Text & Bilder: Ricarda Große

Luda Liebe begleitet mich heute als mein persönlicher Monguide, wie die ehrenamtlich tätigen Stadtführerinnen und Stadtführer in Monheim am Rhein genannt werden. Sie ist Monheimerin aus ganzem Herzen, bunt, sympathisch, voller Anekdoten und eine Geschichten-Erzählerin. Ihre Künstlerinnen-Seele leuchtet ähnlich stark wie die Sonne an diesem Tag sofort durch. Die kommenden Stunden verbringen wir in einem regen Austausch, der meine Sicht und Erlebnisse in Monheim am Rhein wirkungsvoll begleitet. Luda kennt sich aus – keine Frage – und wir finden schnell viele Details auf unserem Weg; von der rot leuchtenden Skulptur Rhein Geister, vorbei an Markus Lüpertz' Leda, dem dampfenden Monheimer Geysir von Thomas Stricker und der Marienkapelle aus dem 15. Jahrhundert bis zum schattigen, versteckten Plätzchen unterhalb der Kirche St. Gereon am Rheinbogen. Dabei sind Abstecher vom Weg wärmstens zu empfehlen, um über den „Tellerrand“ zu schauen. 

Unterwegs in Monheim am Rhein Details entdecken
v. l. n. r.: Schelmenturm in der Altstadt, Skulptur Leda am Rheinufer,
Skulptur Gänsemelodie im Rheinbogen am Wasserspielplatz​​

Die lange Geschichte der Stadt leistet hierfür eine vielschichtige Grundlage: Ich kann in der Römerzeit im Haus Bürgel einsteigen, am Rande des Industriegebiets mit dem ehemaligen Standort der Bockwindmühle das 16. Jh. betreten und am Fuße des Kirchturms von St. Gereon die Nachkriegszeit ab 1945 verlassen. Neubauten, Kunstobjekte sowie interaktive Infosäulen lassen mich wiederrum in das Stadterlebnis der Neuzeit eintreten. Diesen Zeitstrahl komplett zu Fuß zu erkunden und das innerhalb von einem Tag, ist etwas Besonderes. Und dabei kommt die Natur nicht zu kurz. Stadtnah unterwegs sein und dennoch einsame Momente in Naturoasen erleben, das ist es, was mich sicherlich nicht zum letzten Mal in die Stadt zwischen Düsseldorf und Leverkusen lockt.

Dank meiner Monguide formen sich zu den Kunstwerken und historischen Bauten schnell Geschichten im Kopf. Wir scherzen über mögliche Feen und Trolle, die am Monheimer Geysir leben – vielleicht Verwandte aus Island? „Geschichten zu Orten bleiben besser im Kopf als nur Daten und Fakten. So macht das Entdecken doch gleich viel mehr Spaß“, erklärt mir Luda, als wir am Deusser-Haus in die Lottenstraße abbiegen, um einen Blick in das neu gebaute Sojus 7 zu werfen –  einem programmreichen Jugend- und Kulturveranstaltungsort. Als wir unsere ausgedehnte Entdeckungstour mit einem Espresso bei Tante Tina am Alten Markt beenden, merke ich erst, wie viele Reize ich in den letzten Stunden aufgesogen habe. Die Pause kommt also genau richtig, denn der Tag ist noch nicht vorbei. 

Wandertipp in Monheim am Rhein
Von einer grünen Oase zur anderen

17,7 km • keine nennenswerte Höhenmeter • einfache Wanderung auf Pfaden, breiten Wanderwegen, Asphalt und gepflasterten Oberflächen

Hier geht's zum ausführlichen Tourentipp


Wo gestern auf heute für morgen trifft

Aalschokker Fiat Voluntas mit begehbaren kleinen Museumsraum in der Kajüte

Natürlich ist und bleibt Vater Rhein der Protagonist auf den Wegen, die ich vor Ort einschlage. Beim Schlendern durch das Areal im Landschaftpark Rheinbogen versuche ich mir die Treidelgespanne von früher vorzustellen, die die Schiffe mühsam stromaufwärts zogen. Jetzt tuckern tief beladende Frachter mühelos durch die Wellen.

Während ich zum Teil auf den Spuren des Neanderlandsteigs und dem familienfreundliche Naturerlebnis-Pfad das Gelände durchstreife, hole ich mir eine Portion Gelassenheit bei den widerkauenden Highland-Rindern ab. Die kontrastreiche, technische und geschichtliche Entwicklung der Stadt lässt mich auch hier mitten im Grünen nicht los. Selbst der Deich, der den Rheinbogen prägt und mich mit einem weiten Blick über das Areal belohnt, ist Teil davon.

Und dann denke ich an den autonom fahrenden Bus, der sich durch das Tor am Schelmenturm aus dem 15. Jh. per GPS und Radar navigiert. Ähnlich treffen Vergangenheit und Gegenwart im Haus Bürgel einige Kilomter weiter in Richtung Norden zusammen. Das Gelände des einstigen Römerkastells und heutigem UNESCO-Welterbe im Naturschutzgebiet Urdenbacher Kämpe kann im wunderschön hergerichteten Museum vor Ort erkundet werden. Auf dem Gelände ist zudem der Sitz der Biologischen Station zu finden. Mit dem forschenden Blick auf den Naturraum der Auen und Entwicklungen in der heutigen Zeit wird auch viel Wissensvermittlung für die Zukunft betrieben.  

Noch mehr Geschichte erlebe ich auf dem alten Aalschokker am Rheinufer im Stadtteil Baumberg. Das Museumsschiff ist begehbar und steht für die lange Tradition der Aalfischerei in Monheim am Rhein. Infos in der Kajüte berichten vom Alltag der Fischer – Kopf einziehen nicht vergessen. Die moderne aus Holz gefertigte Plattform umschließt die Fiat Voluntas und gibt den Füßen eine Abwechslung zum gepflasterten Uferweg. Während ich auf dem Schiffsdeck stehe und den Blick auf den Rhein richte, kann ich fast den Wellengang in den Knien spüren. Ein wunderbarer Platz für eine Pause auf dem Weg von der Urdenbacher Kämpe in Richtung Stadt. 

Kein Stillstand und doch Ruhe

In der Urdenbacher Kämpe entlang des alten Rheinarms
begegne ich zahlreichen (Wasser-)Vögeln, wie Graureihern, inmitten der grün leuchtenden "Wildnis"

Ich merke immer mehr, dass das Erlebnis durch Monheim am Rhein zu laufen, aus den Kontrasten für mich lebt: hier die weiten grünen Wiesen und der feine Kies am Flussufer im Rheinbogen, dort die Backsteinfassaden der Häuser und der Trubel der Altstadt. Hier die wasserreiche fast dschungelartige Atmosphäre in der Urdenbacher Kämpe, dort die gepflasterte breite Promenade zum Flanieren. Hier der heranwachsende Neubau der Kulturraffinerie K714, dort die rund 2.000 Jahren alten Mauerreste aus der Römerzeit. Das Areal der Stadt und ihr Umland sind seit vielen Jahrhunderten stetig im Wandel, ähnlich wie der Rhein, der sein Bett dreimal zwischen dem 1. und 2. Jh. bis Anfang des 19. Jh. nennenswert verlagerte. Und obwohl sich das alles nach Hektik anhören könnte, finde ich immer eine Ecke, eine Bank, einen Baum, ein Café, einen Weg, wo ich Ruhe finde.

Meine Füße folgen nicht einem "klassischen" Wanderweg, sondern einem Mosaik aus unterschiedlichsten Erlebnissen für alle Sinne. Der Rucksack auf dem Rücken und die Kamera in der Hand geben mir dabei die Möglichkeit, völlig ohne Hetze den Impulsen der Umgebung unterwegs Freiraum zu geben: In der Urdenbacher Kämpe strecke ich mich auf einer Bank am Wegesrand aus und blicke in den Himmel, lausche den regen Tiergeräuschen und spüre, wir die Kälte des nassen Holzes langsam durch die Jacke dringt. Kurze Zeit später scheint wieder die Sonne, während ich ein Blesshuhn mit seinen aufgeregt piepsenden Küken bei der Überquerung einer weiten, offenen Wasseroberfläche beobachte.

Auf der Rheinpromenade genieße ich später am Tag die ausstrahlende Wärme der breiten Mauer, auf der meine Arme ruhen. Neben mir meistert ein Kind den Sprung von der Mauer hinunter, nachdem es mutig mit Hilfe der Eltern dort entlang balanciert ist. Einer meiner kleinen Abstecher vom Weg führt mich zwischen die Wohnhäusern an der Marienkapelle zum Standort der einstigen Mühle, die bis 1888 in Betrieb war. Heute erinnert eine Infotafel an das damals versorgungstechnisch wichtige Gebäude unweit vom Geysir-Kreisverkehr. Im Zwischenraum der Gebäude entdecke ich dabei ein auf bodenhöhe eingelassenes Trampolin und hebe für einen Moment ab. Die Schwerkraft erobert mich natürlich schnell wieder zurück und ich folge dem nächsten Impuls meiner Erkundungstour: Monguide Luda sprach doch noch vom Monberg, der höchsten Erhebung der Stadt mit toller Aussicht ... 

Natur entdecken in der Urdenbacher Kämpe
v. l. n. r.: Außenanlage Haus Bürgel mit Mauerresten aus Römerzeiten, 
stille Momente unter den Schwarzpappeln, Brückenüberquerung am alten Rheinarm

Kunst-Hopping: von einem Werk zum Nächsten

Und sei das noch nicht genug, um sich selbst einmal auf Monheims Spuren zu wagen, kann ich noch das von mir liebevoll genannte Kunst-Hopping als Reiz mitgeben. Was steckt dahinter? Überall im öffentlichen Raum der Stadt und am Rheinufer finden sich Skulpturen und Werke von namhaften Kunstschaffenden. Sie überraschen, provozieren und laden dazu ein genossen zu werden. Dabei sind sie ähnlich wie Wegmarkierungen großartig zu nutzen, um sich von einem Punkt zum nächsten leiten zu lassen. So stehe ich unterhalb der Skulptur Flusszeichen von Inge Welsch und kann auf einer freien Sichtachse in einiger Entfernung bereits die Metallsäulen der Vierten Dimension von Karl-Heinz Pohlmann im Sonnenlicht blitzen sehen. (Mehr hierzu auf wandermagazin.de)

Am Ende meiner Entdeckungstour sind viele Kilometer erlaufen, die Beine müde und der Geist gesättigt. Ein Zustand, den ich auf meiner Rückfahrt mit Bus und Bahn einfach über mich, vom Rhein inspiriert, hinweg fließen lasse. Beim nächsten Besuch werde ich wieder Neues entdecken, da bin ich mir sicher. 

Tipps:

  • Stadtführungen mit den Monguides kann ich absolut empfehlen, um mehr über die Geschichte und verschiedenen Besonderheiten der Stadt zu erfahren. www.monheim-entdecken.de
     
  • Für Ausflüge mit der Familie stehen reichlich Angebote zur Auswahl, zum Beispiel der große Wasserspielplatz am Rheinbogen, der Naturerlebnispfad mit Entdeckerrucksack, der Social Playground Monheim von Jeppe Hein auf dem Eierplatz in der Innenstadt sowie die Bürgerwiese zum Austoben und das Haus Bürgel in der Urdenbacher Kämpe.
     
  • Der Neanderlandsteig führt auf Etappe 13 & 14 durch Monheim am Rhein + 2 Entdeckerschleifen, die sich für einen Tagesauflug vor Ort anbieten.
     

www.monheim-entdecken.de