mich auf der Etappe von Celle nach Wedemark begleitet. Wir hatten sehr, sehr viel Spaß. Weitwandern geht auch zu zweit, sehr gut geht das.

Der Schlosspark von Celle – ein traumhafter Etappenstart. Für die gesamte Etappe war ich eher skeptisch und erwartete viel Asphalt und schnurgerade Passagen. Aber – Überraschung, auf den ersten zehn Kilometern gab es reichlich Wald, naturbelassene Wege und schmale Pfade. Und die Markierung – fehlerfrei und unverlaufbar.

Irgendwann befanden wir uns sogar in Gullivers Reich und begegneten einem Riesen-Hochzeitspaar. Brautentführung wäre ziemlich kompliziert. Alles Gute für Marie & Mirco!

Absolutes Highlight der Etappe war aber eindeutig die Mittagspause in Fuhrberg. Ich hatte recherchiert, dass in dem kleinen Ort eine Mini-Brauerei existiert, die ihr köstliches Nass über den Spargelhof Heuer vertreibt. Bis Ende August hat der Hofladen geöffnet, heute allerdings Ruhetag. Mit Vermittlung von UNO, EU und Nabu haben Bernhard und ich dann doch von den Heuers (vielen Dank an dieser Stelle) zwei Liter-Flaschen erstehen können. Märzen-Bier. Ein Mega-Getränk, Top-5-Lieblingsbier. 

Gleich esse ich eine paneuropäische Pizza Napoli in der Pizzeria Firenze (da geht der E1 auch vorbei) und sage Bernhard Adieu. Schön war's, bis bald auf dem E1!

Manuel Andrack

Alles Gute für Marie & Mirco
Der E1 als schmaler Pfad
Mal ein ganz andere Atmosphäre auf dem E1
– es geht unter der A7 entlang
Leckeres Märzen-Bier in Fuhrberg
Zu Bewundern: Grünes Nassidyll am E1

Etappe 28: Bissendorf – Otternhagen 

Liebes E1-Tagebuch.

Heute war es so lala. Aufregend war der dschungelartige Abschnitt mit vielen schmalen Pfaden westlich von Wedemark, den man aber auch erst nach einer schnurgeraden Teerstraße erreichte.

Daher, liebes Tagebuch, möchte ich heute aufzählen, was ich so jeden Tag in meinem E1-Rucksack mitschleppe:

• zwei Flaschen Wasser
• eine "schicke" kurze Hose für Abends
• ein ebenso schickes Wandermagazin T-Shirt für die Staffelübergaben
• Blasenpflaster klein und groß
• zwei Paar Ersatzsocken
• eine Sonnenbrille
• sieben Unterhosen
• Beutel für Schmutzwäsche
• Sonnenmilch
• Anit-Insektenspray extra stark (tropical)
• Badehose
• zwei Reclam-Hefte
• einen gelben Stift
• eine Fleece-jacke
• eine Kapp
• einen Regenschirm
• einen Selfie-Stick
• zwei Handys
• eine Power-Bank
• Frucht-Riegel
• jede Menge Cashew-Kerne
• Funktions-T-Shirt
• Kulturbeutel
• zwei FFP2-Masken
• eine Zeckenkarte
• Flip Flops
• und den Staffelstab

Manuel Andrack

Schmaler Pfad, gut sichtbare Markierung
Wandererholung nach viel schnurgerader Teerstraße
Ich packe meinen E1-Rucksack und nehme mit ...
... 

Etappe 29: Otternhagen – Hagenburg

Liebes E1-Tagebuch, 

wandermässig war das heute etwas enttäuschend, aber so ist das bei einem Weitwanderweg. Man kann nicht durchgehend Top-Wege und reizvolle Landschaften erwarten. Die mäandernde Leine zu überqueren war heute das Natur-Highlight. Ansonsten: Über 80 Prozent asphaltierte Wege, nun ja. Aaaber – manchmal ist bei einer Weitwanderung der Weg eben nicht das Ziel.

Ich sitze gerade in der „Planke 138", direkt am Ufer. Ich schaue (wenn ich nicht gerade diesen Text schreibe) auf das Steinhuder Meer. Großartig. Eine steife Brise bläst mir ins Gesicht, die Sonne scheint, von Hitze keine Spur. Gerade legt ein weißes Ausflugsboot an. Wer braucht eigentlich den Lago Maggiore, wenn es das Steinhuder Meer gibt?

Nun könnte man ja denken, dass die Niedersachsen ganz schön aufschneiden, wenn sie den neuntgrößten deutschen Binnensee „Meer" nennen. Aber Meer, so nennen die Norddeutschen eben einen See. Denn die „See" – da versteht kein Norddeutscher Spaß – das ist nun mal das Meer. Nordsee, Ostsee, Seemann. Eigentlich logisch. 

Auf jeden Fall habe ich heute einen herrlichen (halben) Ferientag am Meer verbracht. Mini-Golfen (42 Schläge, relativ solide), sehr schöne Radtour um das Steinhuder Meer (32 Kilometer). Und Baden im Meer. Um richtig zu Schwimmen, muss man verdammt weit ins Wasser gehen, bei einer durchschnittlichen Wassertiefe von 1,35 m kein Wunder.

Und gleich freue ich mich auf ein Fischbrötchen mit geräuchertem Aal aus dem „Meer". Am meisten freue ich mich aber darauf, morgen wieder loszugehen. Zur nächsten Wanderetappe auf dem E1.

Manuel Andrack

An der Leine
Ein erfrischendes Bad im Steinhuder Meer 
Mit dem Drahtesel sind es 32 km einmal rund rum
Urlaubsfeeling

Etappe 30: Hagenburg - Bad Nenndorf

Liebes E1-Wandertagebuch,

die heutige Etappe war fordernd, ereignisreich, hat Spaß gemacht. Aber auch Schmerzen verursacht.

Nach einem kurzen abschließenden "Ahoi!" am Steinhuder Meer, bin ich durch Hagenburg gewandert. Ein schönes Schloss liegt am Kanal, erbaut von Fürstin Juliane von Hessen-Philippsthal als "Lustschloss mit Bequemlichkeiten". Leider konnte die Fürstin weder Bequemlichkeit noch Lust genießen, da sie ein Jahr vor der Vollendung des Baus starb.

Im Wald von Hagenburg schlimme Insektenattacke. Ich haue auf mein Bein, schau hinunter, mein Unterschenkel sieht aus, als wäre ein Schlachtermesser reingerauscht. Aua! Aus dem Wald raus – Wow-Effekt: Der Abraumberg des Kaliwerks Wunstorf steht vor mir, wie der Tafelberg des E1. Beeindruckend!

Dann in Idensen die Sigwardskirche bewundert. Bischof Sigward war ein schlauer Mann, er hat die Kirche der Heiligen Ursula und ihren (mindestens) 11.000 Jungfrauen gewidmet. Als kölsche Jung habe ich vor glück geweint!

Hinter dem Mittellandkanal kommt der Ort Haste und im Haster Wald wurde ich – nein, diesmal nicht von Insekten – aber von Brennesseln und Dornensträuchern angefallen. Der E1 war da echt markiert! Aber kein durchkommen ohne Machete. Ich habe einen anderen Weg genommen. Wenn ich mir mein zerkratztes, blutendes und geschwollenes Knie so anschaue, denke ich: gegen ein klitzekleines Weniger an Artenvielfalt hätte ich manchmal nichts einzuwenden. 

Schluss der Etappe ist nun im beschaulichen Bad Nenndorf mit seinem wunderschönen Kurpark. Und morgen geht es auf zur Königsetappe auf den Deister, ja, so heisster. 

Manuel Andrack

Schloss Hagenburg mit Kanal 
Der Mount Kalimandscharo –  Abraumberg des Kaliwerks Wunstorf
Sigwardskirche in Idensen
Mittellandkanal

Etappe 31: Bad Nenndorf - Bad Münder

Liebes E1-Wandertagebuch,

Heute musste ich über Deister gehen. In Niedersachsen heißt "über den Deister gehen" nichts Gutes. Sterben, Verschwinden, das sind die Synonyme. Furchtlos startete ich im Kurpark von Bad Nenndorf. Direkt am E1 lockte die kurze Allee der Sünteln-Buchen. Das sind märchenhaft-bizarre Bäume. So, als hätte Salvador Dali im Drogenrausch Buchen gemalt.

Bevor es wirklich bergan ging, habe ich mir an der Mooshütte alte Bergwerkstollen und eine Lore angeschaut. Kaum wird es bergig auf dem E1, dann spielt Bergbau eine Rolle. Nach vielen Flachetappen seit Flensburg, die Thorsten, Michael, Svenja und ich absolviert haben, war es eine Wonne, den Deister bergan zu gehen.

Auf dem Kammweg passierte ich den Nordmannsturm (schöner Turm, toller Kuchen) und den Annaturm (hässlicher Turm, das Essen naja). Ab dem Annaturm (höchste Stelle des Deisters, 405 Meter) ging es bergab, den Deister hinunter. Etwas schade ist es, dass man auf dem gesamten Kammweg keine Ausblicke hat.

Im Kurort Bad Münder angekommen, hatte ich auf jeden Fall das Gefühl, ein richtiges Gebirge überquert zu haben. An einem Tag. Nehmt euch das mal zum Vorbild, liebe Alpenüberquerer! Über den Deister gehen, das ist für mich seit heute eindeutig positiv besetzt.

Manuel Andrack

Allee der Süntel-Buchen
Die Teufelsbrücke im Deister
und die Sage vom Pakt zwischen Jäger und Teufel 
Blick vom Nordmannsturm

Etappe 32: Bad Münder - Hameln 

Liebes E1-Tagebuch,

Kurz nach dem Frühstück ging es heute schon wieder hinauf. Was soll man machen, wenn der Berg ruft. Genau genommen ist der Süntel, den ich heute erklimme, kein Berg, aber auch kein Gebirge. Der Fachterminus lautet: Mittelgebirgsstock. Und die Experten streiten sich, ob der Süntel zwischen Deister und Weser für sich allein steht, oder ob er Teil des Weserberglands sind. 

Vom Süntel-Turm kann man bei guten Sichtverhältnissen bis zum Brocken – Luftlinie 96 Kilometer – schauen. Der Turm lag aber im Nebel, heute morgen hatte es geregnet. Ab dem Süntel-Turm bin ich nicht nur den E1, sondern auch den E11 gewandert. Der E11 beginnt an der niederländischen Nordsee, verläuft quer durch Deutschland, dann durch Polen. In friedlichen Zeiten kann man auf dem E11 auch alle drei baltischen Staaten durchqueren. Heute E1 und E11, das heißt, ich bin zwei Fliegen mit einer Klappe wandern.

Runter vom Süntel und dann direkt nach Hamlen? Oh nein, weit gefehlt. Zweimal noch musste ich bissige Steigungen bewältigen. Die erste Herausforderung heißt auch noch Schweineberg. Nicht zu fassen.

Schließlich ermattete Ankunft in Rattenfängerhausen. Keine Ratten gesehen. Ich hatte mich vorab schlau gemacht. Die Story mit den Ratten: frei erfunden. Allerdings: Dass ein Mensch (vielleicht sogar mit Flöte), die Jugend Hamelns aus der Stadt gelockt hat, das entspricht wahrscheinlich der historischen Realität. Werber aus dem Osten Deutschlands überzeugten im 15. Jahrhundert Jugendliche und junge Erwachsene aus dem Weserbergland, nach Brandenburg zu übersiedeln. Wahrscehinlich sind sie auf dem E11 dort hingewandert.

Das war's fürs Erste vom E1. Nach einer Sommerpause geht es Mitte August weiter. In Hameln, wo sonst.

Manuel Andrack

E1 trifft auf E11 - dieser führt von Den Haag bis Ogrodniki in Polen
Blick auf den Süntel, Teil des Weserberglandes
Blick vom Süntel in Richtung Weser
Ziel erreicht: Hameln

Abschnitt 1 – Etappe 1-19

Etappe 1: Krusau (Dänemark) – Oeversee mit Thorsten Hoyer

Heute war der erste Tag der Initiative „12 Wege - 1 Europa“ – endlich ging es los! Gestartet im dänischen Padborg, das unmittelbar an der Grenze zu Deutschland liegt, bin ich dem E1 zunächst über die Grenze bei Krusa nach Flensburg gefolgt. Hier ist mir alles sehr vertraut, erst recht ist das so, als ich Flensburg erreiche. Hier habe ich mal ein Jahr verbracht. Auch wenn das schon ziemlich lange her ist, vergessen hab ich Flensburg nie. Und nun sitze ich hier am Hafen der Fördestadt und erinnere mich an meine Zeit als Marinesoldat an Bord eines U-Jagd-Bootes. Hier in Flensburg habe ich die Wendezeit miterlebt, vielleicht verbindet das zusätzlich. Mir hatte es so gut in Flensburg gefallen, dass ich darüber hinaus eine Zeit lang hier leben wollte. Aber wie es manchmal so ist mit Plänen … Bleiben werde ich aber auch heute nicht, denn mein Plan sieht vor, dass ich noch weiter nach Oeversee wandere. War der Himmel bisher ziemlich bewölkt, kämpft sich nun die Sonne erfolgreich durch das Grau über mir. Also auf geht’s, dem Ziel der ersten Etappe fröhlich entgegenzuwandern.

Thorsten Hoyer

Steen Kobberø-Hansen von der Europäischen Wandervereinigung wandert
die ersten Kilometer mit Chefredakteur Thorsten Hoyer. 
Kurz nach dem Start vor Krusau, Dänemark
Flensburger Förde
Arnkielpark – archäologische Freilichtanlage in Munkwolstrup

Etappe 2: Oeversee – Schleswig

Die Übernachtung in Oeversee im Hotel Historischer Krug war etwas Besonderes, denn es ist das einzige Hotel in Deutschland, das den Zusatz Kongelig privilegeret Kro trägt. Es wurde also von der königlichen Familie als Domizil genutzt. Bald wanderte ich in das Naturschutzgebiet Obere Treenelandschaft – ein wunderschönes Fleckchen Erde. Ein kurzer Stopp in einer Bäckerei ist die einzige Einkaufsmöglichkeit auf der fast 30 km langen Etappe nach Schleswig. An einem Rastplatz habe ich ein Wanderpärchen getroffen, die auch auf dem E1 unterwegs waren; eine sehr nette Begegnung war das. Der hohe Asphaltanteil rückte mit Erreichen des Idstedter Sees in den Hintergrund. Auf einem Steg habe ich ein Päuschen eingelegt und wäre vor lauter Entspannung fast weggedöst. Dann ging es durch herrlichen Buchenwald und Regenschauern zielsicher nach Schleswig, der Stadt an der Schlei.

Thorsten Hoyer

Pause am Idstedter See
Tierische Bewohner, Naturschutzgebiet Obere Treenelandschaft
Da muss man einfach einmal Hallo sagen
Auf unserem Staffelstab von der
Lebenshilfe Detmold e.V. kennzeichnen wir jede Etappe.


Etappe 3: Schleswig - Aschberg

Der dritte Tag auf dem E1 startete in Schleswig und führte entlang der Schlei zum bekannten Wikingermuseum Haithabu –unbedingt mal besuchen! Die Anlage ist seit dem Jahr 2018 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes. Durch ein bezaubernd schönes Naturschutzgebiet kommt man zur Haddebyer Noorbrücke. Von hier führt der E1 noch eine Weile auf bequemen Wegen durch Wald. Ein herrlicher Teil des Weges, vielleicht sogar der schönste. Das nächste Highlight war der Brekendorfer Wald. Kräftige Buchen, Lärchen und Kiefern säumen die naturnahen Wege und Pfade. Sehr idyllisch liegt inmitten des Waldes der sagenumwobene Rammsee – klein, aber sehr fein. Der Wald hat mich echt überrascht und sehr begeistert. Nun, so etwas gab es so die vergangenen Tage auch nicht. Anschließend ging es hoch hinauf auf den Heidberg. Fast 100 Meter ist der hoch – ich bin ja schließlich auch im Naturpark Hüttener Berge unterwegs. Die schönen Waldwege blieben mir noch bis zu meinem Ziel Aschberg erhalten. Eine tolle Tour!

Thorsten Hoyer

Blick auf Schleswig
Waldig, schattig und grün
Die Richtung stimmt, auf zum Heidberg!

Etappe 4: Aschberg - Eckernförde 

Heute Morgen ging ich in die Luft. Da ich mich im Naturpark Hüttener Berge befand und ich in einem Hotel auf dem fast 100 Meter hohen Aschberg übernachtete, stieg ich nach dem Frühstück doch erstmal auf den dortigen Aussichtsturm. Die Sicht erstreckt sich weit in die hügelige Landschaft, in der der Nord-Ostsee-Kanal und bei klarem Wetter sogar Kiel zu sehen ist. War es zunächst noch sonnig, ließ sich von hier oben aber auch schon eine mächtige dunkle Wolkenfront ausmachen. Diese zog allerdings vorbei.

Ganz anders die schwarzen Wolkenberge, die mittags ihre Aufmerksamkeit einforderten. Da kam mir eine Einladung von Asita und Volker gerade recht. Über Instagram haben sie mich kontaktiert und eingeladen. Der E1 führt direkt an ihrem Hof vorbei. Während es sich ausregnete, genoss ich die Gastfreundschaft der Beiden. E-1-Wandernden, die mit Zelt unterwegs sind, bieten sie einen Platz auf ihrem großen und abseits gelegenen Grundstück an – tolle Leute!

Das Wetter war so abwechslungsreich wie das Wegeformat: Sonne und Regen wechselten sich ab, wie asphaltierte und naturnahe Wege. Als ich zwischen Feldern und Wolken das Windebyer Noor entdeckte, konnte Eckernförde nicht mehr weit sein. Und so war es dann auch. Am Sandstrand des Städtchens machte ich mein Quartier aus – und eine große Europaflagge. 

Thorsten Hoyer

Ausblick vom Aussichtsturm auf dem Aschberg
Abwechslunsgreicher Etappentag:
Sonne und Regen, asphaltierte und naturnahe Wege
Etappenziel Eckernförde –
Am Strand weht passenderweise die Europaflagge

Etappe 5: Eckernförde – Surendorf

Ich startete sehr früh in Eckernförde, denn der fünfte Tag war mein letzter Wandertag auf dem E 1 und ich wollte den Staffelstab pünktlich in Surendorf übergeben. „Mein letzter Wandertag“ bezieht sich natürlich auf diesen ersten Abschnitt; drei weitere werden noch folgen. Das Wetter war wechselhaft, aber Regen war für heute nicht gemeldet. Was die vergangenen beiden Tage schon war, begleitete mich auch an diesem: steife Briese mit kräftigen Böen. Wunderschön schien die Sonne über die Eckernförder Bucht, ein Stück war ich noch in Sichtweite der Ostsee.

Ich folgte einem Radweg parallel einer Straße, auf der an diesem frühen Samstagmorgen schon allerhand los war. Zum Glück war dieses Wegstück nicht sehr lang und ich folgte dem E 1 in ein Waldgebiet. Zunächst ging ich am Eckernförder Ruheforst vorbei, dann tiefer in den Wald mit seinen kräftigen Buchen. Auf einem Pfad umschlängelte ich die frisch ergrünten Bäume und geriet in eine mystische Stimmung, als die Sonnenstrahlen sich ihren Weg zwischen den Bäumen suchten und einen kleinen See wunderschön illuminierte. Es sind solche Momente, die man förmlich aufsaugen muss, weil sie auch die beste Kamera nicht festhalten kann.

Dann gelangte ich wieder an die Ostsee, an der der E 1 direkt entlang führt. Zunächst noch auf einem Pfad, dann über weite Strecken direkt entlang des sandig-steinigen Strandes. Bis zu meinem Ziel Surendorf begleiteten mich unentwegt das Meeresrauschen, das Pfeifen des Windes und die einzigartigen Wolkenformationen über der Ostsee. Immer wieder hielt ich an, hockte mich nieder und genoss die Faszination der Natur. Genau das ist es, was den Kopf frei macht für klare Gedanken. Ich liebe es! In Surendorf traf ich auf Michael Sänger, Herausgeber des Wandermagazins, dem ich den Staffelstab übergab. Jetzt geht er und ich nehme den Zug nach Hause. Die ersten fünf Etappen sind geschafft. Aber ich komme wieder, kein Frage…! 

Thorsten Hoyer

Tief im Wald versunken
Der E1 verläuft teilweise direkt auf dem Strand.
Der gut getarnte Sandregenpfeiffer ist akut vom Aussterben
bedroht und wird hier am Strand besonders beschützt.
Staffelstabübergabe zwischen Thorsten Hoyer und 
​​​​​​Michael Sänger bei steifer Brise.

Etappe 6: Surendorf – Kiel mit Michael Sänger

Anstrengende Tour an den Steilküsten der Halbinsel Dänischer Wohld (zwischen Eckernförder Bucht und Kieler Förde) entlang – aber herausragend schön! Bis zum Bülker Leuchtturm (22 m und für 2 Euro besteigbar) geht es nahezu entweder am Strand oder auf den Klippen entlang. Besonders die Stohler Klippen mit bis zu 30 Metern Höhe bieten tolle Ausblicke auf die Ostsee. Insgesamt erzählt die Etappe viel über die Eiszeit. Sie hat die Steilkllippen, die Moränenhügel, die versteckten Schmelzwässertalrinnen und die riesigen Findlinge zu verantworten und die wunderschöne Halbinsel gestaltet. Dänische und schwedische Namenszusätze in den Ortsnamen zeigen auf die Jahrhunderte unter dänischer oder schwedischer Herrschaft hin. Erst der Nord-Ostsee-Kanal bringt den Wanderer wieder in das Jetzt und Heute. Vom Olympiadorf hinter Strande wandert man nahezu komplett auf schmalen Pfaden durch Wald und tunnelartige Gebüschpassagen. Dann gibt sich die Landeshauptstadt Kiel mit einer tollen Promenade von etlichen Kilometern Länge die Ehre.

Michael Sänger

Steilklippen an der Halbinsel Dänischer Wohld
Auf schmalen Pfaden durch Wald und Wiesen
Der Bülker Leuchtturm
Mit der Fähre geht es bei Kiel über den Nord-Ostsee-Kanal

Etappe 7: Kiel – Preetz

Mittelpunkt der heutigen Etappe ist die Schwentine. 62 km lang entspringt sie am Bungsberg dem höchsten Gipfel Schleswig-Holsteins. In Kiel, genauer zwischen Dietrichsdorf und Wellingdorf, mündet die Schwentine in die Ostsee. In unendlichen vielen Mäandern mit 16 Seen und einem Stausee bietet der Heilige Fluss himmlische Stille sowie Wander- und Wasserwandererlebnisse der besonderen Art. Während die Schwentine die letzten 12.000 Jahre den Landschaftsgestalter spielte, stammt der „Plan“ aus der letzten Eiszeit. Gewaltige Schmelzwasserströme haben diese zum Teil hintereinander liegenden Seen „angelegt“. Erste Station ist Preetz mit seinem noch aktiven Kloster aus dem 13. Jahrhundert. Preetz erlangte im 19. Jahrhundert den Ruf einer Schusterstadt, 160 selbständige Schuhmachermeister, 360 Gesellen und 160 Lehrlinge. Der schöne Brunnen auf dem Marktplatz erinnert daran.

Michael Sänger

Der Name Schwentine ist vermutlich slawischen Ursprungs
... und bedeutet: Die Heilige.
Ein üppiger Vorgarten
Das Kloster in Preetz

Etappe 8: Preetz – Plön

Es war der Tag der Seen und Gutshäuser. Schon vom Start in Preetz begleiteten mich auf dem E1 die Seen der Schwentine. Kirchsee, Lanker See, Wielener See, der Kleine Plöner See, der Trammer See und am Ende Schleswig-Holsteins größter See, der Große Plöner See. Der sagenhafte Rundumblick vom 20 m hohen Parnaßturm über der Schlossstadt Plön zeigt eindrucksvoll, wie sich Plön inmitten einer bezaubernden Seenlandschaft strategisch perfekt platziert hat. Hervorgegangen aus einer Slawensiedlung reifte Plön zum bedeutenden Handelszentrum und wurde sogar Residenzstadt des Herzogtums Schleswig-Holstein – Sonderburg – Plön.

In vielen Dörfern am E1 stehen alte mit reetgedeckte Häuser. Davor üppig blühende Bauerngärten. Einer schöner als der andere. Man trifft auf altehrwürdige Gutshöfe wie Güsdorf, Gut Wahlstorf oder das auf einer Halbinsel im Kleinen Plöner See gelegene Gut Wittmoldt. Wogende Roggen- und Gerstenfelder verwandeln die sanft gewellte Moränenlandschaft in sattes Bauernland. Fortwährend ziehen Gänseschwärme in der typischen Einserformation am Himmel von See zu See. An den Ufern quakt und trötet es und mehr als zwei- oder dreihundert uralte Eichen mit kolossalen Stammumfängen ließen mich angesichts der Erhabenheit und Kraft schwärmen. Hat viel Spaß gemacht.

Michael Sänger

Sonnenaufgang am See
Das Gut Wittmold beherbgt auch E1-Wandernde
Ausblick vom Parnaßturm in Plön
Einfahrt zum Gutshaus Güsdorf

Etappe 9: Plön – Eutin

Das Herz des Wassereichs: Die Etappe von Plön nach Eutin ist geprägt von den „Schwentine-Teichen“. Darunter sind so veritable Seen wie der Große Plöner See, der Dieksee oder der Kellersee. Andere ganz klein wie der Edebergsee, der Höftsee oder wie Großer und Kleiner Madebröken See. Wieder andere liegen dazwischen so der Behler See oder der Suhrer See. Dazwischen, am Start und dem Ziel der Etappe, warten zwei grandiose Schlösser auf die E1-Wandernden. Dazu alte Reetdachhäuser und insgesamt sehr see- und naturnahe Wege. Der Holzturm in Malente sorgt für den nötigen Überblick und lädt zur Halbzeit. Für die Etappen zwischen Kiel und Eutin gilt übrigens große Flexibilität. Sowohl Preetz, als auch Plön, Malente und Eutin liegen an der gleichen Bahnlinie und werden im Halbstundentakt angefahren. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass in der Holsteinischen Schweiz auch Berufsfischer aktiv sind. Es darf also auch mal Fisch gegessen werden.

Michael Sänger

Es dämmert über dem See
Berufsfischerei am Dieksee
Der E1 hat hier eine abwechslungsreiche Wegführung. 
Am prächtigen Schloss Eutin

Etappe 10: Eutin – Schönwalde

Obwohl der Asphaltanteil heute hoch war, konnte mir das die Laune nicht verdrießen. Immer wieder gab es interessante „Einlagen“. Dass eines der beiden Herrenhäuser von Gut Stendorf mal großherzogliches Jagdschloss war – wer hätte das gedacht. Die ehemaligen Häuser der Jagd- und Landwirtschaftshelfer sind schmuck hergerichtet, wie auch die nahezu im Original erhaltene Schwarze Kate. Aus dem 18. Jh. stammt das im regionstypischen Stil mit Reet gedeckte Häuschen. Das ganze Ensemble aus Dorf und Gut steht unter Denkmalschutz. Der Bungsberg, die überraschende Entdeckung, dass man über unendliche Stufen auf die Aussichtsplattform des 249 m hohen Sendeturms in knapp 40 m Höhe steigen kann – das entschädigte vollkommen. Von dort oben habe ich die Ostsee in der Sonne glitzern sehen und man kann bei klarer Sicht bis Fehmarn, Heiligenhafen, Travemünde oder Lübeck schauen. Herrlich. Mit 168 m schaffte es der Bungsberg in der letzten Eiszeit auch, den Gletschermassen aus dem Norden zu widerstehen. Aufgeschüttet haben ihn während Gletscher der Saaleeiszeit lange vorher. Die „Wilde Weide“ Bekmesser lieferte den krönenden Abschluss. Einzig traurig war ich angesichts der Bergetappe, dass der E1 nicht zur Quelle der Schwentine führt. Diesem Zauberflüsschen, das noch in Eutin See um See befüllt, durchströmt und zum Ruhm der Holsteinischen Schweiz als Seenreich beiträgt, sollte man an seinem Ursprung vielleicht mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen?

Michael Sänger

Auf dem Bungsberg: ​​​​Blick vom Fernmeldeturm
auf den 150 Jahre alte, denkmalgeschützte Elisabethturm.
Zauberhafte Häuschen 
Weitsichtmoment über eine Wiesenlandschaft

 

Etappe 11: Schönwalde – Neustadt i. Holstein

Es gibt Tage (ergo auch Wandertage), da fließt alles. Der unfassbar friedliche Morgen. In allen noch so kleinen Senken wabert Nebel. Die Luft ist klar, der Himmel unwirklich blau und die Sonne wirft Lichtblitze wohin man blickt. Der Start in Schönwalde am Bungsberg konnte nicht schöner sein. Das Naturschutzgebiet Kasseendorfer Teiche mit Oberteich und Kolksee, kleinste Liegenschaften umgeben von Wald und Weiden. Gut Sierhagen mit 800-jähriger Geschichte. Die Geschichte der Grafen Scheel-Plessen, die wiederum bis zur Burg Plesse sieben Kilometer nördlich von Göttingen führt. Der E1 ist wahrlich eine Lebensader, ein Weg, der verbindet.

Und dann das Naturschutzgebiet Neustädter Binnenwasser vor den Toren der schnuckligen Hafenstadt Neustadt/Holstein. Große Zweimaster ankern an den Kais zwischen Dutzenden Segelyachten. Noch bevor ich die Brücke in die Altstadt passieren kann, lockt das uralte Backsteinkirchlein Hospitalkirche Heilig Geist. Die Türen der Kirche weit geöffnet, stellen eine Bildhauerin und eine Malerin ihre Werke aus. Kunst und Geschichte! Und ich mit Wanderrucksack und weit geöffneten Pforten der Wahrnehmung sauge in vollen Zügen auf. Herrlich!

Michael Sänger

Morgenstimmung auf Etappe 11
Gut Sierhagen
Hafenbecken in Neustadt i. Holstein

 

Etappe 12: Neustadt i. Holstein – Bad Schwartau

Da wandert man so vor sich hin und trifft interessante Menschen und stößt auf spannende Geschichten. In der Frühe begeisterte mich das Naturschutzgebiet „Kasseedorfer Teiche und Umgebung“ mit Mager- und Trockenrasen sowie Staudenfluren. Hier suchen sich Seeadler ihre Nahrung und der Uhu ist heimisch geworden. Ich lauschte dem Vogelkonzert in den Knicks (das sind Wallhecken) und der Redder (das sind die von hohen Hecken und Knicks gesäumten Wege). Mönchsgrasmücken, Laubsänger, Singdrosseln, Zilpzalp und Buchfink sangen um die Wette. Gut Oevelgönne mit dem sehenswerten Torhaus, all die kleinen Weiler, die riesigen Getreidefelder verströmten „Frieden“. Durch ein Waldstück erreichte ich die Pönitzer Seenplatte und traf am Taschensee Bernhard, Vorstand des Regionalmuseums Scharbeutz mit Sitz in Pönitz. Er erzählte dem erstaunten Wanderer, dass man mit vielen Ausstellungen hier und entlang der ganzen Ostseeküste der gewaltigen Sturmflut vor 150 Jahren gedenke. Beim Abschied erinnerte er noch an den Dänischen Graben und ein 1.000 Jahre altes Boot im Museum. Der E1 folgt dem Dänischen Graben zwischen Taschensee und Kleinem Pönitzer See bevor er an der Badeanstalt Klingberg vorbei erstmals auf die Schwartau trifft. Hier traf ich Gena, der auf dem E1 in Richtung Norwegen unterwegs ist und erfreute mich bald der tollen Aussicht vom Bismarckturm auf dem Pariner Berg, einer regionstypischen und 72 m hohen eiszeitlichen Endmoräne. Durch das Landschaftsschutzgebiet „Schwartauer Tal“ mit sehenswerter Obstwiese ging es schnurstracks auf Bad Schwartau zu.

Michael Sänger

Gut Oevelgönne
Wasserreiche Momente 
Aussicht vom Bismarckturm auf dem Pariner Berg
Staffelübergabe an Svenja Walter auf dem E1

Etappe 13: Bad Schwartau – Lübeck-Kücknitz mit Svenja Walter

Unser Etappenort Bad Schwartau liegt nur sechs Minuten mit der Bahn vom Timmendorfer Strand entfernt. Am Abend vor meinem Start auf dem E1 konnte ich es mir deshalb nicht nehmen lassen, dem Meer einmal „Hallo“ zu sagen. In den nächsten Tagen entfernt sich der E1 langsam endgültig von der Ostsee und in sieben Tagen sollte ich dann in Hamburg-Altona ankommen.

Zum Start der heutigen Etappe ging es bis Ratekau durch die schönen Schwartau-Auen, wo der Kuckuck rief, die Frösche quakten und die Weinbergschnecken die Bäume bevölkerten. So viele Weinbergschnecken wie heute habe ich noch nie an einem Tag gesehen. Auf den folgenden Kilometern überwiegen sommerliche Wiesen und Felder, die sich über sanfte Höhenzüge schwingen. Darüber strahlte der weite blaue Himmel und wenn es überhaupt Wolken gab, dann waren es weiße Schleier, manche so fein wie Zuckerwattefäden. Mit immer wieder kleinen Weihern und Tümpeln, Sumpfgebieten und Bruchwäldern ergab sich ein landschaftliches Mosaik aus verschiedenen Naturräumen entlang des E1. Wald- und Wiesenpfade wechselten sich mit asphaltierten Wegen ab bis nach Kücknitz, das bereits zur Hansestadt Lübeck gehört. Bis auf ein paar Hunde-Gassi-Geher hatte ich die Wege meist für mich allein.

Der E1 führt erfreulicherweise um Kücknitz herum durch den siedlungsnahen Wald des Kücknitzer Mühlenbaches und endet dann, so schien es, an einer zweispurigen Bundesstraße.Die Etappe endet tatsächlich ganz regulär mit einer Busfahrt: Der E1 quert die Trave Richtung Lübeck durch den 860 m langen Herrentunnel. Radfahrende und Wandernde – erstere sind hier klar in der Überzahl – sammeln sich an einer Bushaltestelle direkt am E1 und fahren mit dem kostenlosen Shuttle unter dem Fluss durch.

Svenja Walter

Tal der Schwartau bei Bad Schwartau
Ortsrand von Ratekau
Hof bei Ratekau-Kreuzkamp
Weinbergschnecke am Baum

Etappe 14: Lübeck-Kücknitz – Krummesse

Ganz nüchtern betrachtet und mit einem kurzen Blick auf die heutige Etappe könnte man sagen, ich bin den ganzen Tag um Lübeck herum gelaufen. Von der Hansestadt mit dem bekannten Holstentor habe ich nicht viel gesehen. Bei einem längeren Blick auf die Karte wird deutlich, dass der E1 durch eine Reihe von Naturschutzgebieten vor den Toren der Hansestadt Lübeck führt.

Von der Trave ging es in das Lauerholz, ein dichter Wald mit schwarzen morastigen Tümpeln. Bereits 1882 als Erholungswald für die HansestädterInnen angelegt, begann man im Jahr in 1920 aufgrund einer Mückenplage damit, die stehenden Gewässer zu beseitigen. Zum Glück für die Natur sind noch einige Gewässer erhalten und Mücken ebenso. Ab wann sie offiziell als Plage eingestuft werden, weiß ich nicht, immer wenn ich stehen blieb, haben sie mich jedenfalls geplagt.

Die Moorwälder des Wesloer Moors fand ich aber so faszinierend, dass ich ein paar Mückenstiche gerne in Kauf nahm: unzählige im Wasser und Schilfgras versunkene Bäume, schweigsame Moorseen und eine scheinbare Undurchdringlichkeit – der E1 geht mitten hindurch auf angenehm weichem Waldboden. Als Teil eines Fauna-Flora-Habitat-Gebiets stehen die Moorwälder sogar unter europäischem Schutz.

Dann ging es direkt ins nächste Naturschutzgebiet: die Wakenitzniederungen bei Lübeck. Als ehemaliger deutsch-deutscher Grenzfluss sind die Ufer der Wakenitz abgesehen von ein paar niedlichen Schrebergärten fast unverbaut geblieben. Schon seit dem Mittelalter hingegen ist sie angestaut, sodass sich viele seenartige fast stehende Gewässer gebildet haben. Auf den letzten 6 Kilometern war Asphaltwandern entlang der Landstraße angesagt. Aber ich hatte mein Nachmittagstief gerade überwunden, die schwüle Luft des vorangegangenen Regenschauers war verflogen und so konnte ich auch diesem Abschnitt viel positives abgewinnen: leuchtend gelb-weiße Margeriten am Wegesrand zum Beispiel oder die in der Abendsonne glänzenden Ähren der Gerstenfelder. Ziel war die St. Johannis Kirche in Krummesse.

Svenja Walter

FFH Gebiet Moorwälder Wesloer Moor
Paddelgenuss auf der Wakenitz
Zwischen Blankensee und Krummesse
St. Johanniskirche in Krummesse

Etappe 15: Krummesse – Farchau

Der Morgen auf dem E1 war geprägt vom Elbe-Lübeck-Kanal. Er verbindet die Elbe mit Lübeck und somit mit der Ostsee und ist zu seiner linken und rechten überraschend grün, eigentlich sollte mich das in Schleswig-Holstein nicht mehr überraschen. Für heutige Containerschiffe ist der Kanal nicht mehr ausgelegt, aber früher …. ! Früher, ab 1398, hatte die Wasserstraße, damals noch unter dem Namen Stecknitz, ihre wirtschaftlich wertvollste Nutzungsphase. Zu der Zeit ließ die mächtige Hansestadt Lübeck auf der Stecknitz das Lüneberger Salz zur Ostsee transportieren. Es wurde u. a. gebraucht, um den gefangenen Fisch haltbar zu machen. Das „weiße Gold“ brachte die Lübecker Kaufmannsleute zu Reichtum, denn es war in ganz Skandinavien sehr begehrt. Die Stecknitzschiffer, die aus den umliegenden Orten der Stecknitz kamen und fündige Salzherren arbeiteten, bildeten später eine eigene Zunft in Lübeck. Die Kähne wurden über den Uferweg gezogen, auf dem heute der E1 verläuft. Deshalb heißt der Weg auch Alte Salzstraße. Eine Stecknitzfahrt dauerte von Lauenburg an der Elbe bis nach Lübeck zwei bis drei Wochen, je nach Wasserstand und Ladung.

Der E1 biegt nach sechs Kilometern ab und führt dann auf langen menschenleeren Wald- und Feldwegen zum großen Ratzeburger See. Die Ankunft am Steg mit dem kleinen Reetdach und den friedlich daliegenden Booten war auf jeden Fall ein Highlight. Lediglich ein fahles Licht schaffte es heute durch die Wolkendecke, aber dieser Ort mit seiner absoluten Ruhe ließ bei mir unmittelbar ein Gefühl von Urlaub aufkommen. Nach einem Stück Apfelkuchen am Campingplatz musste ich mich allerdings losreißen. Es ging weiter durch den Uferwald, über die Inselstadt Ratzeburg zur Farchauer Mühle am Ufer des benachbarten Küchensee, dem Ziel unserer 15. Etappe.

Svenja Walter

Nachbau eines Salzkahns bei Berkenthin
Ratzeburger See bei Buchholz
Schmale Straße bei der Inselstadt Ratzeburg
zwischen Domsee und Kleinem Küchensee
Farchauer Mühle

Etappe 16: Farchau – Güster

Seit gestern befinde ich mich im Herzogtum Lauenburg, im süd-östlichen sehr waldreichen Schleswig-Holstein. Die 16. Etappe führte mich zuerst nach Mölln, in die Eulenspiegelstadt. Till Eulenspiegel, der Protagonist aus einem Volksbuch des 16. Jahrhunderts, zog als Schelm umher und spielte seinen Mitmenschen immer wieder neue Streiche, um ihre Unzulänglichkeiten bloßzustellen. Heute wird er oft als Narr dargestellt, andere Deutungen lassen vermuten, dass er vielmehr ein Gesellschaftskritiker war, der seinen Mitmenschen an Witz und Scharfsinnigkeit überlegen war. Laut einer Innschrift auf einem Gedenkstein starb Till Eulenspiegel 1350 in Mölln. Steht man vor der Eulenspiegelfigur gegenüber des Museums, ist ihm der Schelm auf jeden Fall ins Gesicht geschrieben.

Mölln gefiel mir mit dem Wirr-warr aus kleinen Seen, dem hübschen Hellbach, an dessen Ufern pittoreske Gärten und alte Villen stehen. Es war zu schön, um keine Pause zu machen, obwohl noch 20 von 30 km vor mir lagen. Von der Stadt aus ging es zunächst mehrere Kilometer entlang der Ufer von Schmal- und Drüsensee, nur zwei von über 40 Seen im Naturpark Lauenburgische Seen, zu dem auch der Ratzeburger See gehört. Es war wunderschön. Es roch nach See - bisher war mir nicht bewusst, dass es einen Seegeruch gibt, aber jetzt kenne ich ihn - und das Sommergefühl wurde nach einem Fußbad und ein paar Barfuß-Metern mit den Wanderschuhen in der Hand noch verstärkt. Eine Geschenk an meine Füße!

Dann führt der E1 erfreulicherweise durch das Naturschutzgebiet Hellbachtal, von dem mir bereits ein Anwohner vorgeschwärmt hatte. Das Hellbachtal hat mich mit seinen Schilfgraswiesen fasziniert, der Hellbach selbst zeichnet sich nur durch eine Baumreihe, die sich durch das hohe Gras schlängelt, ab. Eine wunderschöne Landschaft. Dann hieß es Streckemachen auf geraden Waldwegen durch Kiefernforste, den Mücken davonlaufend, zum Etappenziel Güster.

Svenja Walter

Farchauer Hof
Blick auf Mölln
Eulenspiegelfigur gegenüber vom Museum in Mölln
Schmalsee im Naturpark Lauenburgische Seen
Große Kiefernforste auf dem Weg nach Güster

Etappe 17: Güster – Grande

Der Start war etwas holprig durch dichten Kiefernwald auf leicht zugewachsenen Wegen. Aber es sollte der einzige Abschnitt dieser Art für den heutigen Tag bleiben. Zwischen Lindenalleen tauchte wie aus dem Nichts Gut Wotersen in barockem Gelb in einer Ansammlung von Stallungen auf. Ich traf die Köchin und Haushälterin des Gutshauses, die mit einem dicken Schlüsselbund in der Hand auf dem Fahrrad über das Gelände fuhr. Sie ist seit über 21 Jahren Köchin für die in dem Gutshaus lebende Familie und kennt nach eigener Aussage „jeden Grashalm und jede Fuge hier“. Das Gutshaus war drei Jahrhunderte lang im Besitz der Adelsfamilie Bernstorff, heute ist es vor allem auch Veranstaltungsort, z. B. für das Schleswig-Holstein-Musik-Festival. Die Besuchenden kommen dann zum Picknicken her, manche „mit Holztisch und Kronleuchter“, erzählte die Köchin schmunzelnd.

Ab dem Gut Wotersen führt der E1 durch Felder des Herzogtum Lauenburg immer gen Westen. Eigentlich hatte ich mir die Landschaft in Schleswig-Holstein vielfach so vorgestellt, die Ausmaße versteht man jedoch erst wenn man zu Fuß unterwegs ist, im eigenen Tempo. Und mir ist mal wieder klargeworden: es braucht keine spektakulären Landschaften. Die heutige Etappe ließe sich vielleicht ganz treffend mit „unaufgeregt schön“ beschreiben, bisweilen monoton. Doch dann gibt es diese magischen Momente, in denen ich anhalte und aufschaue, anders schaue, eine Harmonie aus Licht, Farben, Formen und Bewegungen sehe und mich nicht satt sehen kann: an dem im Wind wiegenden Meer aus goldenen Halmen und Ähren, den Schwalben, die im rasanten Tiefflug dicht darüber hinweg segeln, den sattgrünen Bäumen und darüber am Horizont weiße bauschige Wolken, die wie auf einer unsichtbaren Ebene angeordnet am weiten blauen Himmel hängen. Mehr braucht es nicht, es war ein vollkommen erfüllter Moment.

Beim Weitwandern hat man die Zeit sich treiben zu lassen, sich zwischendurch zu verlieren in der Landschaft und sich wieder zu finden. Denn es gibt nichts anderes zu tun als Gehen. Wenn man jeden Tag weit wandert, dann wird „noch 5 km“ irgendwann zu „nur noch 5 km“, das ist ein cooles Gefühl. Die Tage verschwimmen, ist heute Mittwoch oder Donnerstag? Nichts zu tun außer Gehen - und Ankommen (heute in der hübschen Grander Mühle). Es ist eine ewige Balance aus weitergehen und ankommen. Ich weiß schon, dass ich mich morgen früh wieder freuen werde loszugehen.

Lindenallee vor Wotersen
Gut Wotersen
Felder zwischen Fuhlenhagen und Basthorst
Ziel erreicht: Die Grander Mühle

Etappe 18: Grande – Hamburg-Bergedorf

Am Morgen habe ich „meinen“ ersten E1-Wanderer getroffen! Auf meiner sechsten Etappe, insgesamt unserer 18. Rüdiger ist Lehrer und ist auf dem E1 seit einigen Jahren immer wieder etappenweise unterwegs. Vor der Corona-Pandemie ist er aus dem Süden kommend nach Hamburg gewandert und gestern wieder gestartet. Wären wir nicht in entgegengesetzte Richtung unterwegs gewesen, wären wir sicherlich ein Stück zusammen gegangen. So standen wir im Wald auf dem Weg und tauschten uns aus über die jeweils vor uns liegenden Streckenabschnitte. Sehr nett! Den meisten Menschen, mit denen ich hier gesprochen habe, war nicht bewusst, dass der E1 überhaupt an ihrer Haustür vorbeiführt. Mit Rüdiger kann ich mich hingegen über die kleinen Details des Wanderlebens unterhalten und wir finden viele Gemeinsamkeiten.

Dann ging es weiter fast den ganzen Tag durch das Naturschutzgebiet Billetal Richtung Hamburg. Schattige, wurzelige Waldpfade, rechts die Bille, mal direkt neben mir, mal weiter weg im Schilfgras verborgen. Dann einige von Forstmaschinen umgepflügte Wege, auf denen ich etwas Mühe hatte, auf dem E1 zu bleiben. Auf Instagram, wo wir täglich berichten, beantwortete ich Fragen von anderen Wandernden, sinnierte über die bereichernde Erfahrung des Allein-Weitwanderns und darüber, wie ich mich motiviere, wenn die Wanderlaune mal nachlässt. Inzwischen habe ich mich nochmal ein Stück besser kennengelernt, weiß, wie ich meine Pausen am besten mache. Trotzdem nahm ich innerlich langsam Abschied von Schleswig-Holstein.

Entlang der Bille wanderte ich nach Hamburg hinein. Die Szenerie änderte sich, wurde städtischer. Bisher war ich immer neugierig auf die wenigen kleinen Ortschaften entlang des E1, oft nur Siedlungen, aber die hübschen Häuser und Gärten waren stets eine willkommene Abwechslung. Hamburg, der Verkehr und die relativ vielen Menschen waren ungewohnt. Ich musste an Rüdigers Worte denken, der sagte: „Seit ich fernwandere und zu Fuß in einer Stadt ankomme, weiß ich wirklich, wo sie liegt!“ Das konnte ich gut nachempfinden. Das Bergedorfer Schloss markierte den Endpunkt der Etappe. Ich bin gespannt auf den morgigen Tag in Hamburg, unserer vorerst letzten Etappe, bis es dann am 4. Juli hier weitergeht.

Naturschutzgebiet Billetal
Svenja trifft Rüdiger, er läuft den E1 in die andere Richtung
Bergerdorfer Schloss

Etappe 19: Hamburg-Bergedorf – Hamburg-Altona

Der E1 führte mich auf der heutigen Etappe in Hamburg zuerst noch einmal ins Grüne, in das Naturschutzgebiet Boberger Niederungen. Hier gibt es viele verschiedene Lebensräume auf engstem Raum: djungelartigen Wald, Heideflächen, Marschland und vor allem eine Wanderdüne, die mich natürlich sehr interessiert hat. Es ist Hamburgs letzte Wanderdüne und Überbleibsel einer ehemals riesigen Dünenlandschaft, die im 19. und 20. Jahrhundert nach und nach für Bauzwecke abgetragen wurde. Davor waren die Dünen den starken Winden im früheren Elburstromtal ausgesetzt und veränderten dadurch ihre Form und Position. Ob, und wenn ja wie weit, die Boberger Wanderdüne – ich nenne sie mal Bobbi – heute noch wandert, konnte ich leider nicht herausfinden.

Einige Stunden lang wanderte ich dann zwischen Häuserblöcken und durch Wohnsiedlungen, zwar oft entlang parkähnlicher Grünstreifen, trotzdem gab es verglichen mit den letzten Tagen eindeutig mehr Lärm und Verkehr. In den letzten Tagen wunderte ich mich schon an manchen Orten über die Wegführung des E1. Aber dann fiel mir wieder ein, dass dieser Europäische Fernwanderweg schon 50 Jahre alt ist und versuchte mir vorzustellen wie es wohl vor 50 Jahren hier ausgesehen haben könnte. Anders als viele Wanderwege heute ist der E1 nicht so angelegt, dass er ausschließlich zu den Highlights einer Region führt. Vielmehr verbindet er Regionen und Landschaften und man lernt die Regionen so kennen, wie sie nun mal sind. Der E1 zeigt wie alles zusammenhängt und das ist irgendwie ein schönes Gefühl.

Endlich, die Außenalster! Jetzt erkannte ich Hamburg wieder. Auch ein paar „X“e fand ich ab und zu, umklebt von Dutzenden Stickern und nicht mehr an Bäumen sondern an Laternenpfählen. Es ging noch ein ganzes Stück durch den Park „Planten & Blomen“, zwischen Spazierenden, spielenden Familien und Skateboardern am Samstagnachmittag, dann nach St. Pauli und zu den Landungsbrücken im Hamburger Hafen – mein persönlicher Zieleinlauf und das Tor zur Welt! Vorbei am Fischmarkt endet unsere 19. Etappe und damit unser erster Abschnitt der E1-Wanderung durch Deutschland in Altona. Es hat Spaß gemacht, Schleswig-Holstein zu Fuß kennen zu entdecken und macht definitiv neugierig auf mehr! In Hamburg sehen wir uns am 4. Juli wieder – auf dem E1.

Svenja Walter

Hamburgs letzte Wanderdüne 
An der Außenalster
Wegmarkierungen sehen jetzt etwas anders aus
An den Landungsbrücken im Hamburger Hafen

Noch mehr Eindrücke von den bisherigen Etappen findet ihr auf Instagram in unserem Story Highlights!