Was sind schon 40 Jahre? Aus der lebenspraktischen Perspektive des Gründers betrachtet sind die vier Jahrzehnte bereits eine Ewigkeit. Solange ist es her, dass in einem kleinen Dachstübchen im Bonner Stadtteil Dottendorf die Idee eines Wandermagazins auf einer Schwinghebel-Reiseschreibmaschine entstand.
von Michael Sänger
Gründer und Herausgeber des Wandermagazins
Diese 40 Jahre Zeitspanne sind der Anlass, die Geschichte des Wandermagazins aus meiner ganz persönlichen Perspektive zu erzählen. Ich war 1984 gerade zum dritten Mal Vater geworden und arbeitete als Vertriebsleiter bei einem Wirtschaftsfachverlag in Bonn. Von Kindesbeinen an war ich ein Wanderfreak. Erst durfte ich die Streifengänge meines Vaters, Zöllner an der deutsch-französischen Grenze, begleiten. Später, als wir an den Niederrhein gezogen waren, folgten Wanderungen im Reichswald, im Naturpark Schwalm-Nette oder in der Nordeifel. Unvergessen mein Urlaub als Azubi im 3. Lehrjahr in Beerfelden im Odenwald. Tag für Tag streifte ich durch diese schwingende Landschaft. Dann kam der erste Hochgebirgsurlaub und führte uns auf die Rofenhöfe über Vent im hinteren Ötztal. Tag für Tag „rannte“ ich vor dem Mittagsessen mal eben 800 Höhenmeter rauf und runter zur Breslauer Hütte. In geliehenen Bergwanderschuhen auf die Wildspitze. Werde ich je vergessen, wie kurz nach dem Erreichen des Gipfels in Eis und Schnee im Osten der rotglühende Sonnenball aus dem Dunkel des Alpenhauptkammes aufstieg? Natürlich nicht.
Per pedes zum Studienort
Als Student wanderte ich sonntags per pedes von Bonn zur Uni nach Aachen und freitags zurück. Auch für das zweite Studium in Duisburg wählte ich häufig den Fußweg über das Bergische Land und die Ausläufer des Märkischen Sauerlandes bis zu meinem Studentenwohnheim in Mülheim an der Ruhr. Wandern war mein Hobby, meine Wohlfühlaktivität, schon früh der Weg, um mich auspowern oder ausbalancieren zu können. Die Urlaube führten mich in dieser Zeit vorzugsweise in die unberührte Wildheit Skandinaviens. Tagelang im tiefen Zwiegespräch mit mir und im Austausch mit der Natur, einfach unterwegs sein. War das nicht mein Himmel auf Erden?
Auf die Idee, ein Magazin zu diesem Gehsport und Gehvergnügen zu entwickeln, brachte mich Anfang der 1980er Jahre mein erster Arbeitgeber. Hier erwarb ich die Kenntnisse zur Entwicklung von Geschäftsideen, erlernte die Techniken der Unternehmensgründung. Hier bildete ich kaufmännische Auszubildende und Volontärinnen und Volontäre verschiedener Redaktionen aus. Nach fünf Jahren beschloss ich mit meiner Frau, mich wirtschaftlich auf eigene Füße zu stellen. Dabei sollte meine Managementexpertise für andere Unternehmen die finanzielle Grundlage für die Gründung eines eigenen Verlages liefern. Ich beriet Verlage wie C.H. Beck, Ceres, die Grieben-Reiseführer aus dem Thiemig-Verlag oder die Zeitschrift „Die Kunst und mein schönes Heim“. Für den Verlag „Beste Unternehmensführung“ betreute ich das Loseblattwerk „Der Erfolgs- und Karriereberater“. In dem Vorstandsvorsitzenden der Münchner Karl Thiemig AG fand ich durch das Beratermandat einen begeisterten Befürworter einer gemeinsamen professionellen Entwicklung meines Magazins.
Die Anfänge
1984 erstellte ich im besagten Dachstüberl eine erste Nullnummer des Wandermagazins. Die Titelanmeldung war erfolgt und über Kleinanzeigen im Bonner Generalanzeiger fand ich interessierte und vor allen Dingen wanderbegeisterte Menschen, die sich redaktionell – und ehrenamtlich – engagieren mochten. So entstand Anfang 1985 eine zweite, um viele Beiträge der freiberuflich Mitwirkenden ergänzte Nullnummer. Im April 1985 dann, endlich, die erste 66-seitige gedruckte Ausgabe der Zeitschrift „Das Wandermagazin“. In der Folge engagierte ich einen Anzeigenleiter und fand in den leerstehenden Räumen meines ehemaligen Arbeitgebers geeignete preiswerte Büroräume für den Start. Ausgestattet mit Telefonen und Schreibmaschinen sowie Karteikästen für die Abonnementverwaltung, leitete ich meinen Verlag, mein Beratungsunternehmen und übernahm noch die Geschäftsführung eines papierverarbeitenden Betriebes in Overath.
Inzwischen hatten sich die Verhandlungen mit der Thiemig AG zur gemeinsamen Gründung einer Wandermagazin GmbH so konkretisiert, dass der Mehrheitsgesellschafter Karl Thiemig AG und meine Wenigkeit die Wandermagazin GmbH gründeten. Der Mehrheitsgesellschafter hatte neben der Stammeinlage die schriftliche Zusage gegeben, 100.000 DM für die Professionalisierung des Wandermagazins als Startdarlehen einzuzahlen. Darauf vertrauend wagte ich die Formatvergrößerung des Magazins von DIN A5 auf DIN A4 und die Erhöhung des Farbanteils. Doch es folgte der GAU. Im Februar 1986, die erste Ausgabe im neuen Format war gerade in den Druck gegangen, ging die Karl Thiemig AG in Konkurs. Das dringend benötigte Startdarlehen sowie die Stammeinlage blieben nur ein Traum.
Der steinige Weg durch die 80er
Mir blieb nichts anderes übrig, als meinerseits die Insolvenz der Wandermagazin GmbH zu beantragen und mich mit allen Mitteln gegen die Bemühungen des Insolvenzverwalters zu stellen, neben den verbliebenen Forderungen auch die Titelrechte zu verscherbeln. Durch Zufall erfuhr ich, dass der Verlag Bielefelder Verlagsanstalt größtes Interesse am Erwerb der Titelrechte und des Abobestandes hatte, dazu aber eine Titeländerung plante. Das Magazin sollte fortan unter dem Titel „Wandern“ erscheinen. Flugs meldete ich meinerseits den Titel „Wandern“ als regelmäßige Beilage mit ausgearbeiteten Tourentipps für „Das Wandermagazin“ an und reklamierte die Titelrechte zum Wandermagazin gegenüber dem Insolvenzverwalter als mir zustehend, da der Mehrheitsgesellschafter weder seine Stammeinlage noch das schriftlich zugesagte Startdarlehen einbezahlt hatte. Heute weiß ich ehrlicherweise nicht mehr wie und warum, aber die Bielefelder Verlagsanstalt scheiterte mit der Anmeldung der Titelrechte durch meinen Schachzug und vermutlich verlor der Insolvenzverwalter das Interesse an der weiteren Verfolgung. Fazit: Die Titelrechte am Wandermagazin blieben bei mir und meiner Frau. Es konnte weitergehen.
Es folgte die Annäherung an den Deutschen Wanderverband und die Herausgabe des Wandermagazins als „Offizielles Organ des Deutschen Wanderverbandes“. In dieser Eigenschaft nahmen wir auch an den Deutschen Wandertagen 1987 bis 1989 teil. Freilich entpuppte sich die Hoffnung auf „massenweise“ neue Abonnements aus den damals rund 650.000 Verbandsmitgliedern als völlig fehlgeleitet. Ich hatte verkannt, dass die Mitglieder bereits regional zugeschnittene Vereinszeitschriften im Rahmen ihrer Mitgliedschaft erhielten. An einer überregionalen Berichterstattung zum Wandern bestand Null Interesse. Ja, und dann begannen die Trubel- und Jubeltage im Umfeld des Mauerfalles. Würden sich neue Chancen für das Wandermagazin ergeben? Lesen Sie in der nächsten Ausgabe, wie sich das Wandermagazin in den 1990er Jahren entwickelte.
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