1991: Patagonia, ein Outdoorausstatter aus den USA, untersucht die Umweltverschmutzung und den Rohstoffverbrauch der vier Hauptfasern Wolle, Baumwolle, Polyester und Polyamid für Patagoniaprodukte. Als das Ergebnis vorliegt, gibt es nur eine mögliche Entscheidung: Wenn die Firma ihr Postulat, auch das hochwertigste Produkt mit dem geringsten Grad an Umweltbelastung herzustellen, beibehalten will, muss der Umstieg auf organische Baumwolle erfolgen. Sofort!

 

Greenacting

Patagonia machte damals 20% des Umsatzes mit Sportswear aus Baumwolle. Außerdem gab es schlicht kaum organische Baumwolle und die, die es gab, war 100% teurer. Dennoch beschloss das Unternehmen, bis 1996 alle verwendete Baumwolle durch organische Baumwolle zu ersetzen – mit Erfolg. Patagonia stellte innerhalb von nur fünf Jahren die komplette Produktion, samt der landwirtschaftlichen Vorstufe, um. Statt Greenwashing (d.h. eine Art Etikettenschwindel mit Ökonimbus in grünem Look) handelte die US-Amerikaner konsequent.

Outdoor und Umwelt

Der Kraftakt von Patagonia wurde zunächst von vielen Wettbewerbern mit Kopfschütteln aufgenommen. Viele Kopfschüttler von damals sind heute selbst noch keinen entscheidenden Schritt auf ihrem Weg zu einer nachhaltigen Produktion vorwärts gekommen.

Dabei hat sich das gesellschaftliche Umfeld drastisch verändert. Die Welt steht, dramatisch ausgedrückt, kurz vor dem Abgrund. Die Zeit wird knapp – und doch fehlt häufig der ehrliche Wille. Häufigste Ausreden: andere Materialien gewährleisteten nicht die gleiche Funktion oder König Kunde sei nicht bereit, für ein nachhaltiges Produkt mehr auszugeben.

Inzwischen hat auch die schwedische Firma Klättermusen Konsequenzen bei wasserdichten/atmungsaktiven Membranen gezogen. Statt die funktionell der Gore-Tex-Membran überlegene Event-Membran  zu behalten, rückten die Schweden radikal von ePTFE ab. Hintergrund war die Diskussion der Gesundheitsgefährdung durch Teflon-Membranen und ihrer Nebenprodukte wie PFOA und PFOS.

Hierzulande wird die Diskussion dagegen weitgehend gedeckelt. Weil auch der Industrieverband der Europäischen Outdoorindustrie (EOG) sich inzwischen dem Thema Nachhaltigkeit angenommen hat und auf Umbrüche drängt, werden jene Hersteller mittelfristig Legitimationsprobleme bekommen, die sich gar nicht oder nur scheinbar bewegen.

Naturfasern auf dem Vormarsch

Sind Naturfasern denn nachhaltig? Generell gesprochen muss man diese Frage mit Nein beantworten. Baumwolle in der traditionellen Variante ist extrem schädlich, und zwar durch den exzessiven Einsatz von Pestiziden, Insektiziden und Fungiziden beim Anbau. In der Weiterverarbeitung werden weitere Giftstoffe benötigt und der Energieaufwand ist extrem hoch. Im Vergleich dazu ist organische Baumwolle ein enormer Fortschritt. Nachteilig ist der wasserintensive Anbau. Einige spezielle Baumwollsorten können auch mit wenig Wasser wachsen, dann freilich mit signifikant niedrigerem Ertrag.

Dennoch gibt es Naturfasern, die als nachhaltig und funktionell gelten. Hanf beispielsweise gilt als die stärkste Naturfaser (Hanfseile!) mit Wicking-Funktion, natürlichem UV-Schutz und guter Resistenz gegen Fäulnis. Die Hanfpflanze ist zudem sehr robust. Hanf benötigt keine Pestizide und nur einen Bruchteil der Wassermenge, die man für Baumwolle benötigt.

 

Holzbrei zu Fasern

Ökologisch interessant sind auch synthetische Fasern aus nachwachsenden Rohstoffen. Tencel von Lenzing Fibres z.B. besteht aus einem Holzbrei, der zu einer Faser gesponnen wird. Tencel ist in der Produktion ein geschlossener Kreislauf mit geringen Einflüssen auf die Umwelt und sparsamem Wasser- und Energieverbrauch. Die fertige Faser ist kompostierbar und besonders atmungsaktiv durch Nanofibrillen, die die Feuchtigkeitsauf- und -abnahme ebenso wie die Temperatur regeln.

Auch die Gruppe der Polylactide (PLA) bilden natürliche Polyesterfasern, die man aus rechtsdrehender Milchsäure herstellt. Sie sind erdöl-unabhängig und können durch synthetische Polymerisation aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Kaffee und Milch gewonnen werden. Funktionell und verarbeitungstechnisch sind PLA-Fasern dem Polyester ähnlich, jedoch kompostierbar und frei von Rohölen. Problematisch kann allerdings die Gewinnung von Anbauflächen sein, wenn sie zu Urwaldrodungen führen.

 


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