REGIOPANORAMA
| Thüringer Wald
Heerweg oder Handelsstraße, Kundschafterspur oder
Grenzpfad, Rennweg oder Höhenpfad – die Wur-
zeln des Rennsteigs liegen trotz der ersten urkundli-
chen Erwähnungen aus 1330 (Rynnestig) und 1546
(Rensteig) letztlich im Dunkeln. Macht nichts. Der
ungeheuren Anziehungskraft dieses Prachtstücks von
Kammwanderweg tut das keinerlei Abbruch. Denn,
so schreibt Ludwig Storch sichtlich bewegt von seiner
Rennsteigwanderung: „... dass alle großen und schö-
nen Gedanken und Gefühle nur Kinder der natürli-
chen Stille und Einsamkeit sind ...“
Franken und Thüringen
Fakt ist, dass der Rennsteig im Mittelalter die Gren-
zen des Herzogtums Franken und der Landgrafschaft
Thüringen markierte, auch die späteren Grenzziehun-
gen kleinerer und größerer Fürstentümer und Herr-
schaften. Das belegen rund 1.300 historische Grenz-
steine, die seit dem 16. Jh. entlang des Rennsteigs
gesetzt wurden. Besondere Aufmerksamkeit verdienen
jene zehn Dreiherrensteine, die sich direkt am Renn-
steig befinden und mit kunstvoll herausgearbeiteten
Wappen eine Augenweide darstellen. So ist der Renn-
steig zwar immer noch zu einem kleinen Teil eine
politische Grenze (Thüringen und Bayern), geblieben
Oben:
Wanderer auf
dem Rennsteig
zwischen
Schmücke
und Borstenplatz
Großes Bild:
Rennsteighaus an der
Neuen Ausspanne
Kleine Bilder
von oben nach unten:
Rast mitten im Wald
bei
Schmiedefeld
am Rennsteig
Neue Schutzhütte
und Sitzgruppe an der
Alten Tränke
Neuer Aussichtsturm
„
Krämerod“
Alle Fotos: Dominik Ketz
ist aber die Kultur-, Sprach- und Religionsgrenze der
vergangenen Jahrhunderte. Hier hessisches Idiom
und fränkisch-bayerischer Dialekt, dort thüringisches
Sprachgut, samt gewachsener Architektur, Koch- und
Brauchtumskultur. Alleine dieser Umstand hebt den
Rennsteig in Sachen Entdeckungsvielfalt über nahezu
jeden anderen Weitwanderweg hervor.
Gipfel und Geschichte
Der Thüringer Wald war Glasbläserwald, Wald der
Köhler und Harzsammler, Montanwald, Goldgrä-
berwald oder Kräuterwald. Die Gewinnung und
Nutzung von Rohstoffen wie Erz, Holz und Wasser
hat den Thüringer Wald, seine Menschen, Dörfer,
die Lebensweisen und das Brauchtum geprägt. Dem
Mythos Thüringer Wald fügen die über Jahrhunderte
gewachsenen Besonderheiten der Täler, Bergregionen
und Orte höchst unterschiedliche, immer aber stau-
nenswerte Wendungen, Sagen und Erzählungen an.
Bis knapp unter die 1.000-Meter-Marke recken drei
der bekanntesten Berge ihre Gipfel in den Thüringer
Himmel. Großer Beerberg (983 m), Schneekopf (978
m) und Großer Finsterberg (944 m) kratzen förmlich
am Tausender. Es ist allerdings das Privileg des Gro-
ßen Inselsberges (916,5 m) über Tabarz, den Renn-
„In seiner einzigen und köstlichen Schönheit
gleicht er
(der Rennsteig) der seidenen Schnur, auf welcher eine Menge
prächtiger Perlen, große und kleine, aneinander gereiht sind ...“
(Ludwig Storch, 1842)
Der weltweit einzige denkmalgeschützte Wanderweg folgt der denk-
bar höchsten Kammlinie von Thüringer Wald und Thüringischem
Schiefergebirge und führt durch drei Nationale Naturlandschaften.
Schweigende Fichtenwände, heimliche Waldwiesen, dann und wann
ein Blick in die grüne Tiefe, in die blaue Ferne zu ihren Füßen.
Kinder der Stille und Einsamkeit
Der Rennsteig – eine großartige Kammwanderung