„Wo magst denn hin?” Michael Walser zieht die Stirn kraus. Der Bergführer, der sonst mit stoischer Gelassenheit Bergwandergruppen über die Pitztaler Gletscher führt, ist hier besonders wachsam. Auch bei einem Abstecher hinter den nächsten Felsbrocken – zum Fotografieren oder „kurz mal verschwinden” können Risse, Löcher und Spalten im Untergrund dem Vergnügen schnell ein Ende bereiten. „Da sind schon manche alte Hasen dran gescheitert und auf Nimmerwiedersehen im Eis verschwunden. Besser, ihr bleibts zusammen.”

Beim Abfließen des Schmelzwassers in flacheren Bereichen des Gletschers entstehen so genannte Gletschermühlen. Vor einer davon stehen wir nun mit respektvollem Abstand. Wie tief die Löcher im Eis werden können, vermittelt ein Steinwurf in den klaffenden Abgrund. Erst nach einigen gespannten Sekunden ertönt ein dumpfes Poltern aus der Tiefe. 50, 60 Meter werden das wohl sein.

Sicher verankert Michael die Haken im Eis, befestigt das Seil und hilft beim Anlegen der Gurte. Schon verschwindet der erste in der Gletschermühle. Das ist zunächst etwas unheimlich, aber je tiefer man kommt, umso blauer und faszinierender erscheinen die Eismassen. Nach gut 15 Metern ist allerdings Schluss. Da gabelt sich die Öffnung und wird zu eng zum Weiterkommen. Außerdem strömt eisiges Wasser von den Wänden herab, also schnell wieder rauf.

In der nahegelegenen Eishöhle ist es etwas unkomplizierter, Kamera und Ausrüstung trocken zu halten. Nur manchmal fallen einige Schmelzwassertropfen von der Decke. Draußen ist es so sonnig, dass der Rest der Gruppe im T-Shirt wartet, während zwei oder drei Leute in die glitzernde Gewölbelandschaft hinabklettern.

Like ice in the sunshine

Nicht nur an heißen Sommertagen spürt man, dass die Eismassen zunehmend schmelzen. Wie sensibel die Gletscherlandschaft auch im Pitztal ist, das beweisen alte Fotos. Noch vor 80 Jahren ragte der Gletscher bis weit ins Tal hinab. Da war er von Mandarfen und Mittelberg aus sichtbar – heute hat er sich um fast 700 Höhenmeter zurückgezogen und ist hinter einer Felswand verschwunden.

Das Ziel für die Mittagspause liegt auf 2759 m, eine knappe Wanderstunde vom Gletscherrand entfernt. Die Braunschweiger Hütte hat nicht nur sagenhaft leckere „Kasknödl” im Angebot, sondern auch eine Sonnenterasse mit dem schönsten Blick auf den Gletscher und die Wildspitze. Die ist mit 3774 m der höchste Berg Tirols und kann – von erfahrenen Bergsteigern oder in Begleitung eines Bergführers – an einem Tag bestiegen werden.

Doch auch wer es lieber gemütlich angehen mag, muss auf das Traumpanorama nicht verzichten. Der Hintere Brunnenkogel ist mit der Pitz-Panoramabahn bestens erschlossen und mit 3.440 m der höchste mit einer Seilbahn erreichbare Punkt Österreichs. Von der Plattform „Wildspitzblick” öffnet sich die Aussicht auf ein unendlich scheinendes Gipfelmeer aus österreichischen, italienischen und Schweizer Alpen.

Hochgenuss

Mitten im Gletscherskigebiet wartet noch ein weiterer Superlativ: auf 2.840 Metern serviert Konditormeister Norbert Santeler im Restaurant Wildspitze in der Bergstation des Gletscherexpresses seine Spezialitäten. Mit seinen beiden Töchtern Sandra und Stefanie betreibt er die höchste Konditorei Europas. Strudel, Palatschinken und Kaiserschmarrn sind die Klassiker.

Das Kuchenbuffet lässt ebenfalls keine Wünsche offen. Und trotz der aufwändigen Anlieferung – die Bergbahn bringt Produkte wie auch Mitarbeiter allmorgendlich hinauf – wird alles aus frischen Zutaten gefertigt. Die Milch kommt von Pitztaler Kühen und nicht aus der Tüte. Darauf ist Norbert Santeler sichtlich stolz – und das schmeckt man auch.