Traufgänge - Wandern im Penthouse der Schwaben - page 15

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SINNLICHER TRAUF
Wandererrast
Tobias Hailfinger hat in einem der bekanntesten Hotels des Schwarzwaldes, beim Bareiss
in Baiersbronn, seine Ausbildung als Restaurantfachmann gemacht. Das dortige Konzept,
dass Fünf-Sterne-Hotels irgendwo im weitverzweigten Wanderwegenetz an einem der
zertifizierten Wege eine Wanderhütte sieben Tage die Woche betreiben, hat ihn beein-
druckt. Die Entwicklung der neuen Premiumwanderwege in seiner schwäbischen Heimat
kam ihm da nach dem Ausbildungsende und den Wanderjahren gerade recht. 2012,
nach dem Umbau des alten Gasthofes am Fuße des Gräbelesberges, war es so weit: Der
Junggastronom öffnete die Pforten der Traufganghütte für das Wanderpublikum. Und
das strömt seitdem reichlich. Das urige Ambiente im alpenländischen Look, die leckeren
regionalen Speisen, dazu süffige Biere und Weine aus württembergischem Anbau. „Ich
habe nichts bereut“, versichert der Existenzgründer mit dem jungenhaften Gesicht. Wir
bestellen köstlichen Salat und die Spezialität der Küche, einen schwäbischen Zwiebelrost-
braten. Lecker!
Das Künstler-Café
Burgfelden ist der kleinste und verträumteste Stadtteil von Albstadt. Eine Idylle unterm
Himmel. Seit der Felsenmeersteig, einer der acht Traufgänge, hier eröffnet wurde (im
Winter gibt es jetzt sogar einen eigenen Winterwanderweg – den Schneewalzer), sind
Wanderer keine Seltenheit mehr im Ortsbild. Zwischen Böllat und Schalksburg, zwischen
Felsenmeer und Heersberg öffnet dieser Traufgang eine sagenhaft abwechslungsreiche
Erlebniswelt. Schön, dass die 49-jährige Eva Wedel, Enkelin des Malerpaares Fritz Wedel
und Edith Wedel-Kükenthal, hier im Großelternhaus ein kleines Künstler-Café betreibt.
„Ich lebe Kunst und produziere keine Kunst“, antwortet mir die blonde Frau auf die
Frage, wie sie denn auf die Idee kam, hier eine Restauration einzurichten. Bereits der
Großvater bewirtete in Burgfelden Anfang der 1960er Jahre Besucher. Interessierten Gäs-
ten zeigt sie die bis heute unveränderten Arbeitszimmer der Großeltern.
Süße Gründe
Von zwei Traufgängen aus ist das Restaurant und Hotel „Süßer Grund“ per pedes zu
erreichen. Wir entscheiden uns am südlichsten Punkt des Traufgangs Wacholderhöhe
für einen Abstecher samt ausgiebiger Einkehr im Süßen Grund. Vor der Terrasse heißt
uns ein Schild mit dem Hinweis auf Traufgängerbier willkommen. Auf einer Plakette
steht, dass das Haus auch zertifizierter Wandergastgeber sei. Die vorzügliche Küche von
Marcelo Föhr überzeugt mit frischen, regionalen Produkten. Die Nachspeise ist vielleicht
die süßeste Verführung für den Abstecher: hausgemachte Apfelküchle mit Vanilleeis. Gibt
es süßere Gründe? Spontan entscheiden wir uns, am Abend der Küche nochmals unsere
Aufwartung zu machen. Anderntags laufen wir den Schlossfelsenpfad und kehren unter-
wegs in dem urigen Gasthaus Fohlenweide ein. Für Kinder eine Wonne, überall sind Tiere
zu sehen und zu hören. Drei Katzen dösen in der Sonne, Ziegen lassen sich sichtbar gerne
streicheln und die Schafe geben der ganzen Bauernhofidylle eine friedliche Atmosphäre.
Schöner alter Zollersteighof
Ich staune, als mir Heidi Jäckel erzählt, dass früher eine steile Steige aus dem Albvorland
aus der Hechinger Gegend vom Zeller Horn her am Zollersteighof vorbeiführte. Als die
Hektik des Ausflugverkehrs der beredten Stille unter dem unendlich nahen Sternenhimmel
weicht, als die Wirtin sich zu den Hausgästen setzt, da platzt es aus mir heraus „Köstlich,
diese Maultaschensuppe, die Wildkräuter im Salat habe ich herausgeschmeckt und das
Lammfleisch zerging mir mit dem feinen Aroma von Rosmarin und Thymian auf der
Zunge.“ Die bescheidene Frau freut sich sichtlich, wünscht eine gute Nacht und verschwin-
det in der Küche. Die Traufgänge sind zum schwelgen schön. 22 Qualitätsgastgeber sorgen
sich um das leibliche Wohl der Traufgänger. Vorbildlich ist auch der Nette-Toilette-Service.
Alle Qualitätsgastgeber haben sich verpflichtet, ihre Toiletten ohne Verzehrzwang zugäng-
lich zu halten.
Eva Wedel
49, Künstlercafé-Chefin
Meine Großeltern haben
in Burgfelden gelebt und
liegen auf dem Friedhof. Kunst
und gastronomische Freuden
verbinden, das ist mein Credo -
und es funktioniert!
Heidi Jäckel
54, Zollersteighof
Wir sind in dritter Gene-
ration hier oben. Trotz 16 - 17
Stundentage liebe ich meinen
Beruf. Das ist meine Heimat,
das ist die Natur, die ich liebe.
Mehr will ich nicht.
Tobias Hailfinger
25, Traufganghütte
Urig, heimelig und boden-
ständig sollte die Hütte sein.
Alpenländischer Flair und vor
allen Dingen regionale Produkte
nach regionalen Rezepten zube-
reiten. Es klappt!
Heidi Jäckel vom Zollersteighof liebt Kräuter. Vor der Küche des Hotelrestaurants
über Onstmettingen, unweit von Raichbergturm und Zeller Horn direkt am
Zollernburg-Panorma gelegen, schlendert die Chefin mit Schere und Bastkorb
durch ihren Kräutergarten. „Wildkräuter wie Kerbel, Thymian und Estragon für
die Suppe. Sauerampfer, Schnittlauch für den Salat, die Schafgarbe dort für das
morgendliche Rührei und Salbei, Rosmarin und Oregano für den superzarten
Lammbraten“. Lechz! So lecker schmeckt die Heimat der Traufgänge.
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