Es muss nicht immer das andere Ende der Welt sein. 2019 begab sich Enno Seifried für 165 Tage auf eine 3.442 km Wanderung durch Deutschland und lief von der Nordsee bis in die Alpen, um Orte und Landschaften kennenzulernen, die direkt vor unserer Haustür liegen. Sein Fokus lag darauf, die Natur dieses Landes zu entdecken und sich dem Getummel der Menschenmassen von Großstädten zu entziehen. Die Nächte verbrachte er meistens im Freien, unter sternenklarem Himmel oder in Gewitterstürmen, die sein Zelt drohten davonzutragen. Daraus entstanden ist ein etwa 105-minütiger Dokumentarfilm, mit Einblicken in seine persönlichen Reiserlebnisse sowie in die Vielfalt von Deutschlands landschaftlich reizvollen und historischen Orten. 

3442 km durch Deutschland

Wandermagazin: Du hast Deutschland durchwandert, aber nicht auf dem direktesten Weg von Nord nach Süd, sondern hast dir viel Zeit genommen, 165 Tage, und bist eigentlich einen riesen Schlenker durch Deutschland gelaufen. Wie ist diese interessante Route entstanden?

Enno Seifried: Die Route war eigentlich ein Zufallsprodukt der Orte, die ich anlaufen wollte. Ich suchte mir bestimmte Landschaften und Orte in Deutschland heraus, die ich gerne näher kennenleren wollte und verband diese miteinander. Da kam diese Route am Ende heraus. Das war aber nur der grobe Plan. Die exakte Route plante ich dann von Woche zu Woche unterwegs spontan, damit ich mich auch selber noch ein wenig überraschen kann. 

Wandermagazin: Wie lange hast du dich auf dieses Abenteuer vorbereitet? 

Enno Seifried: Ich bin kein Freund von großer Vorbereitung. Die Idee hatte ich schon eine Weile im Kopf und im Mai 2019 ging es dann eines Tages einfach los. Zu planen gab es da eigentlich auch nicht viel. Die Route stand grob fest und was ich sonst so mitnehme, weiß ich von vielen vorangegangenen Touren. 

Wandermagazin: Wenn du dich in den Pausen oder auch unterwegs filmst, scheinst du immer gut gelaunt zu sein, selbst nach drei Tagen Regenwetter oder nachdem deine Isomatte aufgeplatzt ist. Gab es auch Momente, in denen die Stimmung gekippt ist?

Enno Seifried: Ich vergaß unterwegs nie, was für ein Privileg es ist, eine solche Tour überhaupt machen zu können. Oft werde ich auch gefragt, ob es den Zeitpunkt gab, an dem ich kurz vor dem Abbruch der Reise stand. Aber den gab es nie und tatsächlich bin ich eher der gut gelaunte Typ, der mit positiver Einstellung auch mal eine Woche Regen verkraftet. Am Ende gehört das alles zu so einer Tour dazu und ich genieße es einfach, der Natur ausgesetzt zu sein. Auch wenn mal das Equipment versagt, ist das kein Grund miese Laune zu schieben. Das ist ganz normal und passiert einfach. Dann braucht es nur eine Idee, wie man weitermacht und alles wird gut.

Enno Seifried in der Sächsischen Schweiz

Wandermagazin: Auf deiner Wanderung hast du auch einige "Lost Places", also verlassene Gebäude an vergessenen Orten besucht. Was genau macht für dich die Faszination solcher „Lost Places“ aus?

Enno Seifried: "Lost Places" haben einen für mich sehr reizvollen morbiden Charme und ich finde es sehr faszinierend, dass man einen "Lost Place" betritt und plötzlich in einer ganz anderen Welt ist. Daneben interessieren mich natürlich auch die Geschichten, die sich einst an solchen Orten zugetragen haben, weswegen ich in den vergangenen Jahren auch die Dokumentarfilmreihen "Geschichten hinter vergessenen Mauern" und "Vergessen im Harz" produzierte. Die Treffen mit den Zeitzeugen oder die gemeinsame Begehung eines solchen verlassenen Areals ist immer wieder spannend und aufschlussreich.

Wandermagazin: Mir ist tatsächlich die Schlusssequenz des Films im Kopf geblieben und ich habe mich gefragt, wie geht es jemandem am Ende einer solchen Reise und was ist dir von dieser langen Wanderung besonders im Gedächtnis geblieben?

Enno Seifried: Als ich am Ziel ankam, war ich wirklich sehr glücklich und auch stolz, dass ich nun tatsächlich meinen Traum verwirklicht hatte. Dennoch hatte ich an dem Punkt noch nicht genung und bin noch ca. zwei Wochen weiter gelaufen und habe die Alpen genoßen. Es gibt nicht den einen Punkt, der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist. Es ist die ganze Reise, an die ich gerne zurückdenke. Einen Punkt heraus zu greifen, würde dem nicht gerecht werden, denn nur die gesamte Zeit der Wanderung mit allen Erlebnissen im Zusammenhang ergeben dieses wunderbare Erlebnis, an welches ich wohl noch lange mit einem Lächeln auf den Lippen zurückdenken werde.

Wandermagazin: Danke Enno für das Interview!
Enno Seifried: Sehr gerne, danke euch!

Das Interview führte Svenja Walter.

Infos: www.ennoseifried.de