Wandermagazin live 177 - page 17

Figuren und filigran ineinander verschachtelter Muster, sind eine
steingewordene Bibel in Bildern. Am Fuß der Serra Cavallera ge-
legen, ist Santa Maria de Ripoll gemeinsam mit dem Kloster Sant
Joan de les Abadesses einer der Höhepunkte der Route Serra de
Monestirs, die den südlichen Ripollès durchquert.
Fluchtrouten undWege in die Freiheit
. Während einige
Pyrenäenrouten über Jahrhunderte einen kontemplativen
Charakter kultivierten, waren andere regelrechte Fluchtrouten.
Hier hatten die gejagten Reisenden in der Regel keine Augen für
die Schönheit der monumentalen Gebirgslandschaften, die in
der Provinz Lleida im Nationalpark Aigüestortes y Estany de Sant
Maurici sowie in zwei Naturparks unter Schutz stehen. Die Route
Muntanyes de Llibertat (Gebirge der Freiheit) ist ein Rundkurs in
vier Etappen durch katalanisch-französisches Hochgebirge. Sie
führt auf katalanischer Seite durch den Naturpark Alt Pirineu und
ist geprägt von Wald, Weiden, Gletscherlandschaft und Berg-
seen. Wer heute durch die tiefen Wälder streift und die seit alters
genutzten Gebirgspässe erklimmt, hat Muße, die majestätische
Bergwelt auf sich wirken zu lassen: das Rauschen der Wasserfälle,
die Stille der Seen, die rauen Gipfel, den Flug der Bartgeier in der
Höhe.
Diejenigen, deren Gedenken die Route gewidmet ist, richteten
alle Kraft und Aufmerksamkeit allein auf ein Ziel: die Überque-
rung der Grenze und die damit erhoffte Sicherheit vor den Ver-
folgern. 1939 flohen die im spanischen Bürgerkrieg besiegten
Republikaner über die Pässe des Pallars nach Frankreich, wenig
später setzte ein Strom von Flüchtlingen aus der Gegenrichtung
ein: Die vom Holocaust bedrohten, aus Frankreich fliehenden
Juden versuchten sich in Spanien in Sicherheit zu bringen oder
von dort aus Europa zu verlassen.
Oft sind es unscheinbare Orte im Gebirge, die sich als Knoten-
punkte des Schicksals erweisen. Im gironesischen Portbou kreuz-
ten sich im Abstand von eineinhalb Jahren die Wege des großen
spanischen Literaten Antonio Machado und des deutschen
Philosophen und Kunsthistorikers Walter Benjamin. Für beide ist
die Grenzüberschreitung letztlich der Weg in den Tod.
Links: Artiga de Lin, Val d‘Aran
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