Es hilft nichts, ich werde heute am Stock gehen. Denn ich werde mit Waltraud Lenhart wandern, der Chefin von Leki, der Firma Nummer Eins für Wanderstöcke. Wir wollen gerade loswandern, da fällt Waltraud Lenhart auf, dass etwas fehlt, das Entscheidende: “Wo sind die Stöcke?” Früher hieß es in einer bekannten Sekt-Reklame “Wo ist der Deinhardt?“, heute fragt man “Wo sind die Stöcke?” Die Marketing-Mitarbeiterin telefoniert hektisch, eine Viertelstunde später braust ein Leki-Auto, sozusagen ein Stöcke-Taxi, auf den Wanderparkplatz und ein Mitarbeiter liefert die Stöcke ab. Ich kann das ja irgendwie verstehen: Wenn ich der Weltmarktführer von Trekking- und Nordic Walkingstöcken bin, dann sollte man nicht ohne diese Gehhilfen losgehen. Und auch ich kann mich da schlecht entziehen.

Bekanntlich ist meine Einstellung eher die, dass Stöcke für das komplette Wanderglück eher entbehrlich sind, aber ich fände es wirklich unhöflich, die mir angebotene Gehhilfe schroff zurück zu weisen. Also schaue ich mir das mit den Schlaufen mal genauer an, Frau Lenhart ist eine geduldige Erklärerin. Meine Schlaufe ist BVB-Dortmund-schwarz-gelb-farben und liegt locker ums Handgelenk. Im Unterschied zu Nordic Walkingstöcken, da ist die Schlaufe fest am Handgelenk wie eine Art Handschuh. Wieder was gelernt. Ein “L” und ein “R” geben vor, an welche Hand welche Schlaufe gehört. Jetzt bloß nicht rechts und links verwechseln, links ist da, wo der Daumen rechts ist… Dann noch die richtige Länge festlegen, und los geht’s, hinein ins Zipfelbachtal.

Wir haben uns eine halbe Stunde zuvor im Industriegebiet von Kirchheim/Teck (nicht zu verfehlen, hinter “Schrauben Schmid” gleich rechts) in der Leki-Firmen-Zentrale getroffen. Das Wort “Leki” kommt nicht aus Finnland, wie viele Wanderfreunde vermuten, Leki ist die Abkürzung von Lenhart und Kirchheim. Der Firmeninhaber Klaus Lenhart kam 2012 bei einem Flugzeugunglück ums Leben, seine Frau Waltraud führt seitdem sehr erfolgreich die Geschäfte. Und sie ist es auch, die die Tour durchs Zipfeltachtal hoch zum Mörikefels als gemeinsame Tour vorgeschlagen hat. Der Start ist nur 15 Minuten von der Firmenzentrale entfernt in Hepsisau, dem Ort mit der angeblich größten Kirschbaumdichte Deutschlands. Die Wandertour ist nicht irgendeine Tour, es ist die Haus-Strecke von Frau Lenhart, die sie auch mal am Feierabend oder vor der Arbeit macht. Immer mit einem gescheiten Picknick dabei, oder - wie man hier sagt - einem “Veschper”. Aber dazu später mehr.

Wir sind losgegangen – mit den Stöcken natürlich – und gehen an einem bezaubernden Bachlauf über (Achtung!) Stock und Stein bergan. Ich bin noch nicht richtig im Stöcke-Wander-Rhythmus, denn immer wenn meine Gedanken abschweifen, wie es ja beim Wandern leicht geschieht, gerate ich mit den Stöcken durcheinander. Ich muss mich voll auf die beiden Gehhilfen fokussieren, dann klappt es. Wir queren einige Brücken und machen auf einer Bank eine kurze Trinkpause. Wir lassen die Seele und die Füße baumeln, die FAZ haben wir unter den Po gelegt gegen die Feuchtigkeit der Bank.

Im Gespräch mit Waltraud Lenhart kommt man schnell vom Hölzchen aufs Stöckchen. Sie erzählt, dass diese Tour DIE Teststrecke für die Wander-Stöcke war und ist. Mercedes muss sich da ein teures Testgelände bauen, Leki erledigt das im Zipfelbachtal, großartig! Frau Lenhart ist naturgemäß ein großer Fan ihrer eigenen Stöcke. “Ich bin absolut davon überzeugt davon, mit Stöcken zu gehen. Ich hatte früher Probleme mit den Knien und der Hüfte, mit Stöcken bin ich immer entspannt und locker. Man muss es spüren, mit den Stöcken zu gehen. Vor allem Berg runter, da federt es an Gewicht unglaublich ab.”

Die Firma Leki hatte in der Anfangszeit nur Skistöcke produziert. Als sich Reinhold Messner für die Stöcke beim Bergwandern stark machte, war das der Anfang zur unglaublichen Erfolgsgeschichte der Stöcke. Seit Anfang der 70er Jahre werden die Stöcke fürs Wandern von Leki produziert. Der entscheidende Unterschied zu den Skistöcken ist: Man kann sie zusammenschieben, sozusagen klein machen. Weil manchmal, am Klettersteig zum Beispiel, braucht man seine Hände für den Fels, nicht für die Stöcke. Angenehmer Nebeneffekt für Leki: Durch die Wanderstöcke war die Produktion ganzjährig ausgelastet, neben dem Saisonprodukt “Skistöcke” hatte man den Ganzjahresknaller “Wanderstock” erfunden.

Wir gehen weiter, immer bergan, der Zipfelbach begleitet uns. Ich habe mich inzwischen an den Stock-Rhythmus gewöhnt. Allerdings bin ich es als Wanderautor gewohnt, bei meinen Wanderungen schnell in meinen Gürteltaschen an das Diktaphon und die Digital-Kamera greifen zu können, das ist im Moment problematisch, weil ich an die Stöcke gefesselt bin. Anderthalb Stunden nach unserem Start am Wanderparkplatz in Hepsisau erreichen wir unser Ziel: der Mörikefels, 774 Meter über dem Meeresspiegel. Vor uns öffnet sich ein gigantischer Ausblick den Albtrauf hinunter auf die großartige Landschaft der Schwäbischen Alb. “Hier ist alles wie in einer Puppenstube, klein aber fein”, schwärmt Waltraud Lenhart und ich kann ihre Begeisterung absolut teilen. Wie auf einem Sprungbrett könnten wir auf den Felsen hinaustreten, aber das lassen wir mal lieber bleiben, denn das ist eine Aussichtskanzel ohne Absperrung.

 

Doch dann packt Frau Lenhart erstmal das “Veschper” aus, da fehlt wirklich nichts. Appenzeller Käse, Rohesser, Brezeln, Radieschen, Äpfel, gekochte Eier, herrlich! Die Leki-Chefin ist schwäbisch-gastfreundlich und bietet dem Mann neben uns auch etwas an, dessen beschauliche Ruhe wir auf der Bank am Mörikefels gestört haben. Er erklärt, er sei Hobby-Paläontologe und beobachte die Landschaft, um sich einen Reim darauf zu machen, wie in Urzeiten die Krokodile auf die Schwäbische Alb gekommen sind. Es gibt kein Hobby, das es nicht gibt. Als er mitbekommt, dass Frau Lenhart Stöcke-Expertin ist,  wird der Krokodil-Mann hellhörig. Ob das Material aus Karbon oder Aluminium sei, wie das Verhalten bei Röntgenstrahlen sei? Er habe nämlich eine “Offer”, ein Angebot aus Kanada, dort in einer Goldmine zu arbeiten. Erst auf dem Abstieg fällt bei mir der Groschen. Der Krokodil-Mann plant anscheinend, von seinem Goldminen-Job ein kleines – nun ja, Andenken – nach Deutschland mitzubringen, da könnte man doch vielleicht das Edelmetall in Leki-Stöcken verstecken…

Auf dem Rückweg durchs Zipfelbachtal mache ich mich über Leute lustig, die ihre Nordic Walking-Stöcke gar nicht “richtig” nutzen, sondern die Stöcke mit einem üblen Schleifgeräusch hinter sich herziehen wie einen unwilligen Hund. Waltraud ficht das nicht an: Ist doch egal, sagt sie, Hauptsache, die Menschen gehen überhaupt raus in die Natur. Und sie fühlen sich sicher durch die Stöcke, das sei doch das Entscheidende.

Bergab kann ich das mit der Sicherheit nachvollziehen. Ich stütze mich voll auf meine Stöcke, dafür sind die Handgriffe eiförmig und weich geformt, genoppt wie ein länglicher Golfball. Waltraud macht mir vor, wie man den Doppelstockgriff nutzt, und mit beiden Stöcken gleichzeitig aufsetzt. Ich komme mir zwar vor wie der Patient einer Reha-Klinik an zwei Krücken. Aber ich bin auf einem derart rutschigen Weg mit feuchten Steinen und Wurzeln selten so schnell bergab gegangen. Und das in meinen geliebten Wander-Turnschuhen!

Ich muss zugeben, Stöcke haben durchaus einen Mehrwert, nicht nur als Gold-Schmuggel-Hilfsmittel für Hobby-Paläontologen. Ich bedanke mich bei Frau Lenhart für die kurze, aber sehr ereignisreiche Wandertour und werde die Leki-Stöcke in Ehren halten. Wenn nur nicht diese schwarz-gelben Schlaufen wären…


  • Gründung: 1948
  • Mitarbeiter 2012: weltweit ca. 300
  • Stockproduktion 2012: ca. 1,2 Millionen Paar Stöcke
  • Zielmärkte: Deutschland, Österreich, Schweiz, Italien, Japan, USA, Korea… Leki ist weltweit in über 50 Ländern durch Importeure oder Tochtergesellschaften vertreten.
  • Philosophie: Langlebige Qualitätsprodukte für Outdoor- und Skisport, mit ennem hohen Maß an Sicherheit und Komfort. Mit modernsten Produktionsanlagen und dem Einsatz umweltfreundlicher Fertigungstechnologien, bis hin zum Recycling, trägt Leki der Verantwortung an die Erhaltung unserer Lebensräume Rechnung.