Text von Andrea C. Bayer
Fotos: Andrea C. Bayer & Nina Heyder

Nina war noch nie auf der Schwäbischen Alb. Ich bin auf der Ostalb geboren und aufgewachsen. Die Gegend um Albstadt jedoch kenne ich kaum. Die Voraussetzung fürs gemeinsame Erkunden ist perfekt: Wir suchen uns zwei der vom Deutschen Wanderinstitut als Premiumwanderwege geadelten „Traufgänge” aus. Nina stellt Fragen wie: „Was hat es eigentlich mit diesem Trauf auf sich?” Ich erzähle etwas über den Albtrauf und merke trotz all der Anstrengung des Bergaufgehens, wie viel Heimat für mich in dieser Landschaft steckt. Da sind satt grüne Wiesen, aus denen lilafarbene Blütenköpfe ehrgeizig gen Himmel ragen. Da sind schimmernde Silberdisteln am Wegesrand, Buchenwälder auf Kalksteingrund und Anhöhen, für die jeder Schritt im Anstieg lohnt.

Felsenmeersteig: Aufstieg mit Aussicht

Trittsicher durch das Felsenmeer waten

Nina und ich sind mutig: Gleich für den ersten Tag nehmen wir uns den Felsenmeersteig vor. Das ist der anspruchsvollste der acht Sommer-Traufgänge. Laut unserem Wanderbüchlein, das wir in unserer Ferienwohnung vorfinden, ist der Felsenmeersteig 16,8 Kilometer lang; 723 Höhenmeter sind zu überwinden. Ich denke nicht weiter darüber nach, verliere mich in Details am Wegesrand und freue mich auf den namensgebenden Abschnitt, das Felsenmeer. Innerlich lache ich über mich selbst, bei dem Gedanken, wie passend dieser Weg doch ist für jemanden, der Felsen liebt und am Meer lebt. 
Imposant sind sie, diese steinernen Gebilde, die wiederum entstanden sind aus Ablagerungen, welche der Ozean hier vor Urzeiten hinterlassen hat. Wasser, Temperatur und Zeit formen bis heute, was unseren Wanderweg säumt. Moose und Farne bereichern das Bild. Unsere Blicke wandern nach oben. Die Füße halten einen Moment lang still, denn hier und da muss man doch aufpassen, wo man hintritt.

Ausblick vom Picknickplatz

Unweit der Ruine Schalksburg finden wir eine Bank mit einer Aussicht, die perfekter nicht sein könnte für die Mittagspause. Wir gucken ins Tal und auf die gegenüberliegenden Höhenzüge, während sich die wärmende Herbstsonne hinter Wolkenbänder schleicht und einen Szenenwechsel ankündigt. Schweigsam beobachten wir den Umbau unseres Bühnenbildes, ziehen vorsichtshalber unsere Regenjacken über und gehen weiter. Schließlich haben wir noch ein gutes Stück Strecke vor uns. Mammutbäume, Herbstzeitlose, Fossilien mitten auf dem Weg. Ich erzähle Nina von meiner kindlichen Begeisterung für Steinbrüche und für die bis heute anhaltende Faszination für schroffe Landschaften.

Große, stille Begleiter am Wegesrand – Mammutbäume 

Bis auf 981,8 Meter über dem Meeresspiegel geht’s auf dem Gebiet um Albstadt in die Höhe. Das ist etwas extremer als in meiner alten Heimat und doch so vertraut. Es sind Elemente wie Wacholderheiden mit Schafherden, die zu dieser Vertrautheit beitragen. Welch ein Glück, dass Nina die Begeisterung für Natur und Landschaft teilt! Auch dann, wenn der Himmel noch düsterer wird und das Goretex es kaum mehr schafft, uns trocken zu halten. 

Vom Stempeln und Saunieren

Felsenmeersteig-Stempel 1 und 2: Check!​

„Das ist einfach ein Zeichen, damit wir nicht mehr so rumtrödeln”, werfe ich Nina lachend zu. Denn in der Tat sollten wir uns langsam an den Abstieg machen. Die Abschlusspause an der Kneippanlage, auf die wir uns vom Morgen an gefreut hatten, fällt dem Dauerregen zum Opfer. Das ist schade, aber nicht so richtig schlimm, da wir uns für den Abend schon für eine ausgiebige Runde Sauna mit Aufgusszeremonie entschieden haben. Denn schließlich ist das hier eine Mädelsauszeit und bei der darf das Thema Wellness ja nicht fehlen!

Auch nicht fehlen darf unser zweiter Felsenmeersteig-Stempel: Wir sind mit Traufgänge-Stempelpässen losgezogen und mit dem Ansporn, beide Stempelstationen am Weg zu finden. Regen hin oder her: Wir zupfen unsere Pässe aus den Rucksäcken, öffnen die Tür zum Stempelhäuschen und drücken den zweiten Stempel aufs Papier. Einer wird morgen noch folgen. Und dann? „Wir müssen einfach bald nochmal wiederkommen", sagt Nina mit einer Überzeugung, die ich ihr direkt abnehme. Ja, so ein Wanderstempelbüchlein weckt Ehrgeiz!

Detailreich: Der Traufgang Wiesenrunde

Obwohl unsere Interpretation des Felsenmeersteigs ein paar Höhen- und Kilometer mehr auf die Uhr gebracht hat als das Original, was an unserem Entdeckerdrang und etlichen Fotoschlenkern liegen mag, sind wir am nächsten Tag erstaunlich fit. Die Sonne lacht versöhnlich, als ich mit meinem Morgenkaffee hinaus in den Garten unserer großzügigen Ferienwohnung mit dem schönen Namen „Die Werkstatt” trete. „Bleiben wir bei unserem Plan?”, frage ich Nina. Die packt bereits ihren Rucksack und zeigt mit dem Finger auf das freie Stempelfeld „Wiesenrunde” in ihrem Pass. Alles klar. Mit knapp elf Kilometern und nur 303 Höhenmetern verspricht das heute eine entspannte Tour zu werden.

Wiesenrunde: Entspannt und einfach schön

Spätsommerfarben am Albtrauf

Im Vorfeld finde ich Texte, welche die Traufgänger-Tour Wiesenrunde als malerisch, idyllisch und himmlisch beschreiben. Ich bin gespannt – und werde nicht enttäuscht. Wir starten auf der Anhöhe am Wanderparkplatz Zitterhof. Bald schon leuchtet Eichenlaub über unseren Köpfen. Weiche Waldpfade sind in der Tat himmlisch zu gehen. Und in unser Sichtfeld rücken große Höhepunkte wie die von Bäumen eingerahmte Burg Hohenzollern und kleinere wie in Baumstämme geschnitzte Weggenossen.
Wir schlendern, gehen bergab, unterhalten uns nahezu ununterbrochen und bleiben immer dann stehen, wenn die Natur unsere Aufmerksamkeit wieder auf ihre Zaubereien lenkt: Üppiges Grün auf dem Weg durch den Wald. Miniaturwäldchen aus feinem Moos, die Totholz zieren. Flocken- und Glockenblumen in herausstechendem Violett. 

Typisch Alb: Streuobstwiesen mit Äpfeln, Birnen und Zwetschgen to go

Das einzige, was wir vermissen, ist das Stempelhäuschen. Unruhe macht sich breit: Wir werden es doch nicht verpasst haben? Nein, haben wir nicht. Nach dem Mittagspicknick wird gestempelt. Nun also fehlen uns nur noch sechs Traufgänge … Und für den Moment noch ein paar Höhenmeter: Es sollte doch irgendwann bergauf gehen? Kaum ausgesprochen, ist es soweit. Nicht wild, aber eben nochmal bergauf. Ganz so, wie wir uns das gewünscht haben, für unsere Wanderauszeit in Albstadt. 
Dann folgt eine Belohnung: Im „Hofladen auf’m Berg” gibt es Eis. Regionales Eis in sogar veganen Sorten. Nina strahlt, wir beide löffeln und lassen uns vom Hofladenpaar Beata und Dieter Wißmann noch ein wenig was zur landwirtschaftlichen Direktvermarktung erzählen.

À propos Kulinarik: Die kommt auf der Schwäbischen Alb nirgendwo zu kurz. Ich freue mich zum Abschluss des zweiten Wandertages auf Kässpätzle. Die gehören einfach dazu, zum Wandern im Süden. Und sie rufen Kindheitserinnerungen hervor. Eine Kombination, die nur glücklich machen kann! Auch Nina ist glücklich: Im Brauhaus Zollernalb ist man auf Veganer eingestellt. Älbler Kichererbsenküchle gibt’s. Lecker!

Zum Abschluss eine Runde Pilates

Perfekte Ergänzung zum Wandern: Schnupper-Pilates am Berg
© Juliane Isbrecht

Ob sich das Schlemmen noch rächen wird? Kurz vor unserer Abreise sind wir mit Juliane Isbrecht verabredet. Juliane ist Ernährungswissenschaftlerin und Physiotherapeutin und hat sich, wie man schnell merkt, mit ganzem Herzen dem Pilates-Training verschrieben. Sie nimmt uns mit auf eine Morgenrunde. Auch das haben wir uns genau so gewünscht. Sanft bergan, im frischen Morgenlicht, mit einer guten halben Stunde Schnupper-Pilates. Die Chemie stimmt vom ersten Augenblick an: Wir plaudern, schnaufen, ziehen wärmende Jacken aus. Dann werden die Matten ausgerollt. Juliane nimmt uns mit auf unsere allererste Pilates-Reise. Mit natürlich ruhiger Stimme leitet sie uns an, klar und doch so liebevoll, dass ich schmunzeln muss: Das „Bäuchle” sollen wir anspannen, den Nabel nach innen ziehen. Ich fühle mich wohl, trotz Bäuchle. Meine Kässpätzle bereue ich nullkommanull. Als Juliane sich schließlich von uns verabschiedet, bleiben wir noch einen Moment. Oben auf der Wacholderheide, im frühherbstlichen Spätsommerlicht atme ich noch einmal ganz tief durch. Heimat bleibt einfach Heimat. Mit ihrer Landschaft, ihrem Dialekt und einer Herzlichkeit, die hier im Schwäbischen doch irgendwie besonders ist. 

6 Tipps rund um eine Wanderauszeit in Albstadt

  • Die Traufgänge sind acht prima ausgeschilderte Wanderwege rund um Albstadt, die vom Deutschen Wanderinstitut mit dem Prädikat Premiumwanderwege ausgezeichnet sind. Die Touren sind vier bis rund 17 Kilometer lang und man wählt zwischen unterschiedlichen Anforderungs- und Landschaftsprofilen.
    Extra-Tipp: Neben den acht genannten Traufgängen gibt es noch zwei Winter-Traufgänge. Das Besondere: Sie führen übers freie Feld und können erst präpariert werden, wenn mindestens 20 bis 30 Zentimeter Schnee liegen. Überhaupt ist Albstadt mit seinen Langlaufloipen, Skiliften und Strecken für Winterwanderungen ein Paradies für Liebhaber der kalten Jahreszeit.
     
  • Entlang der Traufgänge gibt’s etliche Hofläden, in denen man wunderbar Pause machen und leckere Kleinigkeiten für zuhause erwerben kann.
     
  • Speziell für die Traufgänge Felsenmeersteig und Hossinger Leiter ist ein morgendlicher Stopp im Hofladen und -café der Krone Lautlingen zu empfehlen. Hier gibt’s leckeren Kaffee, Frühstück und, auf Vorbestellung, sogar Vesperpakete für unterwegs.
     
  • Rund um Albstadt lässt sich’s nicht nur gut wandern: Mit ausgewiesenen MTB-Strecken, dem Bikepark Albstadt mit sechs Trails und einem Netz an Strecken für Mehrtagestouren kommen auch Rad-Fans auf ihre Kosten.
     
  • Nach dem Wandern in die Sauna: Sechs Saunen, zwei Dampfbäder und Innen- und Außenruhebereiche mit Aussicht warten im Erlebnisbad badkap auf Entspannungsgäste. Unser Extratipp: Der Abendaufguss in der Panoramasauna!
     
  • Auf geführten Wanderungen mit den beiden Traufgänge Scouts erfährt man Spannendes zur Landschaft, zur Natur, zur Geschichte und Kulinarik der Region.

Weitere Infos zum Wandern, Radeln, Genießen und Übernachten in Albstadt gibt es auf: www.albstadt-tourismus.de