Die Wanderung unterliegt keiner großen Geheimhaltung. Im Burghof der Stadt Belzig haben sich siebzig Wanderfreunde versammelt, Steinmeier und ich blicken in ungefähr zehn Objektive der versammelten lokalen und überregionalen Presse. Zwischen uns beide hat sich ein lebensgroßes Stoffdings gequetscht, ein knatschbuntes Maskottchen. Wahrscheinlich hat man einen Design-Wettbewerb im Fläming lanciert, herausgekommen ist dann dieses Wandertags-Maskottchen, der Fläming-Adler. Rote Arme und Beine, blauer Wamst, gelber Schnabel. Das schönste Wandertag-Maskottchen, das ich bisher kennen lernen durfte. Bisher habe ich allerdings auch nur diesen Fläming-Adler gesehen.

Als es losgehen soll, schüttet es wie aus Kübeln. Steinmeier ist outdoormäßig überaus professionell ausgestattet, die Klamotten sehen sogar so aus, als seien sie schon einmal getragen worden, wo genau, das erfahre ich später. Steinmeier streift sich gegen den Regenguss die Kapuze über, ich stehe unter meinem kleinen Knirps-Schirm dämlich grinsend daneben. Einem Fotografen gefällt die Kapuze von Steinmeier nicht: „Ihr Gesicht ist so dunkel”, mault er. Na gut, zieht Steinmeier also die Kapuze wieder runter und kommt zu mir unter den Schirm. So ist das als Politiker: man ist immer auch Allgemeingut, zudem ein gut funktionierendes Fotomodell.

Es geht los. Wir wandern einen asphaltierten Weg bergan. Am Ende der Straße erklärt man uns, das sei der Gipfel des Pressebergs, auf dem wir stehen würden. So, so, allerdings ist auf den ersten Blick nichts zu erkennen, was einem Gipfel im herkömmlichen Sinne nur entfernt ähneln würde. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür, dass der Wein, der in den Pressen hergestellt wurde, die den Presseberg namentlich zum Presseberg machten, nicht gerade ein Verkaufsschlager gewesen war. Schon der markbrandenburgwandernde Theodor Fontane konnte der Qualität des Fläming-Weins nichts abgewinnen. Mehr Essig als Wein sei das gewesen.  Nun, der Fläming-Wein existiert ohnehin nur noch in der Erinnerung. Ein Journalist fragt mich, welche Wander-No-Gos und Wander-Musts es gäbe. Ich muss lange nach einer schlauen Antwort suchen. „Eigentlich ist es so“, diktiere ich ihm in den Block, „jeder wandert wie er will und mag, es gibt keine Musts und No-Gos. Der eine wandert schnell, der andere nicht, der eine mag steile Berge, der andere flache Landschaften, der eine hat 3.000 Euro für seine Funktionsklamotten ausgegeben, der andere so gut wie nichts. Wandern ist wie swingen – alles kann, nichts muss.”

Die märkische Landschaft ist – überraschenderweise – echt märkisch: Viele Wege haben einen sandigen Untergrund, das finde ich schön. Und die blühenden Rapsfelder und Kiefernwälder komplettieren das brandenburgische Landschaftsensemble. Die Frau, die eben schon Wissenswertes über den Presseberg und den Fläming-Wein erzählen konnte, ist übrigens unsere Wanderleiterin Frau Müller. Ich finde es bemerkenswert, dass es im Osten in schöner antifaschistischer Tradition keine WanderFÜHRER, sondern politisch korrekte WanderLEITER gibt. Wir erfahren von unserer Leiterin, dass wir gerade durch eine Rummel wandern. Nicht der Rummel, sondern die Rummel, quasi ein Canyon des Flämings. In einer solchen Talmulde sollen bei Starkregen sogar schon Menschen ertrunken sein. Na ja. So eine Rummel sieht eigentlich eher wie eine gemütlich ausgeformte Welle in der Landschaft aus. ...