Am 23. Mai kommt "Edie - Für Träume ist es nie zu spät" in die deutschen Kinos. Ricarda und Svenja aus der Redaktion durften den Film schon vor dem offiziellen Kinostart sehen und haben den Regisseur Simon Hunter auf Skype für ein Interview getroffen.

Filmsynopsis 

Edie (Sheila Hancock) hat sich ihr Leben lang nach den Bedürfnissen anderer gerichtet. Als ihre Tochter sie in ein Altersheim stecken will, beschließt die 83-Jährige, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich einen fast vergessenen Traum zu erfüllen: den Berg Suilven in den schottischen Highlands zu erklimmen. Mit ihrer angestaubten Wanderausrüstung wagt sie das Abenteuer und engagiert den jungen Jonny (Kevin Guthrie), um sie für den herausfordernden Aufstieg vorzubereiten. 


INTERVIEW

Wandermagazin
Eine Sache, die wir aus dem Film auf jeden Fall mitgenommen haben, ist Inspiration. Geh raus, geh wandern und genieß die Natur – und das unabhängig vom Alter. Was war Ihre Inspiration für diesen Film?

Simon Hunter: 
Ich bin in Schottland aufgewachsen und als kleiner Junge viele Male auf dem Ben Suilven gewesen. Ich wollte unbedingt eine Geschichte erzählen, die dort spielt. Ich dachte darüber nach, von welcher Person man am wenigstens erwarten würde, dass sie auf so einen Berg steigt? Es könnte entweder eine sehr junge oder eine sehr alte Person sein. Wer könnte das sein? Warum macht sie das? Ich habe mich für eine ältere Person entschieden, die sich an die Wandererlebnisse ihrer Kindheit und Jugend erinnert und dieses Gefühl, dieses Abenteuer wiederentdeckt. Ich glaube, wenn du auf die 80 zugehst, dann denkst du vielleicht, dass da nichts Gutes mehr kommt, dass alles vorbei ist. Ich wollte jemanden, der ältere Personen inspirieren kann und sie erkennen lässt, dass sie das Glück ihrer Jugend wieder neu aufleben lassen können.  

Wandermagazin
Die Protagonistin Edie schafft es offensichtlich, auch jüngere Menschen zu motivieren. Viele junge Menschen scheinen manchmal festzustecken und denken, alles müsse auf einem geraden Weg verlaufen und z. B. zu einer bestimmten Karriere führen.

Simon Hunter
Ja, das ist ein anderer Aspekt, der mich zu dieser Geschichte motiviert hat. Ich habe mit ein paar Studenten gesprochen, die in ihrem Studium festsaßen. Sie erzählten mir, sie wollten Journalisten werden und ich fragte: Naja, warum studiert ihr nicht Journalismus? Und einer sagte: Ich studiere jetzt seit einem Jahr Philosophie, es ist zu spät. Dabei waren sie doch gar nicht alt.

Wandermagazin
Das kommt uns bekannt vor … 

Simon Hunter: 
Ja, ich bin mir sicher, das tut es. Man sieht das große Ganze nicht und eigentlich muss man nur den Mut haben, die Richtung zu ändern. 

Wandermagazin
Wir wissen, dass Sie selbst gerne wandern.

Simon Hunter:
Ja, ich habe gerade vor diesem Interview mit Freunden gesprochen, die ich vorletztes Jahr beim Wandern in Neuseeland getroffen habe. Sie sind ein älteres Paar, wie Edie. Damals habe ich sie überredet nach Schottland zu kommen und in drei Wochen werden sie ein bisschen auf dem West Highland Way wandern. Ich werde sie vier Tage lang begleiten zwischen den Filmvorführungen von „Edie“. Allerdings muss ich noch planen, wie ich an einem Tag aus der Mitte Schottlands nach Potsdam kommen kann (lacht).

Wandermagazin:
Warum wandern Sie so gerne? Was motiviert Sie, raus zu gehen?

Simon Hutner:
(überlegt kurz) Ich denke, Menschen haben unterschiedliche Gründe wandern zu gehen. Ich wandere, weil ich es mag in der Wildnis zu sein, es ist einfach herrlich! Vor zwei Wochen bin ich auf den Ben Leoch in Schottland gestiegen. Es war so kalt und verschneit und eisig, aber es war … ich weiß nicht, es war fantastisch, alleine irgendwo im Nirgendwo zu sein. Es ist tatsächlich schwer zu beschreiben. Es sind magische Tage. Diese beeindruckende Schönheit der Natur und du selbst bist so klein. Das macht all deine Probleme und Sorgen so unbedeutend. Du gehst einfach durch diese Welt. Es ist ein winziger Zeitpunkt und dieser Berg oder diese Landschaft wird noch so viel länger dort sein als du. Du spürst es, wenn du da bist und ich denke, es ist etwas sehr besonderes. Es wird mir nie langweilig. Auf der Südinsel von Neuseeland bin ich einmal nahe der Gebirgszüge aufgewacht und ich erinnere mich, wie ich zu mir selbst gesagt habe: Du wirst niemals einen besseren Morgen haben als diesen, egal wie lange du lebst. 

Wandermagazin: 
In der zweiten Hälfte des Films ist Edie auch ganz allein auf dem Ben Suilven.

Simon Hunter
Ja, wir haben viel diskutiert und überlegt, wie lang der Aufstieg im Film dauern soll. Die Zuschauer langweilen sich, wenn es zu lang ist. Ist es zu kurz, wird die Anstrengung des Aufstiegs nicht deutlich. Das haben wir immer versucht abzuwägen, es war knifflig. Aber ja, ich mag die Tatsache, dass Edie allein und auf sich gestellt ist. Das bringt die Zuschauer näher an das Geschehen heran und man kann sich vorstellen, selbst dort am Berg zu sein. 

Simon Hunter © 

Wandermagazin
Wie funktioniert das eigentlich, wenn eine ganze Filmcrew und Schauspieler, unter anderem die damals 83-jährige Sheila Hancock, auf diesem Berg drehen? 

Simon Hunter: 
Ich habe wirklich keine Ahnung. Man hofft einfach, dass es klappt. Ich wollte diese Szenen unbedingt vor Ort drehen, damit ich später, wie jetzt, in einem Gespräch sagen kann: Ja, Sheila ist da wirklich hoch. Der Weg, den man im Film sieht, ist dem richtigen Weg sehr ähnlich. Ungefähr 14 Kilometer sind es bis zum Fuß des Berges und dann klettert man vier Stunden auf Händen und Knien da hoch. Normalerweise kann man diese Wanderung an einem sehr langen Tag schaffen, also um sechs Uhr morgens los und gegen acht Uhr abends zurück. Aber zum Filmen, mit Schauspielern und Kameras und allem, geht das natürlich nicht. Wir haben es in Etappen gefilmt. Wir haben auf gutes Wetter gewartet, die Rucksäcke gepackt und sind für ein paar Kilometer los gewandert. Dann wurde alles ausgepackt, die Kameras vorbereitet, ein bisschen gefilmt, wieder alles eingepackt und weiter. Abends ging es dann zurück zum See zum Campen und morgens wieder los. Wenn Sheila auf die Toilette wollte, musste sich das ganze Filmteam umdrehen, dort steht ja kein Baum oder Busch. Alle waren in Zelten untergebracht, es war ziemlich kalt – wir waren Anfang Mai vor Ort. Und dann die Ungewissheit, ob Sheila wirklich bis zum Gipfel kommen wird. Ich glaube, das hatte viel mit ihrer Willensstärke zu tun – Sheila ist die älteste Person, die den Ben Suilven erklommen hat. Aber man weiß halt nie, was passieren kann. Wir hatten viel Glück dabei.

Wandermagazin
Wie haben Sie nach der Besetzung für Edie gesucht?

Simon Hunter
Ich fragte nach Schauspielerinnen, die, aus meiner Sicht, sehr fit für ihr Alter waren. Jemand mit Durchhaltevermögen. Sheila hat genau das. Bevor sie ans Set kam, war sie auf der Bühne unterwegs und sprang da herum, wie ein Teenager – einfach unglaublich. Als ich sie traf, fragte sie: Aber du erwartest nicht wirklich, dass ich da hoch klettere? Ich habe auf den Boden geschaut und gesagt: Naja, eigentlich schon. Sheila ist im Grunde keine „Outdoor-Person“. Aber sie wollte es schaffen  und hat viel dafür trainiert.

Wandermagazin: 
Welchen Ratschlag haben Sie für diejenigen, die sich „Edie“ ansehen und das Kino voller Abenteuerlust verlassen, aber schon lange nicht mehr so in der Natur unterwegs waren?

Simon Hunter: 
Ich denke, es ist wichtig, nicht zu ängstlich zu sein. Du brauchst nicht die komplette Ausrüstung und das Zubehör. Ich würde sagen, nimm was du hast und geh los! Fang mit etwas Kleinem an, trau es dir einfach zu und schau, wie du voran kommst. Stück für Stück wirst du mehr erleben wollen und dir mehr zutrauen. Das Wichtigste ist, sich keine Sorgen zu machen. Sorgen sind der Feind des Wanderns. Es wird alles klappen. Das ist ja das tolle am Wandern. Wenn man z. B. im Winter in Schottland wandern geht und Probleme mit dem Wetter hat, dann geht es  darum, dass man diese Probleme lösen muss. Da ist niemand sonst, der dir helfen könnte. Und diese Erfahrung ist sehr zufriedenstellend und gut für dich. Wichtig ist einfach nur, dass man raus geht und es macht. Hör nicht auf zu viele Experten, mit ihrem „mach das besser nicht und mach das aber so“. Einfach rausgehen und es selbst versuchen, etwas kleines und nicht allzu schwieriges. Der West Highland Way ist da zu empfehlen. Ein schöner Weg und sehr gut beschildert. 

Wandermagazin
Was steht auf Ihrer Wanderliste ganz oben? Welchen Weg wollen Sie unbedingt gehen? 

Simon Hunter:
Oh, da gibt es so viele und einfach nicht genügend Zeit. Letzten Sommer wollte ich auf dem Kings Trail in Schweden wandern, das steht noch aus und ganz oben auf der Liste. Ich möchte auch gerne in einigen der Nationalparks im Süden von Argentinien wandern. Und auch auf einem der großen nordamerikanischen Trails, der kanadische Great Divide Trail sieht toll aus. Der verläuft ungefähr tausend Kilometer mitten durch die Rocky Mountains und dort wird tatsächlich mein nächster Film spielen. Das ist also sehr verlockend. Die Bären stören mich nicht, die sind okay. Schlangen mag ich nicht.

Wandermagazin:
Dann dürfen wir schon auf Ihren nächsten Film gespannt sein.

Simon Hunter:
Ja, es ist wieder ein Outdoor-Film mit wunderschönen Landschaften.

Wandermagazin
Ihre vorherigen Filme gehören ja dem Science Fiction Genre an. Wie kam es zu diesem Wechsel zu Outdoor-Filme?

Simon Hunter
Ich denke, ich habe diese Filme damals fast aus Versehen gemacht. Sie wissen wahrscheinlich, was ich meine, wenn es um den Beruf geht: Man beginnt mit seinem ersten Projekt, ohne wirklich nachzudenken, und es passiert einfach. Und dann macht man sich an das nächste Projekt und die Leute wollen dieselbe Art der Arbeit wieder haben und so geht es weiter. Es entwickelt sich zu einer Art Marke, die für dich und deine Arbeit steht. Ich bin älter geworden und dachte daran, dass ich viel lieber etwas machen will, was mich als Person und meine Interessen zeigt. Etwas, das ich selbst genießen kann und einem Publikum zeigen will. Also entschloss ich mich, etwas anderes zu versuchen. Meine Filme waren okay, sie haben ein Publikum gefunden. Aber manchmal ist es einfach gut, seinem Herzen zu folgen und das habe ich mit „Edie“ getan und werde es auch mit meinem nächsten Film tun. 


 

Simon Hunter

Simon Hunter wurde 1969 in Leicester, England, geboren und ist in Schottland aufgewachsen. Nach seinem Studium an der Filmhochschule in Surrey, England, schrieb Simon Hunter zunächst Kurzfilme und führte Regie. Sein Kurzfilm Wired überzeugte das britische Fernsehen, welches 1999 in seinen ersten Langspielfilm LIGHTHOUSE – INSEL DES GRAUENS (1999) investierte. Der Film wurde auf renommierten europäischen Festivals ausgezeichnet. Außerdem realisierte Hunter Fernseh- und Werbefilme. Nachdem Simon Hunter den Science-Fiction-Film MUTANT CHRONICLES (2008) fertiggestellt hatte, fing er an, sein Herzensprojekt EDIE – FÜR TRÄUME IST ES NIE ZU SPÄT zu entwickeln. Simon Hunter wohnt in Dresden und London, verbringt aber auch immer wieder Zeit in den schottischen Bergen.

FILMOGRAFIE (AUSWAHL)
2017 EDIE – FÜR TRÄUME IST ES NIE ZU SPÄT
2008 MUTANT CHRONICLES
1999 LIGHTHOUSE – INSEL DES GRAUENS
1997 WIRED (Kurzfilm)

www.simonhunter.com