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WANDER
MAGAZIN | November/Dezember | 2016
REGIOPANORAMA
| Thüringer Wald
Das grüne Blatt
Als ich das erste Mal mit der Landkarte „Maß“ auf den Thü-
ringer Wald nahm, gleich nach der Wende Anfang 1990, kam
mir angesichts der Umrisse und Gestalt dieses etwa 150 km
langen und bis zu 35 km breiten Waldgebirges sofort der Ge-
danke: Schaut aus wie ein grünes Blatt. Dieses grüne Blatt na-
mens Thüringer Wald, im engeren Sinne der Thüringer Wald
und das Thüringer Schiefergebirge, übte sogleich eine große
Faszination aus.
Die Täler heißen Gründe, die Schmalstellen des leicht ge-
krümmten Kammgebirges Sattelrücken, so mancher Ortsname
endet auf -roda, -thal, -berg, -mühle oder -hammer und verrät
auf Anhieb einiges über seine Geografie oder Geschichte. Rings
um den Thüringer Wald liegen die kulturellen Höhepunkte wie
an der Perlenschnur aufgereiht: Eisenach, Gotha, Ilmenau, Saal-
feld, Sonneberg, Eisfeld, Hildburghausen, Meiningen, Schmal-
kalden oder Bad Salzungen, um einige zu nennen. Mittendrin
bieten Bergorte wie Ruhla, Brotterode, Oberhof – die thüringi-
sche Wintersportmetropole –, Neustadt am Rennsteig, Neuhaus
am Rennweg, Schmiedefeld oder Blankenstein herrliche An-
und Einsichten von der Thüringer-Wald-typischen Architektur,
Gastlichkeit und Kultur. Die Gipfel recken sich bis auf 983 m in
die Höhe, wie der Große Beerberg oder der Schneekopf. Dar-
unter viele solitäre Sonderlinge wie der Große Inselsberg oder
der Kickelhahn.
Den Rennsteig habe ich gleich dreimal unter die Füße genom-
men, doch ganz besonders beeindruckt haben mich die Täler
des Thüringer Waldes, die üppig blühenden Bergwiesen, die
ruppigen Felsformationen und das nahezu orchestrale Rauschen
der Bäche und Flüsse, die mal über die Werra Richtung Weser
und mal über Unstrut und Saale Richtung Elbe entwässern.
Herausragend fand ich den Basaltklotz des Dolmar, ein erlosche-
ner Vulkan über der Theaterstadt Meiningen. Unvergessen die
Tour über den Rhön-Rennsteig-Wanderweg auf den Ruppberg
mit fantastischer Aussicht auf Zella-Mehlis. Sicher bin ich drei-
oder viermal aus dem kleinen Tabarz auf stets wechselnden Pfa-
den auf den Großen Inselsberg gestiegen. Die Drachenschlucht
bis zur Hohen Sonne, die Olitätendomäne um die Glasmacher-
region von Lauscha und Oberweißbach mit dem kühnen Frö-
belturm und der sagenhaften, 4 km langen Standseilbahn nach
Cursdorf, die immense Pflanzenpracht im UNESCO-Biosphä-
renreservat Thüringer Wald mit dem Vessertal – das alles ist der
Thüringer Wald.
Natürlich der unwiderstehliche Duft von einem der vielen Thü-
ringer Rostbratwurststände, die herrlichen Biergärten mit Weit-
blick unter ausladenden Linden und die eindrucksvollen tech-
nischen Denkmäler wie der Schieferpark in Lehesten mit der
erstaunlichen Pferdegöpelanlage oder der Tobiashammer in
Ohrdruf. Spurensuche nach dem Gold, den Glasmachern, dem
Weißen Gold oder längst vergessenen Spielzeugen aus Kind-
heitstagen – der Thüringer Wald ist voller Anregungen, voller
Wanderideen und herausragender Sehenswürdigkeiten. Für
mich ist es eines der schönsten Waldgebirge Deutschlands.
(ms)
Morgenstimmung
im Thüringer Wald
Alle Fotos:
Dominik Ketz