Hochstimmung

Wie auch immer ein Buntspecht diese gelungene Mischung kulturell überformter Natur erfahren mag, für den Wanderer ist sie ein wunderbares ästhetisches Erlebnis. Wenn sich die Sonne zum Beispiel durch das Blätterdach vereinzelt ihre Bahn bricht und auf den Waldboden trifft, erfüllt es einem das Herz. Das klingt zwar kitschig, ist aber so: Beschwingt setzt man seine Wanderung fort in einem Zustand der „entspannten Aufmerksamkeit“. Man nimmt so viel wahr, staunt immer wieder über den Formenreichtum der Natur und wird an der nächsten Wegbiegung doch wieder überrascht. Ganz versunken im einfachen Schauen scheint Zeit relativ zu werden.

Doch nicht nur das Sehen, der am meisten beanspruchte Sinn unserer Zivilisation, erholt sich durch angenehme Stimulation. Auch das Hören, Riechen, Tasten und mitunter auch das Schmecken scheinen am Rothaarkamm aus der zivilisationsbedingten einseitigen Monotonie wieder zu erwachen. Ein Gefühl des Wohl- und angenehmen Aufgekratztseins stellt sich ein und verläßt einen nicht mehr, bis man zufrieden ins Bett sinkt.

Schonklima

Aber auch etwas nüchterner und damit wissenschaftlicher läßt sich die positive Wirkung des Waldes auf den Menschen beschreiben, wie in dem Artikel „Wald und Gesundheit“ aus der Zeitschrift „Unser Wald“ (Ausgabe 2/2005, S.10): „Der Wald nimmt alle klimatischen Extreme wie Hitze, Kälte, Wind, Trockenheit (und) Sonneneinstrahlung und bringt ein echtes Schonklima mit günstiger Feuchtigkeit, angereichert mit den, für den Menschen angenehmen Zusätzen von ätherischen Ölen und Pflanzenpartikeln.“

Hochstimmung

Mit das wichtigste Element einer attraktiven Naturlandschaft ist das Wasser. Es gestaltet durch seine Kraft maßgeblich das Gebirge mit, indem es Seitentäler aus dem Gestein des Hauptkammes herauswäscht und zudem „Grundnahrungsmittel“ aller Lebewesen ist. Der Rothaarkamm in Siegerland und Wittgenstein hat dem Wanderer gleich eine Menge abgelegener Seitentäler mit naturbelassenen Quellen und Bächen zu bieten.

Da sind natürlich die drei großen Namen: Eder, Sieg und Lahn. Sie alle entspringen auf einem Abschnitt von nur zehn Kammkilometern! Und alle drei geben ein ganz unterschiedliches Bild ab. Die Ederquelle, nur wenig südlich von Lützel entspringend, sieht aus, wie man sich eine Quelle idealerweise vorstellt: Aus einer kleinen Höhle knapp unterhalb des Weges kommt das klare Wasser stetig herausgesprudelt und verschwindet nach wenigen Metern in einem Quellsumpf. Vor allem Birken und Schachtelhalme dominieren ihn, und erst gut 200 Meter weiter sind die Anfänge der jungen Eder zu erkennen, die sanft das Moorgebiet verläßt und in ein natürliches Auental fließt. Bei dem Anblick kommt einem kaum in den Sinn, daß auch die Ederquelle in den 1970er Jahren zubetoniert worden ist. Zum Glück wurde dies 1991 rückgängig gemacht und die Quelle renaturiert.

 

Respektlos

Fünf Kilometer südlich hat die Siegquelle ihre „Fassung“ noch nicht verloren, aus der sie aber nach wenigen Metern ausbricht und frei zu Tal fließt. Weitere fünf Kilometer Richtung Süden auf der Eisenstraße und man erreicht die Lahnquelle am Hotel Forsthaus Lahnquelle. Hier ist das Quellwasser zu einem kleinen Weiher angestaut, der von Bäumen umwachsen ist.

Neuerdings hat sich auch ein Paar Bisamratten, die viele Gäste fälschlicherweise für Biber halten, in diesem Weiher häuslich eingerichtet. Der Ausfluß des Weihers ergießt sich über eine große Wiese. Auf ihr grasen die Kühe des nahen Bauerhofes. Und anscheinend muß das Gras direkt neben der jungen Lahn so gut schmecken, das die braunen Kühe direkt in den sumpfigen Oberlauf hineinwaten und hinterher arge Probleme haben, wieder fe-sten Boden unter die Füße zu bekommen. Ob die Kühe den Oberlauf der Lahn auch so respektlos behandeln würden, wenn sie wüßten, wie groß sie noch werden wird?

Geheimplätze

Außer den Geburtsstätten dieser bekannten Flüsse gibt es aber auch noch weniger bekannte Quellen zu entdecken. Da ist zum Beispiel die Ferndorfquelle. Östlich von Hilchenbach ist auch sie in Stein eingefaßt, stürzt sich aber kurz darauf abenteuerlich in ein farnbewachsenes Kerbtal hinab. Doch die beiden schönsten Quellen haben Ilse und Weiß. In einer traumhaften Umgebung entspringt die Ilse. Um ihren zierlichen Oberlauf hat sich ein Auebereich gebildet, der auch dem „Herrn der Ringe“ entspringen könnte. Dichtes Gras überwuchert den moorigen Untergrund, ein kleiner Weiher staut das noch junge Wasser, bevor es zuerst durch Wiesen, dann durch ein schluchtartiges Gelände weiter zu Tal geht. Das gesamte Ilsetal ist so abwechslungsreich und naturbelassen, daß das Durchwandern wirklich eine wahre Freude ist. Dem Wasser der Ilse selber hat man im Mittelalter sogar heilende Wirkung zugesprochen. Neben dem Quell, zu dem in Hochzeiten dieses Glaubens Zehntausende von Kranken pilgerten, wurden daher sogar Badeanlagen gebaut, die der Renaturierung durch das Forstamt nun wieder gewichen sind. Die Quelle war zu jenen Zeiten ein beträchtlicher wirtschaftlicher Faktor der Region. Die Besonderheit des Wassers wurde auch mit wissenschaftlichen Methoden belegt, so daß noch heute Menschen wegen der Heilwirkung zur Quelle kommen. Für den Wanderer bietet das Ilsewasser jedenfalls eine kühle Erfrischung!

Besser als gemalt!

Auch wenn das Ilsetal in seiner Gesamtheit kaum zu toppen ist, der Quellbereich des Weißbaches übertrifft den Wasseraustritt der Ilse dennoch. Etwa zehn Meter oberhalb des Wan-derweges nahe Wilgersdorf plätschert das Wasser der Weiß am steilen Hang aus einer Steinmulde heraus. An der Bachrinne haben sich kleine Farne und Klee auf dem nackt aus dem Hang hervortretenden Fels angesiedelt. Wer zu der Steinmulde hinaufklettert, sieht, daß nach einem Meter Bachbett das Wasser aus einer dunklen Felshöhle herausrinnt, die von Farnen umwachsen ist. Würde man so eine Quelle als Zeichnung sehen, man würde sie als romantisierenden Kitsch beiseite legen. Wenn man aber staunend davor steht, kann man sich kaum satt daran sehen!